Goethe und sächsisch-weimarische Militärfragen

Dr. Thomas Hemmann, Bornheim

- Veröffentlicht durch "Die Zinnfigur", Heft 9/1999 -

Einführung

1999 jährt sich zum 250. Mal der Geburtstag Johann Wolfgang von Goethes - für mich ein Anlaß, ihn in unserer Sammlerzeitschrift einmal unter dem weniger bekannten Aspekt seiner amtlichen Tätigkeit vorzustellen. Ich stieß auf Goethes amtliche Schriften eher zufällig; ein Nachbar, mit dem ich über die Napoleon- bzw. Goethezeit diskutierte, wies mich auf diese Seite von Goethes Tätigkeit hin. Mir waren vorher von unserem großen Schriftsteller nur die Darstellung der Kampagne in Frankreich 1792 und der Belagerung von Mainz 1793 [1] als Schriften militärischen Inhalts bekannt. Im folgenden will ich nach einigen Vorbemerkungen zum sächsisch-weimarischen Militär jener Zeit eine Übersicht der amtlichen Vorgänge mit militärischem Bezug, an denen Goethe in seiner Eigenschaft als Geheimer Rat des Herzogs von Sachsen-Weimar [2,3] beteiligt war, geben. An einem Beispiel, der Beschaffung von Montierungsstücken für das Husarenkorps, soll exemplarisch gezeigt werden, wie detailliert sich Goethe mit militärischen Fragen auseinandersetzte.

Zunächst jedoch noch einige Vorbemerkungen zum verwaltungsmäßigen Verfahren im damaligen Herzogtum. Die meisten amtlichen Vorgänge wurden offensichtlich durch äußere Ereignisse initiiert, beispielweise durch offizielle Forderungen Preußens zur Genehmigung von preußischen Werbungen auf dem Territorium Sachsen-Weimars. Diese Vorgänge wurden normalerweise im schriftlichen Geschäftsgang bearbeitet, mit Voten der beteiligten Räte (u.a. von Fritsch, Schnauß, Goethe) versehen und dem Herzog ("Serenissimus") zur endgültigen Entscheidung vorgelegt bzw. im Geheimen Consilium (auf unsere heutigen Verhältnisse übertragen: "Bundessicherheitsrat") diskutiert. Den Protokollen des Consiliums ist auch heute, nach über 200 Jahren, noch anzumerken, welch schwierigen Part ein Duodezfürst im Konzert der damaligen Großmächte (Preußen, Österreich bzw. Deutsches Reich, Frankreich, Rußland) zu spielen gezwungen war. Oft war der einzige Ausweg ein Verschieben der Entscheidung und Abstimmung mit den benachbarten sächsischen Kleinstaaten, um wenigstens etwas mehr Rückhalt zu haben.

Quellen zum sächsisch-weimarischen Militär der Goethezeit

Ich kann hier nur einen kurzen Abriß geben, da die mir zugänglichen Quellen, zumindest für die Zeit vor 1806, nicht sehr ergiebig sind. R. Knötel erwähnt im Handbuch der Uniformkunde [4] Bd. 1, S. 94, daß die weimarischen Truppen im 18. Jahrhundert ganz nach preußischem Muster gekleidet waren. Das Jägerbataillon (später Scharfschützenbataillon genannt) wurde 1788/90 gegründet. In den Befreiungskriegen 1813/14 gab es ein freiwilliges Jägerkorps. Der Ursprung des bereits genannten Husarenkorps reicht nach Knötel bis tief in das 18. Jahrhundert hinein. In Knötels großer Uniformenkunde finden sich Abbildungen eines Scharfschützen von 1806 (I, 42), zum Leichten Infanteriebataillon 1812 (XII, 6), zu weimarischen Freiwilligen Jägern 1814 (II, 60), eines Husaren 1806-08 (IV, 54) und von Freiwilligen Jägern zu Pferd 1813/14 (XVII, 2). In den Mitteilungen zur Uniformenkunde [5] wird im Jg. 1904, S. 40 auf die Abzeichen des Jägerregiments 1807 eingegangen; im Jg. 1900, S. 30 wird die Uniform der Landwehr 1814 (im Zusammenhang mit der Besprechung der Elberfelder Bilderhandschrift) beschrieben. H. Knötel stellt im Sturm-Zigarettenbilderalbum zu den Freiheitskriegen 1813-15 einen Musketier des Thüringer Infanteriebataillons (im Frühjahr 1813 aus weimarischen Kriegsgefangenen gebildet, in preußischen Diensten), einen Offiziers des Leichten Infanteriebataillons, einen Freiwilligen Jäger zu Pferd und den weimarischen Landsturm zu Pferd dar. Darüber hinaus veröffentlichten K.-P. Merta und L.-H. Thümmler vor einigen Jahren eine verdienstvolle Studie über das Militär der Sächsischen Herzogtümer 1806-1866 (im Internet einsehbar [6]. In der "Zinnfigur", Jg. 1933, S. 136 wurde die Uniform der weimarischen Hofkavaliere und Lakaien um 1800 beschrieben; im Jg. 1941, S. 25ff wurde von G. Heiland ein Artikel zur Uniformierung der weimarischen Infanterie im Zeitraum 1790-1820 veröffentlicht.

Übersicht der von Goethe bearbeiteten amtlichen militärischem Vorgänge

Nachfolgend gebe ich eine tabellarische Übersicht der von Goethe bearbeiteten amtlichen Vorgänge mit militärischem Bezug, geordnet und numeriert nach der Zusammenstellung des Staatsarchivs Weimar [7]. Die Art der erhaltenen Archivalien ist jeweils hinter dem Bezug angegeben. Vorgänge zu militärischen Besoldungs-, Pensions-, Aliments- und Deputatssachen habe ich weggelassen, da sie hier weniger interessant sind.

Nr.

Bezug, aktenmäßige Quellen

Jahr

Bd. 1

 

 

14

Untersuchung über die Fouragerechnungen aus dem Siebenjährigen Kriege. Voten

1777

15

Tuchlieferungen zur Hoflivree. Reskript

1777

21

Aufforderung Preußens zu gemeinsamen Schritten in der bayrischen Erbfolgefrage. Voten

1778

24

Auslieferung militärpflichtiger kursächsischer Untertanen. Voten

1778

29

Sicherheitsmaßnahmen in Ilmenau nach Aufhebung der Landkompanie. Reskript

1779

30

Beratungen über preußische Truppenwerbungen im Lande. Protokolle und Voten

1779

32

Gewaltsame Übergriffe preußischer Husaren. Voten

1779

35

Beschaffung wildlederner Hosen für das Husarenkorps. Reskript (siehe unten. TH)

1779

36

Provinzialmiliz in Eisenach nach Aufhebung des Landregiments. Reskript

1779

49

Behandlung rückkehrender Deserteure. Reskripte

1779

58
63

Auslieferung eines Studenten an das preußische Militär. Voten, Reskript

1780/
1781

69

Durchmarsch kursächsischer Truppen. Reskript

1781

86

Verfahren bei Vorladungen von Husaren. Reskript

1781

102

Vereidigung des Husarenkommandos auf die neuen Kriegsartikel. Angabe für den Konzipienten

1782

110

Befreiung eines Untertanen aus dem preußischen Militärdienst. Handschreiben

1782

114

Schuldklage gegen einen Stabsfourier. Reskript

1782

124

Schuldklage gegen Militärpersonen. Ordre

1782

143

Bestrafung eines Artillerieleutnants. Ordre

1783

146

Kompetenzstreit zwischen Regierung und Militärgericht. Reskript

1783

150

Auftreten der Soldaten mit Seitengewehr an Amtsstelle. Aktenauszüge

1783

176

Ansuchen der Vereinigten Niederlande um Überlassung von Soldtruppen. Bericht

1784

179

Kaiserliche Warnung vor Überlassung von Soldtruppen an die Vereinigten Niederlande. Protokolle

1784/
1785

186
190

Topographische Karte des Herzogtums Weimar. Bericht

1785

Bd. 2

 

 

23

Plan zur Gewinnung Kursachsens für einen Anschluß an Preußen im bevorstehenden Krieg gegen Österreich. Handschreiben

1790

36

Forderungen Sachsen-Weimar-Eisenachs an Frankreich aus dem Siebenjährigen Kriege. Votum

1790

52

Veränderungen beim Militär nach dem Tode des Hauptmanns von Reck. Weisung und Erläuterung dazu

1792

56

Erklärung des Reichskrieges und Stellung eines Kontingents zur Reichsarmee. Vertrauliches Votum und Votum, Protokoll, vertraulicher Bericht, Vortrag, Anfragen mit Voten und Privatschreiben

1792

57

Werbung des angeblichen Amerikaners Pearce. Vertraulicher Bericht

1793

60

Heiratsgenehmigung für den Jäger Blumenstein. Übermittlung einer Weisung

1793

61

Stellung eines Kontingents zur Reichsarmee. Vertraulicher Bericht

1793

65

Verhinderung des Abgangs einer Bürgerdeputation an den Herzog (wegen dessen beabsichtigter Abreise zur Armee. TH). Vortrag, vertrauliche Berichte, Weisung und Votum

1793

68
71

Geld- und Sachspenden für die preußische und sächsische Armee. Anschreiben, Aktenvermerke

1793/
1794

116
118

Anstellung des württembergischen Majors Jacob Friedrich Rösch in Sachsen-Weimar. Vertrauliches Votum, vertrauliche Notiz, vertrauliche Anfrage

1796

152

Beabsichtigte Teilnahme des Herzogs am russischen Feldzug gegen Frankreich. Handschreiben und Denkschrift, Voten, Vorarbeiten und Anschreiben

1799

167

Ratifikation des Friedens von Luneville durch den Reichstag zu Regensburg. Aktenvermerk

1801

174

Ständchen für den neuen Kommandanten Major v. Hendrich in Jena. Vertraulicher Bericht

1802

200

Goethes Ablehnung der Teilnahme an einer Audienz der Geheimen Räte bei Napoleon. Vertrauliche Notiz

1806

203

Reise des Erbprinzen nach Berlin in das französische Hauptquartier. Votum

1806

204

Beitrag Goethes zum statistischen Bericht an den französischen Intendanten Villain. Anschreiben, deutsche und französische Ausarbeitungen

1806

222

Unterdrückung des vierten Bandes der Memoiren v. Massenbachs (früherer preußischer Oberst. TH). Vertrauliches Votum

1810

231

Plan der Wiederanstellung des H.C. Hensoldt in sachsen-weimarischen Diensten (ehemaliger Gemeiner im sachsen-weimarischen Scharfschützenkorps und Trompeter im preußischen Husarenbataillon in Ansbach. TH). Vorbereitung eines Auszugs und Aktenvermerk, Votum

1813

Ein Beispiel: Beschaffung wildlederner Hosen für das Husarenkorps 1779

Das nachfolgende, auch uniformgeschichtlich interessante Beispiel vom 12. Mai 1779 soll zeigen, wie detailliert sich Goethe mit militärischen Sachfragen auseinandersetzen mußte. Es handelt sich um ein Reskript (eigenhändiges Konzept von Goethe für Herzog Carl August) an die Kriegskommision zu Weimar, zitiert nach Bd. 1, Nr. 35, S. 66f. Gleichzeitig gewährt das Dokument einen Einblick in die Militärökonomie und sparsame Haushaltsführung der damaligen Zeit:

"Ad Commissionem Militarem

Die von derselben wegen
Abgabe der ledernen
Hosen an das Husaren
Corps geschehene An-
frage betr.

Von Gottes Gnaden Carl August, Herzog zu Sachsen pp.

Veste und Hochgelahrte Räthe, liebe Getreue. Wir haben referiren hören, was Ihr wegen der bey Gelegenheit der an den desertirten Husaren Thon angetretnen Rekruten Bircke, abzugebenden ledernen Hosen, zwischen Euch und dem Rittmeister von Lichtenberg, entstandnen Differenz, mittelst Berichts vom 10ten hujus welchem die anschlüssig rückfolgenden Akta beygefügt gewesen, anhero gelangen lassen.

Um die Sache wieder in gehörige Ordnung zu bringen, machen Wir Euch hiermit unsern Willen bekannt, dass die anno 78 dem Husaren Corps geschaffte lederne Hosen bis anno 82 getragen, dagegen anno 80 wieder ein Paar dergleichen halb von dem Beymontirungs Gelde von 78 bis 80 und halb von dem statt der sonstigen Tuchhosen abzugebenden Quanto gefertigt und solche bis 84 getragen werden sollen.

Da ihr dann künftig ohne der abgeschafften Tuchhosen weiter zu erwähnen, in der Ordnung fortzufahren habt dass alle 2 Jahre ein Paar lederne Hosen iedes auf 4 Jahre zu tragen dem Corps gereicht werde.

Wie ihr auch in dem gegenwärtigen Falle die 3 rtl. 6 gr. 9 pf. dem Rittmeister von Lichtenberg zu restituirn und ihm unsre Willensmeynung bekannt zu machen hiermit angewiesen seyd.

An dem p. und Wir p.
Geben Weimar den 12 May 1779."

Schlußbemerkung

Ich hoffe, mit dem vorliegenden Artikel das Interesse an diesem Aspekt der Goethezeit geweckt zu haben. Vielleicht fühlen sich andere Sammlerfreunde hierdurch aufgerufen, noch mehr Details zur Militärgeschichte Sachsen-Weimars und ihrer zinnfigürlichen Darstellung beizutragen. Abschließend danke ich Herrn Christoph Essmeyer, Bornheim, für die Anregung und Korrekturen zu diesem Aufsatz sowie die freundliche Bereitstellung der zitierten Goetheliteratur.

Literatur

1. Jäckel, G., Hrsg. Der Freiheitsbaum. Die Französische Revolution in Schilderungen Goethes und Forsters 1792/93. 1983, Berlin: Verlag der Nation.

2. Tümmler, H., Goethe als Staatsmann. Persönlichkeit und Geschichte. Bd. 91/92. 1976, Göttingen: Musterschmidt.

3. Sengle, F., Das Genie und sein Fürst. Die Geschichte der Lebensgemeinschaft Goethes mit dem Herzog Carl August. 1993, Stuttgart: Metzler.

4. Knötel, H. und H. Sieg, Farbiges Handbuch der Uniformkunde. 1996, Augsburg: Bechtermünz Verlag.

5. Knötel, R. und H. Knötel, Mittheilungen zur Geschichte der militärischen Tracht. 1892-1921, Rathenow: M. Babenzien.

6. Merta, K.-P. und L.-H. Thümmler, Das Militär der Sächsischen Herzogtümer in Thüringen 1806-1866. 1996, Internet unter http://www.historischer-service.com/lht/sachsen/titel.htm

7. Flach, W., Hrsg. Goethes amtliche Schriften. Goethes Tätigkeit im Geheimen Consilium. Bd. 1: 1776-1786, Bd. 2: 1788-1819, Bd. 3: Erläuterungen, Bd. 4: Register. 1950ff, Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger.