Wissenswertes zu deutschsprachigen Memoiren der Napoleonzeit

Dr. Thomas Hemmann

- Veröffentlicht in „Die Zinnfigur“, Jg. 2002, Hefte März (S. 62-67), April (96-101), Mai (117-121), Juni (145-148), Juli (183-189) -

Westfälische und kurhessische Memoiren

Einleitung

In Fortsetzung des Artikels über württembergische Memoiren [1] wenden wir uns nun einem anderen Rheinbundstaat zu. Das Königreich Westfalen war eine originäre Schöpfung Napoleons und daher sein Anfang (1807) und Ende (1813) mit Napoleons Aufstieg und Untergang eng verknüpft. Jérôme Bonaparte, Napoleons jüngster Bruder, im Volksmund "König Lustig" genannt, durfte sieben Jahre dem Königreich vorstehen. Diese relativ kurze Amtszeit brachte den Untertanen einige Verbesserungen, z.B. den Code Civil, aber auch zahllose Truppenaushebungen, finanzielle Belastungen und einen zweimaligen Umsturz aller Verhältnisse. Für den Sammler ist die westfälische Armee besonders interessant, da sie in Spanien 1808-1813, in Russland 1812 und in Deutschland 1809/1813 Anteil an vielen wichtigen Begebenheiten hatte.

Da die westfälische Armee hauptsächlich aus Kadern der früheren kurhessischen Streitkräfte hervorgegangen ist, schließen wir kurhessische Memoiren hier ein. Darüber hinaus dienten in der westfälischen Armee – neben zahlreichen Franzosen – auch viele ehemals braunschweigische, hannoversche und preußische Offiziere, deren Erinnerungen hier ebenfalls mit aufgenommen werden (z.B. Borcke, Morgenstern). Bei diesen habe ich mir erlaubt, insofern Berichtenswertes auch zu anderen Armeen in den Memoiren enthalten ist, es hier im Kontext zu bringen, wenngleich dies gelegentlich über das Thema dieses Aufsatzes hinaus geht. Soweit Braunschweiger und Hannoveraner aber auf Seiten Englands kämpften (z.B. in der Königlich Deutschen Legion), werden diese in einem zukünftigen Aufsatz gesondert behandelt.

Die uns vorliegenden Memoiren sind so zahlreich, dass sie ein repräsentatives Bild der westfälischen Armee geben. Zur Illustration dieser Behauptung bringe ich die Ordre de Bataille der westfälischen Armee im russischen Feldzug 1812 mit ► kursiven Verweisen auf Memoirenschreiber hinter den einzelnen Einheiten. Es wird sofort ersichtlich, dass zur Mehrzahl der Regimenter, leichten Bataillone etc. Memoirenwerke existieren.

Ordre de Bataille, VIII. (Westfälisches) Korps der Großen Armee, März 1812

Quellen:

  • Gieße, F. Kassel - Moskau - Küstrin 1812 - 1813. Tagebuch während des russischen Feldzuges geführt. Leipzig, Verlag der Dykschen Buchhandlung, 1912, S. 14-17
  • Morgenstern, F. Kriegserinnerungen des Obersten Franz Morgenstern aus westfälischer Zeit. Wolfenbüttel, Julius Zwisser, 1912, S. 121-122
  • Nafziger, G. F. Napoleon´s Invasion of Russia. Presidio Press, Novato, CA, 1998, S. 478-498

Befehlshaber: ► König Jérôme, Bruder des Kaisers Napoleon I.

Ordonnanzoffiziere: Graf v. Oberg, ..., ► Hptm. v. Bodenhausen, KammerherrLtn. v. Lehsten-Dingelstädt, Page

Kommandierender General: GdD Graf Vandamme

ADC: OSL Zeron, Hptm. Mynheer, Ltn. Delude

Chef des Stabs: Oberst Revest

Adjoints des Stabs: OSL Stockmayer (auch Kommandeur des Hauptquartiers), OSL v. Longe, Hptm. v. Lamberty, Hptm. v. Linden

Kommandeur der Gendarmerie: OSL v. Kalm

Ordonnateur: Obermusterungsinspekteur Ducrot

Oberinspekteur des Feldpostamtes: Emmermann

Inspekteur des Feldlazaretts und der Apotheke: Isoard

Generalstabsarzt: Merrem

Pharmacien en chef: Boutry

Total: 254 Mann (inkl. Feldbäckerei, Metzger etc.)

1. (23.) Division, ► Generalleutnant von Ochs

ADC: Hptm. v. St. Paul, ► Hptm. v. Borcke

Chef des Stabs: Oberst Humbert

Adjoints des Stabs: Hptm. v. Quernheimb, Hptm. Backer v. Loewen, Hptm. v. Bobers, Hptm. v. Wolf

1. Brigade, GdB Damas

ADC: Hptm. Liebhaber, Ltn. v. Lochhausen

III. Leichtes Inf.-Batl., OSL v. Hesberg (Heßberg) ► Musiker Kollmann

2. Inf.-Regt., 3 Batl., Oberst Baron v. Füllgraf ► Hptm. v. Morgenstern

6. Inf.-Regt., 2 Batl., Oberst Ruelle ► OSL v. Conrady

2. Brigade, GdB Graf v. Wickenberg alias Zurwesten

ADC: Hptm. Hölke, Ltn. Cordemann

II. Leichtes Inf.-Batl., OSL Boedicker ► OSL Boedicker, Hptm. v. Linsingen

3. Inf.-Regt., 2 Batl., Oberst Bernard ► OSL v. Loßberg ? Wachtmeister Meyer

7. Inf.-Regt., 3 Batl., Oberst Lageon ► Ltn. Wagner

2. (24.) Division, GdD Tharreau

ADC: Chef de Escadron Liebhaber

Chef des Stabs: Oberst Baron v. Borstel

Adjoints des Stabs: Hptm. Puttrich, Hptm. v. Diepenbroick, Hptm. v. Lindern, Hptm. Laumann

1. Brigade, GdB Graf Wellingerode

ADC: OSL Smallian, Hptm. Vainclair

Gren.-Garde, 1 Batl., Oberst Legras

Garde-Jäger, 1 Batl., Maj. Picot ► Jäger Fleck

Jäger-Carabiniers, 1 Batl., Maj. Müldner

I. Leichtes Inf.-Batl., OSL v. Rauschenplatt

5. Inf.-Regt., 2 Batl., Oberst Gissot ► Ltn. Gieße

2. Brigade, GdB Danloup-Verdun (blieb zunächst mit dem 8. Inf.-Regt. zurück)

ADC: Hptm. v. Alles, Ltn. ?

1. Inf.-Regt., 2 Batl., Oberst Bergeron ► OSL Bauer (stand in Danzig, versetzt zum X. Korps)

4. Inf.-Regt., 2 Batl., Oberst ? (zunächst beim XI. Korps Augereau, dann versetzt zum VI. Korps St. Cyr; kam am 9. Dezember bei Wilna zu den Resten der Großen Armee) ► Fourier Haars

8. Inf.-Regt., 2 Batl., Oberst Bergeron (stieß am 29. Oktober bei Gshatsk zum VIII. Korps) ► OSL v. Meibom ? Sergeant Leifels

Total Infanterie: 22.315 Mann

Kavallerie-Division, GdD Chabert

ADC: Hptm. v. St. Paul, Ltn. Noel

Chef des Stabs: ?

Adjoints des Stabs: OSL v. Reiche (von der Leichten Kavallerie-Brigade), Hptm. v. Hoyer (von der Schweren Kavallerie-Brigade)

Leichte Kavallerie-Brigade, GdB Baron v. Hammerstein

ADC: Hptm. v. St. Cernin, Hptm. v. Bothmer

Garde-Chevaulegers-Regt., Oberst Müller (bildeten später unter Gen.-Maj. Wolf eine eigene Garde-Brigade) ► Rittmeister Baumann

1. Hus.-Regt., Oberst v. Zandt

2. Hus.-Regt., Oberst v. Hesberg (Heßberg) ► Ltn. RüppellTrompette-Major Klinkhardt

Schwere Kavallerie-Brigade, GdB v. Lepel

ADC: Hptm. Barth, Ltn. v. Bourbon

Garde du Corps, 1 Schwadron, OSL Lallemand (gingen zurück nach Kassel)

1. Kür.-Regt., Oberst v. Gilsa (1. und 2. Kür.-Regt. unter GdB v. Lepel versetzt zum IV. Kavalleriekorps)

2. Kür.-Regt., Oberst Bastineller

Total Kavallerie: 3.374 Mann, 3.659 Pferde

Artillerie und Genie, GdD Allix

ADC: Hptm. Lachapelle, Ltn. Spangenberg

Artillerie-Regt., 1 Reit. Batt. der Garde, 1 Reit. Batt. der Linie (versetzt zum IV. Kavalleriekorps), 2 Fuß-Batt. der Linie, dazu pro Inf.-Regt. 2 Regimentsgeschütze (insg. 40 Kanonen und 8 Haubitzen), Oberst v. Pfuhl ► Kanonier Wesemann

Genie Corps, Oberst Ulliac

1 Komp. Sappeure

4 Komp. Train (davon 1 zum IV. Kavalleriekorps)

Handwerker-Abteilung

Reserve Park, OSL Schulz

Total Artillerie und Genie: 977 Mann (inkl. Regimentsartillerie), 558 Mann Train, 1.196 Pferde, Bagage Train: 324 Mann, 1206 Pferde

Total insgesamt: 27.802 Mann, 6.061 Pferde

Anmerkungen:

  1. Es fanden im Laufe des Feldzuges mehrere Neu- und Umbesetzungen der Kommandeursstellen statt. General Graf Vandamme legte unmittelbar nach Beginn des Krieges das Korpskommando nieder und wurde interimistisch durch General Tharreau, dann endgültig durch General Junot, Herzog von Abrantes, ersetzt. König Jérôme verließ die Armee Mitte Juli und nahm die Garde du Corps mit zurück nach Kassel.
  2. Das 1. westfälische Inf.-Regt. wurde dem X. Korps Macdonald zugeteilt. Das 8. Inf.-Regt. stieß erst auf dem Rückzug der Großen Armee am 29. Oktober bei Gshatsk zum Korps; das 4. Inf.-Regt. gehörte zum XI. Korps Augereau, wurde dann zur Division Wrede des VI. Korps St. Cyr versetzt und traf am 9. Dezember bei Wilna ein. Die beiden westfälischen Kürassier-Regimenter wurden beim Vormarsch an der Weichsel dem IV. Kavalleriekorps Latour-Maubourg einverleibt.
  3. In den Quellen werden deutsche und französische Rangbezeichnungen nebeneinander verwendet, z.B. Général de Brigade / Generalmajor oder Capitaine / Hauptmann.

Einige Hinweise noch zur Literatur: Interessenten der Geschichte des Königreichs Westfalen können das Übersichtswerk von Kleinschmidt [2] konsultieren; für die westfälischen Armee ist das Standardwerk Lünsmanns Buch über "Die Armee des Königreichs Westfalen 1807 - 1813" [3]. Ein Spezialwerk zur Uniformierung der westfälischen Armee haben Gärtner und Wagner im Auftrag der Gesellschaft für Heereskunde herausgegeben [4].

Zur redaktionellen Aufbereitung: eigene Erläuterungen innerhalb der Zitate habe ich in runde Klammern gesetzt und mit TH gekennzeichnet. Auslassungen habe ich mit (...) markiert. Sofern mir zugänglich, habe ich auch Abbildungen der besprochenen Personen beigefügt.

Generalmajor z. D. Bauer: Aus dem Leben des Kurhessischen Generallieutenants Bauer

Johann Philipp Bauer wurde 1775 geboren und trat vergleichsweise spät, im 24. Lebensjahr, als Fahnenjunker in die Armee des Landgrafen von Hessen-Kassel (später Kurfürst Wilhelm I.) ein. 1801 zum Fähnrich, 1805 zum Sekondelieutenant im Regiment "Erbprinz" (später v. Wurmb) ernannt, war er im Jahr 1806 Brigade-Adjutant bei General v. Wurmb. Als man am Standort des Regiments in Eschwege von der vertragsbrüchigen Annektierung des – eigentlich neutralen – Kurhessens durch die Franzosen unter Marschall Mortier erfuhr, wurde Bauer von seinen Offizierskameraden nach Kassel entsandt, um bei General v. Wurmb um Verhaltensbefehle zu bitten. Dieser antwortete, dass der Kurfürst nichts mehr für seine Offiziere tun könne und riet zum Übertritt in französische Dienste. Da Bauer kein Vermögen oder anderweitige Verdienstmöglichkeiten besaß, folgte er diesem Ratschlag und trat als Adjutant-Major in das in Frankreich aus ehemaligen hessischen Soldaten neu gebildete 2. Regiment Hesse-Cassel ein. Dieses Regiment wurde eine der Keimzellen für die ab 1808 aufgestellte westfälische Armee. Bauer trat in diesem Jahr in das 4. Linieninfanterieregiment über, welches als Teil einer westfälischen Division Anfang 1809 nach Spanien ging. Dort nahm Bauer an der verlustreichen Belagerung der katalanischen Festung Gerona teil, erkrankte mehrfach am Spanischen Fieber, und reiste Ende 1810 vom Lazarett in Perpignan nach Kassel zurück. Interessant an dieser spanischen Episode ist, wie sich Bauer in seinen Briefen nach Hause sehr engagiert für die französische Sache zeigt und z. B. den Dörnberg´schen Aufstand des Jahres 1809 verurteilt. Aufgrund seiner in Spanien bewiesenen Tüchtigkeit wurde Bauer im Februar 1811 zum Oberstlieutenant (d.i. Bataillonskommandeur) im 1. Linieninfanterieregiment ernannt. Das Regiment wurde kurz darauf nach Danzig in Marsch gesetzt, um dort Garnisonsdienst zu versehen. Im Juni 1812 kam Bauers Regiment zunächst als Besatzung in das Fort Neutief (gegenüber Pillau, bei Königsberg). Bei einer Besichtigung des Regiments durch Napoleon in Königsberg, die sehr zur Zufriedenheit des Kaisers ausfiel, bat das Offizierskorps um Versetzung des Regiments zur Großen Armee, um den bevorstehenden Feldzug gegen Russland nicht zu verpassen! Dieser Wunsch wurde erfüllt und das 1. Regiment der 7. Division (Grandjean) im X. Armeekorps unter Marschall Macdonald zugeteilt. Das X. Armeekorps, bestehend aus Polen, Westfalen und Bayern (in der Div. Grandjean) sowie dem preußischen Hilfskorps (27. Division unter Grawert, später Yorck) bildete den linken Flügel der Großen Armee und war zur Einnahme von Riga bestimmt. Die Hauptlast der Kämpfe vor Riga trugen die Preußen, so dass die Div. Grandjean vergleichsweise wenig ins Feuer kam. Man erfuhr im X. Armeekorps so wenig von den Vorgängen bei der Großen Armee, dass Macdonald immer noch seine Truppen vor Riga stehen ließ, als die Russen Mitte Dezember bereits seine Rückzugslinie über Tilsit bedrohten. Nunmehr wurde schleunigst der Rückzug angetreten. Die Vorgänge, die beim als Arrieregarde marschierenden preußischen Hilfskorps zum Abschluss der Konvention von Tauroggen durch Yorck führten, sind bekannt und sollen hier nicht wiederholt werden. Der Div. Grandjean (mit dem 1. westfälischen Regiment) gelang es, sich nach Danzig durchzuschlagen. Ab 21. Januar 1813 wurde Danzig von den Russen eingeschlossen und belagert. Während des Waffenstillstands brachte ein Kurier Napoleons u.a. Auszeichnungen für die Besatzung der Festung mit. Bauer erhielt für seine Tapferkeit das Ritterkreuz der Ehrenlegion. Eine Episode der Belagerung, wie sie Bauer in Briefen erzählte [5], soll hier folgen.

"Noch nie war ich größerer Gefahr ausgesetzt, als am 2. d. M. (September 1813. TH); ich habe immer so wenig Zutrauen zu mir gehabt und doch kann es nicht leicht einen Menschen geben, der einer so großen Gefahr glücklich entgangen ist. Dieser Tag war der wichtigste und trotz allem gehabten Unglück auch der glücklichste meines Lebens. Ich will versuchen, es Dir, lieber Bruder, ausführlich zu erzählen. Ich ging an diesem Tage, Nachmittags 4 Uhr, ganz gegen meine Gewohnheit zu Fuß nach Langfuhr (Dorf, etwa 4 km nordnordwestlich von Danzig. TH), um meine Leute zu besuchen. Kaum bin ich mit den mich begleitenden Lieutenants v. Tettenborn und Dalwigk an den äußersten Posten angelangt, als wir eine Colonne Cavallerie im Trabe, 100 Schritt vor uns vorbeireiten sehen; da mir dies auffallend war, so sagte ich zu meinen Begleitern, daß ich einen Angriff befürchte und daß wir deshalb zurückkehren wollten. Kaum hatte ich das gesagt, so sahen wir auch schon die Russen mit einem entsetzlichen Hurrageschrey von allen Seiten dem Dorfe entgegenlaufen. Du kannst Dir meinen Schrecken denken, zum Vergnügen hierhergegangen zu sein und nun blessiert oder doch gewiß gefangen zu werden. Wir liefen, was wir konnten, und dabei passierte es mir, daß ich ein Paar Stiefel anhatte, bei denen mir die Sporen stets unter die Absätze kamen und mich dadurch am Laufen hinderten. Ich kam fast gleichzeitig mit den Russen im Anfang des Dorfes an, wo die beiden von uns und den Bayern besetzten Blockhäuser standen, und hatte nur noch etwa 300 Schritte zu laufen, um zu unserer Reserve zu gelangen; da ich aber nicht mehr die Kraft dazu hatte, würde ich rettungslos der Russischen Cavallerie, welche zwischen dem Dorfe und der Reserve stand, in die Hände gefallen sein. Ich beschloß deshalb, mich mit der Besatzung des Dorfes in ein Blockhaus zu werfen. Lieutenant v. Dalwigk setzte sich zu dem Adjutantmajor Stoelting aufs Pferd, Beide wurden zwar abgeworfen, konnten sich aber durch Laufen noch retten, während Lieutenant v. Tettenborn sich in das mir gegenüberliegende Blockhaus warf. So wäre ich denn vorerst glücklich gerettet gewesen, aber kaum hatten wir die Mannschaft aus dem Dorfe in die Blockhäuser aufgenommen, als auch schon die Russen von allen Seiten gegen dieselben anstürmten. – Ich muß Dir nun erst einmal die beiden Blockhäuser beschreiben; das eine mir gegenüber ist ein massiv gebautes Langhaus, welches frei am Wege liegt, das andere ein ordinäres Wohnhaus, auf beiden Seiten von Häusern umgeben; an beiden Häusern sind die Fenster mit Bohlen vernagelt und Schießscharten eingeschnitten, auch beide mit Palisaden umgeben. Blockhäuser kann man sie eigentlich nicht nennen, da jede Kugel durch die Bohlen geht, sie konnten sich aber wohl eine Zeit lang halten, bis Hilfe aus der Festung kam, und dahin war auch die Instruction gegeben. In meinem Hause waren ein Bayerischer Capitän und Lieutenant und etwa 70 Bayern und Westfalen. Kaum hatten wir die Thüren zugemacht, so waren auch schon mehrere Hundert Russen da und versuchten die Palisaden zu ersteigen, aber alle, die es thaten, blieben todt dabei liegen, sie ließen sich aber nicht abschrecken, immer kamen neue, denen es ebenso erging. Meinen Leuten waren durch das fortwährende schnelle Schießen die Läufe an den Gewehren so heiß geworden, daß sie dieselben erst mußten abkühlen lassen. Schon lagen Hunderte von Russen um und zwischen den beiden Häusern, als unsere Reserve, die Neapolitaner, uns zu Hilfe kam; jetzt machten wir mit ihnen einen Ausfall und trieben die Russen eine Strecke weit durch das Dorf, mußten aber wieder in das Blockhaus zurück, da sie bedeutende Verstärkungen erhalten hatten und uns abzuschneiden suchten. Ein Theil der Neapolitaner konnte sich mit einigen unserer Leute noch zurückziehen, eine Anzahl derselben wurde gefangen, und einige derselben nahm ich in mein Blockhaus auf, dabei waren der Capitän der Bayern und Lieutenant Müller von unserem Regiment todt geblieben.

Da die Russen sahen, daß sie auf diese Art unsere Häuser nicht bekommen konnten, so steckten sie die benachbarten Häuser in Brand, um uns in den unserigen zu verbrennen. Wie ich nachher hörte, hatte Lieutenant von Dalwigk, brav wie immer, sich an die Spitze der Neapolitaner gesetzt, um uns zu befreien, war aber, nachdem ihm durch einen Schuß der rechte Oberarm zerschmettert worden, genöthigt, zurückzugehen. Die Neapolitaner, welche nicht gesehen, daß wir in das Blockhaus zurückgegangen waren, hatten dem Gouverneur gemeldet, die Russen hätten, nachdem sie uns theils niedergemacht, theils gefangengenommen, die Blockhäuser besetzt. Eine Folge davon war, daß jetzt auch unsere Artillerie die Häuser beschoß. Da die Nachbarhäuser in vollen Flammen waren, wurde unsere Lage immer fürchterlicher, man konnte keine Sekunde lang die Hand an die Wände unseres Hauses legen, so heiß waren sie schon geworden. Einige unserer Leute hatte ich auf dem Boden vertheilt, um die in Brand geratenen Bohlen herabzureißen und unseren Vorrat an Patronen auf den Gang zu setzen, da sie sich jeden Augenblick entzünden konnten.

Das Schießen dauerte die ganze Nacht hindurch, auch kamen mehrfach Russen mit Fackeln, um unser Haus in Brand zu stecken, wurden aber immer von unseren Leuten todt niedergestreckt. Wir erwarteten noch immer Hülfe aus der Stadt, da wir nicht ahnten, daß man uns schon völlig verloren gegeben hatte, es wäre uns sonst nicht schwer gewesen, mit einigem Verlust die 400 Schritt von uns stehende Reserve zu erreichen. Ich hatte nur drei Blessirte im Hause, um so mehr lagen verwundete Russen um die Häuser herum, denen Niemand helfen konnte und die in der Nacht ein erbärmliches Geschrei erhoben.

So verging die fürchterliche Nacht in der steten Furcht, verbrannt zu werden, und in der immer vergeblichen Hoffnung, Hülfe zu erhalten; dabei klebte uns die Zunge an dem Gaumen, da wir keinen Tropfen Wasser oder Branntwein vorräthig hatten. Als es morgen wurde, kam der schrecklichste Augenblick meines Lebens, in welchem ich meine arme Seele unserm Herrgott empfahl und ein heißes Stoßgebet zum Himmel schickte. Wir sahen nämlich hinter unseren Häusern die Russische Cavallerie und mehrere Colonnen Infanterie sich aufstellen, um den Tanz von Neuem zu beginnen.

In dem anderen Blockhaus ging es ebenso, wie bei uns, nur war man in dem massiven Haus nicht in solcher Gefahr, verbrannt zu werden, wie in unserem. – Zuerst wurde das jenseitige Haus von der Russischen Artillerie beschossen, und sahen wir mehrere Kugeln in dasselbe einschlagen, welche gewiß viele verwundeten, dann wurden aber auch Granaten hineingeworfen, die alsbald zündeten. Die Offiziere in diesem Hause, die Lieutenants Otto und v. Tettenborn schickten nun an die in der Nähe stehenden Preußen einen Hornisten und erklärten sich bereit zu capitulieren, was ihnen schon früher angeboten, aber von ihnen immer abgelehnt worden war. Die Capitulation wurde angenommen und die Offiziere, Chirurgus Stoepler und die Mannschaft kriegsgefangen erklärt. Kaum waren sie aber aus dem Hause getreten, als die Russen ein Pelotonfeuer auf sie gaben, welches mehrere niederstreckte, nur acht von der Mannschaft retteten sich, wie wir sahen, durch die Flucht, die anderen wurden gefangen. – Jetzt wurde das Feuer auch auf unser Haus gerichtet, das wir aber, da wir nicht wußten, daß man uns aufgegeben hatte, nicht verlassen wollten. Es gehörte aber, ohne mir ein Compliment machen zu wollen, wahrlich meine Gegenwart dazu, die Leute noch an die Schießscharten zu stellen, nachdem sie die im anderen Hause sich hatten retten sehen und in ganz kurzer Zeit sieben Kanonenkugeln durch das Haus flogen. Du kannst Dir denken, welches Unheil sie anrichteten; einem Soldaten war die Schulter, einem die Beine, und einem der Kopf weggerissen. Nun wurden auch Granaten in das Haus geworfen, ich war in der obersten Etage und hatte das Vergnügen, ihre Bekanntschaft in solcher Nähe zu machen, wie ich es mir nicht wieder wünsche. Die erste platzte in der Nebenstube und zündete auch sogleich, ich wollte schnell dahingehen, um womöglich das Feuer noch zu löschen, da fiel die zweite neben mir auf den Gang, riß einem Voltigeur-Sergeanten die Brust entzwei, daß Lunge und Leber daneben lagen, und zündete auch sogleich. Jetzt dachte ich, mein letztes Stündlein sei gekommen. Alles hatte sich die Treppe hinunter in die unteren Stuben gerettet, nur ein Neapolitaner war oben noch bei mir. Als dieser hinter mir her durch das Feuer die Treppe hinuntereilen will, schlägt die dritte Granate auf dem Gang ein, ewig werde ich sie die drei Schritte vor mir brennen sehen, ich habe kaum die Treppe erreicht, so crepirt sie und schmeißt ein Stück dem Neapolitaner, welcher unmittelbar hinter mir war, in den Rücken, und stürze ich nun mit diesem halbtodten Menschen die Treppe hinunter. Jetzt war keine Rettung mehr möglich, ich raffe mich auf, dränge mich unten durch den Klumpen Menschen und sagte ihnen, sie sollen ins Freie treten, sich aber wegen der Cavallerie, die schon auf uns wartete, zusammenhalten, dann öffne ich die Thüre, als das obere Haus schon in lichten Flammen steht. Da die Thür so schmal ist, daß nur zwei zugleich heraus können, so kannst Du Dir das Gedränge denken, da Jeder, um nicht zu verbrannt zu werden, der Erste sein wollte. Vor der Thüre warte ich, bis ich etwa 20 Mann zusammen hatte, und laufe auf gut Glück nach unserer Reserve, die 500 Schritt von uns entfernt stand, meine Beine waren aber so schwach, als ob ich Blei darin hätte. Als ich das Haus kaum 20 Schritte im Rücken hatte, wurde ich von den herumstehenden Russen entdeckt, und alsbald macht Infanterie und Cavallerie Jagd auf uns, ich hatte, um meine großen Epauletten zu verbergen, einen Soldatenmantel umgehängt. Ich laufe mit meinen Leuten, unter Hurrahgeschrei, auf unsere Schanzen zu, werde aber von dort mit einem Flintenfeuer empfangen, da man uns für Russen hielt, welche die Schanzen stürmen wollten. Die Russischen Dragoner waren dicht hinter uns, hielten sich aber zu unserem Glück mehr an diejenigen, welche einzeln hinter uns herkamen. Trotzdem wir von allen Seiten beschossen wurden, kam ich doch mit 40 Mann, ohne blessirt zu sein, bei unseren Leuten an.

Eine höhere Macht hatte mich beschützt, 35 Mann hatte ich verloren, theils solche, welche im Blockhause blessirt waren und wahrscheinlich verbrannten, theils solche, welche während des Laufens von unseren oder feindlichen Kugeln getödtet oder verwundet und gefangen wurden. Wie freuten sich aber Alle, als sie mich gerettet sahen, Offiziere von allen Truppentheilen fielen mir um den Hals und bewiesen mir dadurch ihre Achtung, aber nichts machte mir mehr Vergnügen, als meine Offiziere und Soldaten; dieses Gefühl und diese Freude läßt sich nicht beschreiben, jeder Soldat gab mir die Hand, der eine bot mir Brot, der andere Schnaps an, ich wurde von ihnen mehr getragen, als geführt, eine größere Belohnung konnte mir nicht zu Theil werden."

Die Belagerung dauerte fast das ganze Jahr hindurch, bis der Gouverneur von Danzig, General Rapp, am 25. November 1813 mit den Russen eine ehrenvolle Kapitulation zum 1. Januar 1814 abschloss. Diese wurde allerdings vom russischen Kaiser nicht ratifiziert und die französische Besatzung musste unehrenhaft in Kriegsgefangenschaft ziehen, hingegen durften die deutschen und polnischen Offiziere und Soldaten in ihre Heimatorte zurückkehren (Deutschland war ja inzwischen bis zum Rhein von der napoleonischen Herrschaft befreit, König Jérôme geflohen). Bauer traf am 26. Januar 1814 wieder in Kassel ein, erhielt hier jedoch nicht die gewünschte Anstellung als kurfürstlich-hessischer Major, sondern nur als Kapitän im Regiment "Landgraf Carl" (der zurückgekehrte Kurfürst weigerte sich meist, im westfälischen Dienst erworbene Ränge anzuerkennen). Unter der Hand erhielt Bauer allerdings vom Kurprinzen die Versicherung, dass er in kürzester Zeit zum Major ernannt werden würde, was auch nach acht Tagen geschah. Mit diesem Regiment nahm Bauer im Feldzug von 1814 noch an der Belagerung von Luxemburg teil. 1815 kam vom Regiment nur ein Detachment von 300 Mann unter der Führung Bauers ins Feld, wiederum nach Luxemburg. Nach den Befreiungskriegen war Bauer lange Jahre Bataillonskommandeur und Oberstleutnant, bevor er 1830 zum Oberst befördert und Kommandeur des 1. Linien-Infanterie-Regiments wurde. 1834 wurde er zum Generalmajor und Brigadekommandeur, 1847 zum Generalleutnant und Divisionskommandeur ernannt. 1848 marschierte er, inzwischen 73 Jahre alt, mit seiner Division zur Unterdrückung der revolutionären Bewegung nach Baden. Im folgenden Jahr, 1849, wurde Bauer nach Schleswig in Marsch gesetzt, um dort die Reserve-Division der kleineren deutschen Staaten im Sundewitt zu übernehmen. Aufgrund des 1850 in Kurhessen ausgebrochenen Verfassungskampfes ernannte der Kurfürst Bauer zum Oberbefehlshaber. Die vielfältigen Reibereien und nervlichen Belastungen führten zu einem erneuten Ausbruch des Spanischen Fiebers, dem Bauer 1851 erlag.

Friedrich Baumann: Eram. Skizzen aus den Jugendjahren eines Veteranen

Die genauen Lebensdaten von Friedrich Baumann konnte ich nicht ermitteln. Seine Erinnerungen wurden anonym 1847 von keinem Geringeren als Ludwig Rellstab erstmals veröffentlicht [6], mit dem Hinweis, dass der Verfasser preußischer Offizier war. Julius Hahn gab einen Teil dieser Memoiren 1910 neu heraus [7] und lüftete das Geheimnis der Identität des Verfassers.

Baumann wurde vermutlich vor 1790 geboren und trat etwa 1804/05 als Junker in das kurfürstlich-hessische Dragonerregiment "Landgraf Friedrich", Garnison Fritzlar, ein. Dort erlebte er den typischen Gamaschendienst jener Zeit, ganz nach dem preußischen Muster. Die ruhigen Jahre waren aber bald vorbei, 1805 marschierte der französische Marschall Bernadotte von Hannover durch Hessen zum süddeutschen Kriegstheater. Dies war das Donnergrollen vor dem großen Gewitter: 1806, nach Ausbruch des französisch-preußischen Krieges, besetzte Marschall Mortier in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in verräterischer Weise das neutrale Kurfürstentum (vergleiche auch die Ausführungen über den Kurfürsten Wilhelm I. weiter unten). Die kleine, aber gut ausgerüstete und geübte kurhessische Armee wurde entwaffnet und aufgelöst. Lassen wir Baumann die dramatischen Tage selbst schildern:

"Wir hatten in unseren Quartieren in Ober-Zweren (bei Kassel. TH) natürlich nicht die geringste Ahnung von diesen Vorgängen, aber wir waren, da Gerüchte verschiedener Art schon immer einander kreuzten, in steter Erwartung außerordentlicher Ereignisse. Seit mehreren Tagen und Nächten war nicht abgesattelt worden, wir standen, saßen und schliefen mit umgeschnallten Pallaschen, geladenen Pistolen und Karabinern. Am frühen Morgen des ersten Novembers, als am Allerheiligentage, wurde plötzlich das Regiment gesammelt, und zu unserem größten Schrecken und ohne, daß uns etwas Näheres über die statt gefundenen Ereignisse mitgeteilt wäre, anstatt vorwärts, zu unserer alten Garnison nach Fritzlar zurückgeführt. Der Marsch geschah nicht, wie sonst, in musterhafter Ordnung, alles ging in ungeordneter Eile und als wir in Fritzlar ankamen, wurden, zu unserer Befremdung, die Standarten nicht wie gewöhnlich beim General, sondern ins Zeughaus abgebracht. Diesem Befehl folgte der, sämmtliche Waffen abzuliefern, – es traf uns wie ein Donnerschlag! – Was ich damals empfand, kann ich nicht beschreiben; ich überlasse es dem Gefühl meiner Cameraden, sich in jene Zeit und in unsere Lage zurückzudenken, und sich die Szene auszumalen, die nach solch einem Befehl nothwendig bei einem Truppentheil Statt finden mußte, welcher in angestammter Treue seinem Herrscherstamm unter allen Verhältnissen im In- und Auslande unwandelbar ergeben, den letzten Blutstropfen für denselben hingegeben haben würde. Und nun sollten sie und ich mit ihnen ohne Kampf und Schwerdtschlag die theuren Waffen abliefern, die sie so lange tapfer geführt, und durch welche ich mir eine ehrenvolle Laufbahn erringen, oder mit ihnen in der Hand für Ehre und Ruhm zu sterben bereit war! – Verwünschungen gegen ein solches Schicksal, gegen die fürchterliche Schande, hörte man von allen Seiten; Ausbrüche ohnmächtiger Wuth wechselten mit denen wahrhafter Verzweiflung und erpreßten den Augen der alten bärtigen Krieger heiße Thränen! – Aber alles dies änderte unser Schicksal nicht; wir Offiziere zogen uns schweren Herzens zurück, um in einsamer Stille unsere traurige, aussichtslose Zukunft zu überdenken, aber die Dragoner blieben auf dem Platze, und machten erst jetzt ihrer bis dahin noch verhaltenen Wuth Luft. Im höchsten Grade ergrimmt, zerschlugen sie, da ihnen nicht länger die Aussicht auf ehrenvolle Führung derselben blieb, ihre geliebten Waffen in tausend Stücke; von den Karabinern wurden die Kolben abgebrochen, eben so von den Pistolen, die Säbelklingen zerbrochen und dann erst begaben sie sich einzeln oder in kleinen Trupps niedergeschlagen in ihre Heimath. Ungefähr zwei Drittheil derselben nahmen, wenn sie nur irgend die Mittel zur Unterhaltung ihres Pferds hatten, dasselbe mit sich, die übrigen Rosse blieben stehen; – es war ein Wirrwarr, eine Szene ohne Gleichen!"

Baumann kehrte in seine Heimatstadt Wesel zurück, wo er bald darauf mit einem Freund verabredete, sich zur preußischen Armee durchzuschlagen. Diese Pläne wurden von der französischen Polizei entdeckt und Baumann nach Luxemburg in Haft geschickt. Aus dieser wurde er zum Jahreswechsel 1807/08 entlassen. Als mittelloser Offizier sah er keinen anderen Ausweg, als im Januar 1808 in die eben in der Aufstellung begriffene westfälische Armee, und zwar in das Garde-Chevaulegers-Regiment, einzutreten (allerdings führt ihn Lünsmann in den Ranglisten nicht auf). Als Chevaulegers-Offizier musste Baumann mehrfach König Jérôme auf dessen Reisen begleiten. 1809 nahm er an der Niederschlagung des Dörnberg´schen Aufstands sowie am Feldzug gegen die Österreicher teil, wo er bei Waldheim einen Hieb in den Kopf bekam, der allerdings von Helm und Schuppenkette aufgefangen wurde und lediglich einen bedeutenden Blutverlust herbeiführte.

Im März 1812 zum Rittmeister befördert, zog Baumann im Verband des VIII. (westfälischen) Armeekorps in den Rußlandfeldzug. Spannend liest sich seine Schilderung eines von ihm durchgeführten Fourage-Kommandos zwischen den Schlachten von Smolensk / Valutina Gora und Borodino. Aufgrund des Nahrungs- und Futtermangels entlang der großen Heerstraße nach Osten war die vorrückende Große Armee gezwungen, teilweise tagelange Streifpartien nach Norden und Süden zu entsenden, um Vorräte zu requirieren. Traf ein solches Fouragekommando auf ein russisches Dorf oder Herrschaftssitz, flohen deren Bewohner meist unter Mitnahme allen beweglichen Gutes in die Wälder, versuchten aber – oft unter Mitwirkung von Kosaken und Linienkavallerie – den Fouragierenden nach Kräften zu schaden. Dies erlebte auch Bauer, der nach stundenlangen Gefechten mit den Russen allerdings so glücklich war, mit seinem Kommando sein Korps wieder zu erreichen und einige Lebensmittel mitzubringen. Nach der Schlacht von Borodino rückte Baumann mit in Moskau ein (der Großteil des VIII. Armeekorps war auf der Etappenstraße zurückgeblieben), wo er den Brand der Stadt erlebte. Beim Rückzug brachte er von zwei Wagen, die sich in seinem Besitz befanden, immerhin einen noch über die Beresina. Nachdem Baumann sich bei Kowno über den Njemen gerettet hatte, wurde er zu guter Letzt auf polnischem Gebiet, kurz vor der preußischen Grenze, doch noch von Kosaken gefangen. Auf dem Transport zurück nach Osten konnte sich Baumann zusammen mit einem Kameraden bei einem Gutsbesitzer verstecken und so überleben. Baumann schildert noch kurz, dass es ihm schließlich gelang, bei der preußischen Armee angestellt zu werden, wo er im Laufe seiner Karriere noch bis zum Stabsoffizier aufstieg. Seine Erinnerungen diktierte er wahrscheinlich Anfang der 1840er Jahre, während einer drei Jahre dauernden Erblindung, von der er glücklicherweise geheilt wurde und mit Hilfe des wieder gewonnenen Augenlichts noch eigenhändig die Niederschrift ordnen konnte.

Freiherr v. Bodenhausen: Tagebuch eines Ordonnanzoffiziers von 1812 - 1813

Carl Bodo v. Bodenhausen, geb. 1785 und aus guter Familie, wurde nach Jurastudium in Göttingen im Frühjahr 1806 in der Justizkanzlei zu Hannover als Auditor angestellt. Ende 1807 erhielt er, nunmehr westfälischer Untertan, in Kassel – ohne sich hierfür beworben zu haben – das Patent als Kammerherr der Königin von Westfalen Katharina (Tochter des Königs von Württemberg). 1811/12 wurde Bodenhausen in gleicher Stellung für den Dienst des Königs bestimmt. Jérôme bot ihm am Neujahrstag 1812 an, ihn bei dem wahrscheinlich ausbrechenden Krieg gegen Russland als Kammerherr und Ordonnanzoffizier zu begleiten. Da Bodenhausen diesen Vorschlag annahm, erhielt er ein weiteres Patent als "capitaine et officier d´ordonnance" sowie die Weisung, sich im Kriegsbüro mit Militärgegenständen zu beschäftigen. Er ging dann mit dem König nach Warschau, von wo er am 16. Juni mit Depeschen zu Napoleon nach Gumbinnen / Ostpr. geschickt wurde. Von dort kehrte er am 22. Juni zu Jérôme nach Ostrolenka (vor Grodno) zurück. Nach einer erneuten Sendung zum Kaiser, der inzwischen bis Wilna vorgegangen war, wurde Bodenhausen mit Briefen Napoleons (die übrigens scharfe Verweise für Jérôme enthielten) zum König zurückgeschickt; letzterer war schon bis vor Nieswicz vorgedrungen (6. Juli). Kurz nach Bodenhausen traf ein Adjutant des Kaisers ein, der Jérôme ankündigte, dass er unter den Befehl des Marschalls Davout gestellt sei. Daraufhin entschloss sich Jérôme, die Armee zu verlassen und nach Kassel zurückzukehren. Bodenhausen erhielt Depeschen an den westfälischen Gesandten in Berlin und die Weisung, anschließend ebenfalls nach Kassel zu gehen. Dort erhielt er am 27. September den Befehl, wieder zur Armee nach Russland zu reisen. In seinen Erinnerungen [8] schreibt er, "meine Missionen waren:

  1. das Hauptquartier der westphälischen Armee aufzusuchen und dorthin Geld, Ernennungen und Decorationen zu bringen, über den Stand der Armee die persönlichen Rapporte der Generale zu fordern und diese mit dem nächsten Armeecourier einzuschicken;
  2. mich in das Hauptquartier von Napoleon zu begeben und diesem die Glückwünsche zu der gewonnenen Schlacht an der Moskwa (Borodino. TH) zu überbringen, mündlich und schriftlich;
  3. Napoleon um die Erlaubnis zu bitten in seinem Hauptquartier verbleiben zu dürfen, um bis zu meiner definitiven Abfertigung die Verbindungen sowohl mit der westphälischen Armee als mit Cassel zu unterhalten;
  4. an westphälische blessierte Offiziere Geldunterstützungen zu geben;
  5. für die Königin zu Moskau Schawls und sonstige indische Gegenstände einzukaufen."

Bodenhausen traf im kaiserlichen Hauptquartier am 24. Oktober gegen 10:00 Uhr ein, also am Tag nach der Schlacht von Malo Jaroslawetz. Napoleon war am Morgen des 24. mit knapper Not einer Gefangennahme durch die Kosaken entgangen und fasste kurz darauf den verhängnisvollen Entschluss, sich auf der Vormarschstraße (nördlich, über Borodino) zurückzuziehen, was schließlich zum totalen Untergang der Großen Armee führte. Bodenhausen blieb seinem Auftrag gemäß im kaiserlichen Hauptquartier und wurde so Augenzeuge des Rückzugs. Da er jedoch in seiner Stellung nichts bewirken konnte, entschloss er sich nach dem schreckensvollen Übergang über die Beresina, der Armee voraus zu gehen und sich so aus dem allgemeinen Chaos zu retten. Hierzu verabredete er sich Anfang Dezember mit dem Kriegskommissar Bruyere, einem energischen jungen Franzosen. Bodenhausen schildert diese Szene wie folgt: "Wir beriethen uns den ganzen folgenden Tag und kamen überein uns möglichst einen Pohlen zu verschaffen, welcher seiner Landessprache wegen uns sehr von Nutzen sein konnte. Bruyere war so glücklich, einen pohlnischen Lancier zu finden, der aus Littauen gebürtig war. Er versprach uns zu führen. Ich versprach ihm 10 Napoleons (französische Goldmünzen. TH) Belohnung, wenn er uns glücklich durch die vor uns stehenden Russen führte und dagegen einen Pistolenschuß, wenn er uns verriethe.

Am 3. December abends 8 Uhr versammelten wir uns bei Hammerstein (westfälischer General, Vetter Bodenhausens. TH), welcher zum Abschied sein Souper, saure Rüben mit Schweinefleisch, mit uns teilte, nahmen von unseren Freunden Abschied, die unser Unternehmen für tollkühn erklärten, und verließen die Armee um 10-11 Uhr nachts. Wir waren 4 Personen, Bruyere und ich, mein Diener Riegers und der Pohle.

Etwa zwey Stunden weit gingen wir noch auf der Chaussee zwischen den Bivouacs der Armee, dann hörten diese auf und auf einige Entfernung weiter hin fingen bereits die russischen Bivouacs an. Unser Pohle riet jetzt die Straße zu verlassen, um quer über die Felder und durch Gehölze dahin zu gehen, wo keine Feuer waren. Wir thaten es und marschierten etwa eine Stunde ohne Hindernisse. Mit einem Male erschien eine russische Patrouille, wir warfen uns zur Erde hinter Büsche nieder und ließen sie pfeifend passiren. Kaum einhundert Schritte weiter stießen wir auf einen russischen Posten, der kein Feuer angezündet hatte. Wir suchten ihn zu umgehen. Der Posten von drey Mann kam auf uns zu, da wir aber ohne Waffen in Mützen, Pelzen und Mäntel eingehüllt sehr langsam gingen, so hielt man uns sehr wahrscheinlich für Landleute und ließ uns auf 20-30 Schritt passiren. Dies war das letzte Ereignis, dem wir begegneten. Wir erreichten gerade eine kleine Anhöhe, sahen in der ziemlich finsteren Nacht um uns – und hatten alle russischen Feuer hinter uns.

Nach etwa einer halben Stunde Zeit kamen wir zu einzelnen Bauernhütten, unser Pohle klopfte an ein schwach erleuchtetes Fenster und erkundigte sich nach der Direction des Weges nach Smorgoni, dem nächst großen Ziel unseres Strebens (derselbe Ort, an dem Napoleon am nächsten Tag die Armee verließ. TH). Als wir diese Straße erreicht hatten, marschierten wir noch einige Stunden bis zum Tagwerden. Um 8 Uhr morgens am 4. Dezember kamen wir auf eine Anhöhe, blickten herab und Smorgoni lag in glänzendem Sonnenschein vor uns. Wir erreichten es gegen 9 Uhr und kehrten in einem Judenwirthshause ein. Ein warmes Zimmer und einige Reinlichkeit empfing uns. Der Krieg hatte hier seine verheerende Fackel noch nicht geschwungen und niemand hatte eine Ahnung von der alles verwüstenden Armee. Wir reinigten uns, so gut wir konnten, zum ersten Mal seit langer Zeit und frühstückten mit großem Wohlgefallen Caffee und frisches Weißbrod – ein Genuß, der uns seit langem nicht geboten war. Ein unbeschreibliches Wohlbehagen erfreute uns alle, wir sahen uns gerettet aus großem Elend und Gefahr.

Nach einigen Stunden Ruhe begaben wir uns zur Post, um einen Schlitten und Pferde auf der Straße nach Wilna zu haben. Man verweigerte es uns in Folge eines Befehls des Commandanten, nur an Couriere Pferde zu geben. Ich fragte nach dem Namen des Commandanten, es war der General d´Albignac, vormals Oberstallmeister zu Cassel. Ich begab mich zu ihm. Er empfing mich sehr gut, aber sehr erstaunt über alles, was er hörte. Nur ein französischer Courier hatte seit der Beresinaschlacht (also seit dem 27. November – regulär reisten die Kuriere im Abstand von 24 Stunden. TH) Smorgoni passiert und sich wenig ausgesprochen. D´Albignac entschloß sich der Armee mit einem Theil seiner schwachen Garnison entgegenzugehen und ihr Luft zu machen. Er hatte die Güte mir einen Befehl an die Posten für Gestellung von Courierpferden zu geben. Damit versehen reiste ich wirklich im Schlitten mit vier Pferden um zwey Uhr nachmittags von Smorgoni nach Wilna ab. Mein Pohle bat mich, ihn bis dahin mitzunehmen, aus Dankbarkeit geschah es, und erst am folgenden Tag zu Wilna ist er reich beschenkt entlassen."

Bodenhausen war – dank seiner Entschlossenheit und guter Beziehungen – dem allgemeinen Untergang entkommen. Er reiste mit der Post über Warschau und Berlin bis Kassel, wo er am 4. Januar 1813 glücklich ankam. Dort wurde er von Jérôme noch zum Oberstleutnant ernannt und erhielt 3000 Francs, um sich neu equipieren zu können. Bereits im März bat Bodenhausen jedoch um seine Entlassung als Ordonnanzoffizier, da er "in die politische Zukunft der Dinge kein großes Zutrauen hatte" und erhielt sie. Er blieb aber noch Kammerherr und erlebte in der Umgebung der Königin die turbulenten Tage der ersten Eroberung Kassels durch die Russen unter General Tschernischeff, Ende September 1813. Nach der Völkerschlacht, in deren Gefolge das Königreich Westfalen unterging, strebte Bodenhausen wieder in hannoversche Dienste. Zunächst abgewiesen, da er "die Waffen gegen das Vaterland getragen habe", bot er dem gerade in Hannover weilenden schwedischen Kronprinzen (dem ehemaligen französischen Marschall Bernadotte) seine Dienste an und wurde von diesem als schwedischer Ordonnanzoffizier angestellt. In dieser Funktion übernahm er im Auftrage des Kronprinzen im Winter 1813/14 mehrere Missionen, für die er mit dem Ritterkreuz des schwedischen Schwertordens ausgezeichnet wurde. Nach beendigtem Krieg, im April 1814, erbat er seine Entlassung und erhielt sie am 30. d. M. Bodenhausen nahm nun seine Bemühungen wieder auf, in Hannover angestellt zu werden, was ihm nach mancherlei Schwierigkeiten Ende des Jahres 1814 auch gelang. Er wurde Graf Münster, der die hannoversche Delegation beim Wiener Kongress leitete, als Mitarbeiter beigegeben und bewährte sich in der diplomatischen Laufbahn, so dass er am 20. Juni 1815 in London sein Patent als Legationsrat erhielt. Am nächsten Tag traf in London die Nachricht von der gewonnenen Schlacht von Waterloo ein. Bodenhausen musste sogleich über Brüssel und Straßburg wieder nach Paris reisen, wo er an den Verhandlungen über den zweiten Pariser Frieden teilnahm sowie nebenbei auch noch die Interessen des Kurfürsten von Hessen vertrat. Bis 1818 blieb Bodenhausen als königlich hannoverscher Kommissar im Hauptquartier Wellingtons in Frankreich, siehe Abbildung 1.

Abbildung 1: Carl Bodo v. Bodenhausen im hannoverschen Dienst

Nach vorübergehender Inaktivität, da in Hannover kein passender Posten für ihn frei war, wurde Bodenhausen erst 1821 wieder reaktiviert. Diesmal kam er als Kriegsrat in die Kriegskanzlei zu Hannover, wo er bis 1830 blieb. In diesem Jahr wurde er zum hannoverschen Gesandten in Wien ernannt. Dort residierte er bis nach der Revolution von 1848. Das eigenhändige Tagebuch bricht mit dem Jahr 1838 ab. Die Schilderung der turbulenten Revolutionstage, diesmal aus der Feder von Bodenhausens Tochter, bildet den zweiten Schwerpunkt des hier besprochenen Buches, gehört aber nicht mehr zu unserem Thema. Bodenhausen verstarb1854 in Hannover.

Ludwig Boedicker: Die militärische Laufbahn 1788-1815 des Generallieutenant Ludwig Boedicker, zuletzt Stadtkommandant von Kassel

Ludwig Boedicker, geboren 1774, trat 1788 als Fahnenjunker in das landgräflich-hessische Garde-Grenadier-Bataillon ein. 1792 nahm er mit dem hessischen Truppenkorps an den Kämpfen in der Champagne teil, später an der Rückeroberung von Frankfurt a. M. Nach der Einnahme von Kostheim (einem Dorf bei Mainz) im Jahre 1793 wurde ihm die zuerst in einem Infanterie-Regiment frei gewordene Fähnrichsstelle (d.h. der erste Offiziersdienstgrad) versprochen.1794 focht er in den Niederlanden, wo er auf Vorposten sein Patent als Fähnrich im Regiment "Erbprinz" ausgehändigt erhielt. Mit einem kleinen hessischen Detachment wurde er im April 1794 in die Festung Menin gesandt (als einer von drei Offizieren). Hauptsächlich standen dort Hannoveraner; Kommandant der Festung war der hannoversche General v. Hammerstein. Der frisch gebackene Offizier Boedicker führte bei dem berühmten Ausbruch der Besatzung aus dem Belagerungsring (bei dem der Name des Artillerieoffiziers Scharnhorst zuerst öffentlich genannt wurde) die hessische Abteilung. Leider schlug sich Boedicker mit seiner Mannschaft in die ebenfalls belagerte Festung Ypern, in der die Masse der hessischen Truppen stand, und geriet bei der Kapitulation Yperns dann doch noch in französische Gefangenschaft, die zwei Jahre andauerte.

Nach Hessen zurückgekehrt, wurde Boedicker 1798 zum Sekondelieutenant im Jägerbataillon ernannt (damals in Hanau stationiert). Damit war er zu der Waffe übergetreten, bei der er seine Talente am besten verwerten konnte. Den Großteil seiner Laufbahn verbrachte Boedicker als Offizier der leichten Infanterie. Höhepunkt seiner Karriere war die 1824 erfolgte Ernennung zum Inspekteur des hessischen Gardejäger- und sämtlicher Füsilierbataillone, eine Stelle, die erstmals in diesem Jahr geschaffen wurde und bei seiner Beförderung zum Brigadekommandeur wieder einging.

1805 wurde Boedicker als Premierlieutenant zum 1. Füsilierbataillon versetzt. Im Jahr 1806 waren die beiden Füsilierbataillone auf Grenzkommando, bis die hessische Armee im November 1806 aufgelöst wurde. Boedicker kehrte zu seiner Familie nach Ziegenhain zurück und übernahm für den geflohenen Kurfürsten verschiedene Sendungen.

Im Februar 1808 ging ihm vom damaligen westfälischen Kriegsminister General Morio der Befehl zu, sich nach Kassel zum I. leichten Bataillon zu begeben und dort eine Stelle anzutreten. Boedicker befolgte zwar den Befehl, forderte aber gleich darauf wieder seinen Abschied, da er sich bei der Einreihung zurück gesetzt fühlte. Dem Abschiedsgesuch wurde nicht stattgegeben, daher betrieb Boedicker seine Versetzung zum Chasseur-Karabinier-Bataillon. Aber auch dieser Wechsel misslang; dafür wurde er nun zum Kapitän 3. Klasse (der niedrigsten Hauptmanns-Charge) im I. leichten Bataillon befördert. Das leichte Bataillon kam 1809 zur westfälischen Division nach Spanien. Boedicker nahm an den schweren Kämpfen um die Festung Gerona teil, zeichnete sich mehrfach aus und übernahm wegen Krankheit des Bataillonskommandeurs das Kommando des Bataillons. Später führte er sogar interimistisch die Brigade, sogar die – inzwischen freilich arg zusammengeschmolzene – Division, da alle höheren Offiziere ausgefallen waren. 1810 erhielt Boedicker den Befehl, nach Westfalen zurückzukehren, zugleich den Charakter als Oberstlieutenant (der erste Stabsoffiziersdienstgrad, in der Regel von Bataillonskommandeuren geführt). Er schreibt: "Als wir das französische Fort Bellegard auf der Höhe der Pyrenäen erreicht hatten, sah ich noch einmal nach Spanien zurück, und dankte Gott für die Erhaltung meines Lebens und den in Gefahren und Ungemach mir verliehenen Beistand. In Perpignan hielt ich mich einige Tage auf, und nachdem ich mir hier durch gute Menschen das nötige Reisegeld verschafft hatte, fuhr ich mit der Diligence in 18 Tagen bis Mainz, wo meine Barschaft noch aus einem Fünffrankenstück bestand. Von hier setzte ich meine Reise in einem zerrissenem und zerschossenem Überrock und Frack mit meiner spanischen Flinte auf der Schulter zu Fuß weiter fort, und kam nach 2 1/2 Tagen, am 23. September 1810, mit 6 Kreuzern baarem Vermögen gesund und wohl bei meiner Familie in Ziegenhain an" [9] (S. 268).

Im Oktober erhielt Boedicker das Patent als Oberstlieutenant bei dem neu errichteten leichten Bataillon, das u.a. aus den spanischen Kadres errichtet wurde. Das Bataillon erhielt später die Nr. II. Im Februar 1812 marschierte es von Kassel nach Russland ab. Dort machte es den strapaziösen Vormarsch mit, focht bei Walutina Gora und bei Borodino. Hier wurde Boedicker schwer verwundet. Lassen wir ihn wieder selbst berichten, wie es Verwundeten ergehen konnte: "Am Ende des Gefechts erhielt ich einen Schuß durch den Mund in den linken Kinnbacken, so daß die Kugel im Halse sitzen blieb. Da dieser Schuß mich zu Boden warf, so ließ mich der Adjudant-Major Spangenberg durch einige Leute auf zwei Gewehren zurücktragen; nachdem ich die Besinnung wiedergewonnen, ließ ich mich auf ein umherlaufendes Pferd setzen, wobei mich meine Leute festhielten und so weiterführten. Aus der großen russischen Schanze, bei der wir vorbeikamen, waren die Todten und Blessirten in den Graben geworfen, so daß letztere, besonders die unten lagen, laut jammerten. Dabei ging Napoleon in der Schanze auf und nieder und pfiff, so daß ich mich über die unbeschreibliche Gleichgültigkeit jenes Mannes nicht genug wundern konnte. – Das Schlachtfeld glänzte von Sternen und Orden auf den prachtvollen Uniformen der höheren Offiziere; Truppen aller Art lagen todt oder blessirt durch einander und ganze Bataillone und Eskadrons waren niedergestreckt. Nachdem ich in meinem traurigen Zustande über einen großen Theil des Schlachtfeldes geführt worden, kamen wir vor die französische alte Garde. Meine Leute baten mich durchzulassen, dieses wurde jedoch verweigert und ungeachtet man an meiner Uniform recht gut einen Stabsoffizier erkennen konnte und dabei das Blut mir aus dem Munde strömte, so half alles nichts, – ich durfte nicht einmal die Intervallen passiren, sondern meine Leute waren genöthigt sich mit mir nach einem Flügel zu wenden.

Nach langem Umherziehen wurde ich endlich zur großen Ambulanz gebracht, wo ich eine solche Menge blessirter Offiziere aller Nationen antraf, daß mir alle Hoffnung zu einer baldigen Hülfe benommen wurde. Meine Bitten, mich von meiner Kugel zu befreien, blieben lange fruchtlos, bis endlich ein Arzt (dem mein Bursche 10 Louisd´or geboten) sich meiner erbarmte. Derselbe mußte sehr vorsichtig zu Werke gehen, um nicht die Kopfader zu verletzen, was den Tod zur unausbleiblichen Folge gehabt haben würde. Es gelang ihm nach vier Schnitten die Kugel auszulösen, welche er mir reichte, dabei war aber mein Gesicht so angeschwollen, daß ich einem Menschen nicht mehr ähnlich sah. Die Nacht mußte ich auf dem Schlachtfelde liegen bleiben, wo mich am anderen Morgen meine Leute trafen, die mich nun ankleideten, in einen kleinen Wagen legten und mir durch einen Federkiel etwas Kaffee einflößten, was mich unaussprechlich labte. Da der Verband meiner Wunde aufgegangen war, brachte man mich in ein Kloster, in der Hoffnung daselbst ärztliche Hülfe zu finden. Ich kam in ein Zimmer, in dem mehr als hundert blessirte Offiziere lagen, ohne diejenigen, welche auf den Gängen und im Hof untergebracht waren. Da ich nicht reden konnte, gab ich meine Noth durch Zeichen zu erkennen, und bat, mich wenigstens zu verbinden; allein meine Bitten und die Bemühungen meiner Leute, einen Arzt hierzu zu bereden, waren vergebens. Ich wollte es auch hier mit Geld erzwingen und mein Bedienter bot 6 bis 8 Louisd´or, doch es half alles nichts, die Aerzte waren zu sehr mit Arbeit überhäuft und wollten erst den früher angekommen Blessirten helfen. Mein Zustand wurde indeß immer schlimmer und es fehlte mir so sehr an Luft, daß ich dem Ersticken nahe war.

In der Voraussetzung meines Todes entschloß ich mich daher das Kloster zu verlassen und schrieb dem bei mir habenden Sergeanten auf, mich vorwärts zum Bataillon zu bringen, es dauere so lange es wolle. Auf diesem Wege passirten wir ein Wäldchen, in dem mehrere Tausend Blessirte lagen; ich verlangte den Kommandeur zu sprechen, welcher dann in der Person des Oberstlieutenants Byrs vom 5. Westfälischen Infanterieregiment zu meiner größten Freude an mein Wägelchen trat. Dieser brave Mann verschaffte mir sogleich einen Arzt, welcher meine Wunde sehr vorsichtig und gut verband, worauf mir derselbe etwas Bouillon beibringen ließ, welche mich sehr erquickte.

Am folgenden Morgen führten mich meine Leute weiter und brachten mich nach vielem Hin- und Herziehen hinter dem Schlachtfelde endlich in der Nähe von Mosaisk zum Bataillon. Bei demselben blieb ich, ging mit demselben nach Moskau und hatte nur der Hülfe des Bataillonsarztes und der guten Pflege vom Bataillon selbst meine Erhaltung zu danken. Ich kam auf diese Weise bei meiner schweren Wunde zwar niemals unter Dach, doch war dies wohl besser, als die verpestete Luft in einem Krankenzimmer einzuathmen. (...) Der Vorsehung kann ich nicht genug danken, daß mich auch nicht ein einziger geringer Zufall bei dieser Blessur betroffen hat; denn nur eine geringe Anschwellung der gesunden Drüse an der rechten Seite meines Halses würde ein Ersticken bei sonst gesundem Leibe zur unausbleiblichen Folge gehabt haben. Im Gegentheil befand ich mich bei der sehr sparsamen Kost stets recht wohl, und ich muß es als ein ganz außerordentliches Glück ansehen, bei dem in der fürchterlichen Kälte erfolgten Rückzug aus Rußland, von dem keine Schilderung die Wirklichkeit erreichen kann, mit meiner diffizilen Wunde glücklich durchgekommen zu sein."

Ende Januar 1813 kam Boedicker wieder in Kassel an. Aufgrund seiner schweren Verwundung, die noch nicht ausgeheilt war, bat er um den Abschied, der ihm vom Kriegsminister auch erteilt wurde. Jérôme zeriss allerdings die Abschiedsurkunde, nachdem er Boedickers Wunde persönlich in Augenschein genommen hatte, mit der Bemerkung, die Wunde würde in wenigen Wochen verheilt sein, und übergab Boedicker den Befehl über die neu aufzustellende Chasseurgarde. Boedicker betrieb die Organisation so erfolgreich, dass das Garde-Jäger-Bataillon nach einigen Monaten bis auf 1.200 Mann anwuchs. Das Bataillon kam erstmals nach dem Russlandfeldzug bei der Besetzung Kassels Ende September 1813 wieder ins Feuer. Da es fast die einzige geschlossene Einheit war, die den Russen Widerstand leistete (der König und viele Generale sowie andere Truppen waren geflohen), konnte es die Einnahme Kassels nicht verhindern. Boedicker ließ sich vom russischen General Czernischeff überreden, ein Papier zu unterzeichnen (und andere westfälische Offiziere unterschreiben zu lassen), wonach man nicht mehr gegen die Verbündeten (Russland, Preußen, Österreich usw.) kämpfen werde. Als der westfälische General Allix Anfang Oktober mit zusammengerafften französischen Truppen Kassel wieder besetzte (Czernischeff hatte sich mit seinem Streifkorps wieder zurückgezogen), wurden Boedicker und andere Offiziere wegen dieses Papiers verhaftet und 12 Tage im Kastell von Kassel verhört. Da inzwischen die Verbündeten nach der gewonnenen Leipziger Schlacht auf Kassel vorrückten, mussten die Franzosen Hals über Kopf aus Kassel fliehen – Boedicker kam frei. Bis zur Ankunft des hessischen Kurprinzen verblieb Boedicker bei seiner Familie. Er erhielt sofort wieder eine Anstellung im hessischen Dienst und wurde bei der Organisation des neu errichteten Jägerbataillons und des Bataillons freiwilliger Jäger verwendet. Am 6. Januar 1814 erhielt er sein Patent als Major und war damit einer der wenigen westfälischen Offiziere, die in ihrem westfälischen Rang weiter beschäftigt wurden (der westfälische Oberstleutnant war der erste Stabsoffiziersdienstgrad); die meisten wurden mindestens einen Rang niedriger angestellt. Mit seinem regulärem Jägerbataillon rückte Boedicker am 30. Januar 1814 in den Frankreichfeldzug aus. Zunächst kam das Bataillon vor die Festung Luxemburg und nahm dort an einem vom General Dörnberg befehligten Versuch zur Überrumpelung der Festung teil, der jedoch fehlschlug. Nach dem ersten Pariser Friedensschluss kehrte Boedickers Bataillon im Juni 1814 nach Hessen zurück.

Der letzte Abschnitt der Memoiren enthält eine ausführliche Beschreibung der Teilnahme des Jägerbataillons am Feldzug des Jahres 1815, wo es im Verband des norddeutschen Armeekorps wieder bei der Einschließung von Festungen (u.a. Sedan, Mezieres, Givet, Charlemont) gebraucht wurde. Sehr aufschlussreich sind Boedickers Schilderungen seiner Besprechungen mit dem kommandierenden General v. Haake (später preußischer Kriegsminister) sowie seine Darstellung der Reibungen mit russischen Truppen bei der Übergabe von Rheims an letztere. Ende 1815 war auch dieser Feldzug für die Hessen beendet und das Jägerbataillon marschierte zurück in die Heimat.

In seiner weiteren Laufbahn wurde Boedicker 1821 Oberstlieutenant, 1829 Oberst (das Avancement war in Friedenszeit natürlich sehr verlangsamt) und 1831 Generalmajor und Kommandeur der 1. Infanteriebrigade. 1838 zum Generallieutenant ernannt, wurde er erster Kommandant von Kassel, da die hessische Armee nur eine Division bildete, deren Kommando aber nicht vakant war. In dieser Stellung starb er 1843.

Johann v. Borcke: Kriegerleben des Johann von Borcke

Borcke wurde 1781 geboren und trat mit etwa 16 Jahren in die preußische Armee ein. Noch 1797 zum Fähnrich im Infanterie-Regiment Larisch Nr. 26 ernannt, wurde er 1800 Sekonde-Leutnant. Die gedruckten Erinnerungen [10] beginnen mit dem Jahr 1805, als Borcke mit dem Regiment ins Hannoversche marschierte. Borcke charakterisiert schonungslos die Schwächen der alten preußischen Armee, die unter pedantischen Generalen, sinnentleerten Formen und zweckentfremdeten Bräuchen litt, was dann auch folgerichtig zur Katastrophe von 1806 führte. Borckes Regiment focht bei Jena unter Rüchel und wurde in den Strudel des Rückzugs gerissen. Borcke kam nach Magdeburg, wo die Trümmer des Regiments von Kapitän Horn reorganisiert wurden. Borcke erbat sich dort als Regimentsadjutant vom Gouverneur der Festung, dem alten General von Kleist, weitere Befehle und erhielt den denkwürdigen Bescheid: "Thun Sie was sie wollen. Bleiben Sie hier, so verhungern Sie. Marschiren Sie jetzt noch heraus, so werden Sie gefangen, denn die Franzosen sind vor den Thoren." Horn entschloss sich zum Abmarsch, mit der Absicht, sich dem Korps Hohenlohe anzuschließen. Bevor man dieses erreicht hatte, hatte Hohenlohe bei Prenzlau schon kapituliert. Daraufhin wandte sich das Detachment nach links, um zu Blücher zu stoßen, was auch gelang. Borcke musste in der Nähe von Waren zurückbleiben, da er erkrankt war. Die Mutter eines Kameraden aus Bützow nahm ihn zur Pflege in ihr Haus. Dort erfuhr Borcke von der Kapitulation Blüchers bei Lübeck. Nach seiner Genesung ging Borcke über Berlin in seine Heimatstadt Halle, wo er ein kümmerliches Leben fristen musste. Borcke sann daher auf einen Ausweg und beschloss, sich mit einem Freund nach Osten zur preußischen Armee durchzuschlagen. Die mit falschen Pässen unternommene Reise führte über Hamburg und Kiel, dann mit dem Schiff nach Danzig, wo Borcke im Mai 1807 eintraf. Hier war allerdings gerade ein Waffenstillstand zwischen der preußischen Besatzung und den französischen Belagerern abgeschlossen worden, der als Vorstufe der Kapitulation anzusehen war. Borcke über seine ersten Eindrücke von der neuen preußischen Armee: "Der veränderte Anzug und das Aeußere unserer Truppen nahmen meine ganze Aufmerksamkeit zuerst in Anspruch. Kaum glaubte ich Preußen in ihnen zu sehen, denn es war eigentlich nichts als die Grundfarbe des Rockes unverändert geblieben. Die Zöpfe, die Hüte, die Gamaschen, die weißen Beinkleider waren verschwunden, und eine einfache, zweckmäßigere Kleidung, zu der auch graue Mäntel gehörten, an deren Stelle getreten; Offiziere wie Soldaten hatten ein kriegerisches, fast abenteuerliches Aussehen durch lange Bärte gewonnen, wie man es noch wenige Monate zuvor in unserer Armee nicht gewohnt gewesen war, wo eine derartige Erscheinung Jedem ein Gräuel gewesen wäre."

Borcke konnte Danzig noch vor der Übergabe der Festung verlassen. Er segelte nach Königsberg, wo er beim neu errichteten 3. ostpreußischen Reservebataillon angestellt wurde. Die Verhältnisse der Reservebataillone, die ein Bindeglied zwischen der alten, fast untergegangenen Armee und der reorganisierten Armee, die sich 1813 wie Phönix aus der Asche erhob, bildeten, werden uns von Borcke aus erster Hand geschildert. Nach der verlorenen Schlacht von Friedland musste auch das 3. Reservebataillon, das nicht in der Schlacht gekämpft hatte, bei Tilsit über den Njemen marschieren. Zum 1. September 1807 wurden die Reservebataillone aufgelöst. Borcke wurde, wie viele andere Kameraden, auf Halbsold gesetzt (8 Taler 8 Groschen monatlich) – zum Leben zuwenig, zum Sterben zuviel. Gleichzeitig erhielt Borcke Nachricht, dass in der in Aufstellung begriffenen westfälischen Armee Offiziere gesucht würden. So entschloss er sich, nach Kassel zu reisen und dort gemeinsam mit seinem Bruder seine Anstellung zu betreiben, zumal seine Vaterstadt Halle nunmehr zum Königreich Westfalen gehörte. Die Anstellung glückte Anfang 1808. Wahrscheinlich durch ein Versehen erhielt Borcke das Patent, das seinem (jüngeren) Bruder zugedacht war und wurde nur als Sous-Lieutenant im I. leichten Infanterie-Bataillon angestellt. Dagegen erhielt der Bruder eine Premier-Lieutenants-Stelle im 3. Infanterie-Regiment. Unserem Protagonisten blieb – nach erhaltener Anstellung – noch die unangenehme Aufgabe, sich den Abschied vom König von Preußen erteilen zu lassen (die korrekte Reihenfolge wäre anders herum gewesen).

Borcke liefert uns wichtige Einblicke in die Stellung Jérômes zu seiner Armee und die inneren Verhältnisse derselben: "Der König Jérôme mußte als regierender Stellvertreter seines Herrn Bruders in dessen Geiste handeln, sich mit Glanz und Pracht umgeben, um so die Herzen seiner Unterthanen zu gewinnen, die ihm abhold waren und auch blieben, so sehr er sich bemühte, ihrer Eitelkeit zu schmeicheln, gütig und aufgeklärt zu scheinen und Einzelne mit Wohlthaten zu überhäufen. Besonders mußte ihm daran liegen, die Zuneigung seiner Truppen zu erwerben, die ihn gegen seine ihm abgeneigten Unterthanen schützen sollten; er vergaß nur dabei, daß sie selbst zu den Unterthanen gehörten. In der That sparte er weder Mühe noch Kosten, dies Ziel zu erreichen. Besonders schenkte er den Garden viel Aufmerksamkeit, zeigte sich oft unter ihnen, hielt fleißig Musterungen und war mit Geschenken und Beförderungen sehr freigebig. Er drang, wenigstens zum Schein, in die kleinsten und innersten Details ihres Dienstes und selbst des häuslichen Lebens ein, besuchte öfters ihre Kasernen, war gegen den gemeinen Mann herablassend und sorgsam, kostete seine Speisen, fragte oder ließ ihn fragen, ob er zufrieden sei, und ordnete manches zur Verbesserung der Lage desselben an. Dies weltkluge Benehmen übertrug sich mit unverkennbarem Nutzen auf seine Generale und Offiziere und pflanzte sich in der Folge zu den Linien-Truppen fort, so daß nicht leicht in einer Armee mehr innere Ordnung herrschen und mehr Fürsorge auf den Soldaten verwendet werden konnte, als in dieser. (...) Die Musterungen wurden mit großer Peinlichkeit und Genauigkeit, vorzüglich hinsichtlich der Waffen und der Bekleidung, abgehalten. Der König selbst und nicht selten die Generale nahmen bei solchen Gelegenheiten dem ersten besten Soldaten einer Kompanie das Gewehr aus der Hand, untersuchten es auf seine Brauchbarkeit und hielten sich sehr ernstlich an den Kompagniechef oder Offizier, in dessen Abtheilung sie die geringste Nachlässigkeit fanden. Ebenso genau besichtigten sie die Kleidungsstücke, ließen sie die Tornister auspacken, überzeugten sich von dem Vorhandensein aller vorgeschriebenen Dinge und drangen auf diese Weise in alle Kleinigkeiten ein. Dieser Antrieb ging natürlich auf die Unterbefehlshaber über; die Verwaltungsbehörden standen infolge dessen unter der schärfsten Aufsicht und lieferten alles dem Soldaten Zuständige (gemeint ist: Zustehende. TH) von bester Beschaffenheit. Die Armee war so, wie es gar nicht anders sein konnte, bald auf das Beste und Zweckmäßigste bekleidet und ausgerüstet. Freilich nahmen auch die Paraden, Revuen und Inspektionen kein Ende, und die Offiziere waren Tag für Tag von früh bis spät beschäftigt."

Das I. leichte Bataillon rückte mit der westfälischen Division Anfang 1809 nach Spanien. Borcke wurde allerdings noch auf dem Marsch zurückberufen und in das 6. Infanterie-Regiment als Kapitän versetzt. Mit dem Regiment kämpfte er am 1. August 1809 im Gefecht bei Oelper gegen das Korps des Schwarzen Herzogs, Friedrich Wilhelm von Braunschweig. Im Februar 1812 wurde Borcke in die Adjutantur versetzt und nahm als Adjutant des Generals von Ochs am Rußlandfeldzug teil. Anfang 1813 nach Kassel glücklich zurückgekehrt, wurde er Adjutant des Generals Danloup-Verdun. Zunächst bei der Reorganisation der westfälischen Armee beschäftigt, dann im Frühjahr auf Streifzug zwischen Nordhausen und Heiligenstadt, befand sich Borcke während der Schlacht bei Dresden mit seinem General im Gefolge des Kaisers, so dass er ähnlich wie der sächsische Verbindungsoffizier Odeleben uns Einblicke in das französische Hauptquartier jener Tage geben kann. In den Tagen des Untergangs des Königreichs, nach der Völkerschlacht, war Borcke gezwungen, mit seinem General dem König nach Köln zu folgen. Er schreibt über diese Zeit: "Wiederholte Versuche, die ich vor dem Abzuge machte, von meinen Pflichten entbunden zu sein, wies der General wie früher mit Vorstellungen, schönen Redensarten und, als ich dringlicher wurde, mit der Drohung zurück, mich als Arrestant mitzunehmen. Was war zu machen? Wollte ich meinen Grundsätzen nicht untreu werden oder mich nicht der Gefahr aussetzen, wenn ich fortging, in die Klauen der Franzosen zu gerathen, so mußte ich mich noch einmal beugen und mitziehen. Es erschien mir nicht mehr zweifelhaft, daß es über den Rhein, vielleicht nach Frankreich, für mich so gut wie in den moralischen Tod ging. Welche Kämpfe ich in dieser Zeit mit mir selbst durchzumachen gehabt habe, darüber schweige ich; ich will Niemandem Ähnliches wünschen."

Endlich erhielt Borcke den Abschied, sogar noch unter Rangerhöhung als Bataillonschef (Oberstleutnant). Er kehrte sofort nach Kassel zurück, um dort die neuen Verhältnisse zu erkunden. Da aber die Rückkehr des alten Zopfgeistes ihn abstieß, bat er den preußischen König um Wiederanstellung, die er dann im Februar 1814 als Kapitän (d.h. eine Rangstufe unter dem letzten westfälischen Dienstgrad) im 1. Elb-Landwehr-Infanterie-Regiment erhielt. Das Regiment wurde noch zur Belagerung Magdeburgs hinzugezogen, kam aber nicht mehr ins Feuer.

1815 wurde Borckes Regiment dem II. Armeekorps v. Kleist (später v. Pirch I) einverleibt. Es nahm an den Schlachten von Ligny und Waterloo sowie am verlustreichen Gefecht von Namur teil. Ende 1815 kehrte das Regiment wieder nach Stendal zurück, wo es aufgelöst wurde. Borcke wurde 1816 zum 32. Infanterieregiment versetzt und 1824 Major. 1831 wurde er mit dem Charakter als Oberstleutnant pensioniert. Borcke starb 1862.

Ludwig Wilhelm v. Conrady: Aus stürmischer Zeit

Conrady wurde 1773 als Untertan des Fürsten von Bentheim geboren. Da er eine Vorliebe für den Soldatenstand zeigte, wurde er im Alter von 12 Jahren von seinem Vater in das Kadettenhaus zu Kassel gegeben. Dort blieb er sechs Jahre lang, übrigens ohne auch nur einmal nach Hause auf Urlaub zu kommen. 1790 wurde er Unteroffizier und im folgenden Jahr – nach bestandenem Examen – als Fähnrich in das hessische Leibdragoner-Regiment eingestellt. Mit dem Regiment kämpfte er 1792 in Frankreich, dann bei Mainz und 1793 in Holland. Im April 1794 geriet Conrady in französische Kriegsgefangenschaft, die er in Douay, Arras, Amiens und Compiegne verbrachte. In die Zeit seiner Gefangenschaft fiel die letzte Phase der Jakobinerdiktatur, von deren Exzessen Conrady Zeugnis ablegt – mehr als einmal standen er und seine Kameraden kurz davor, guillotiniert zu werden. Nach dem Friedensschluss kehrte Conrady im Juli 1795 in sein Elternhaus zurück. Bereits am 20. Februar d. J. hatte er sein hessisches Patent als Sekonde-Leutnant erhalten. Es folgten elf Friedensjahre in der Garnison Hofgeismar; für Conrady brachten sie am 13. Juni 1801 die Beförderung zum Premier-Leutnant sowie am 1. Februar 1804 zum Stabskapitän. Die letzte Beförderung geschah außer der Reihe, da Conrady offenbar ein Angebot aus England und damit verbunden die Aussicht auf besseres Fortkommen hatte. Bezeichnend für die Sparsamkeit (um nicht zu sagen: Geiz) des hessischen Kurfürsten ist, dass Conrady erst nach der Beförderung zum Stabskapitän die nächste im Regiment frei werdende Premierleutnantsgage erhielt; demnach hat er 13 Jahre lang Fähnrichsgehalt bezogen! Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – galt der Kurfürst als der reichste Mann Europas...

Nach der Besetzung Hessen-Kassels durch die Franzosen sah sich Conrady durch drückende materielle Verhältnisse gezwungen, 1807 als Kapitän in das neu formierte 1. hessische Linien-Infanterieregiment in französischen Diensten einzutreten. Kurz darauf wurde er Adjutant-Major im 1. Bataillon des Regiments, das nunmehr 1. westfälisches Linien-Infanterieregiment wurde. Da er sich in den Augen seiner Vorgesetzten bewährte, wurde Conrady 1809 zum Bataillonschef (d.h. Oberstleutnant) im neu errichteten 6. Linien-Infanterieregiment ernannt. Das noch nicht fertig organisierte Regiment wurde südlich der Festung Magdeburg dem Schill´schen Streifkorps entgegen geworfen und von diesem bei Dodendorf am 4. Mai 1809 zersprengt. Kurz darauf wurde das Regiment als Teil der westfälischen Truppen unter General Reubell (Rewbell) erneut hart mitgenommen, diesmal vom Korps des "Schwarzen Herzogs" Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Oels, der sich am 1. August bei Oelper den Weg an die Nordsee freikämpfte.

Ich schalte hier den Bericht Conradys [11] über das Gefecht und den nachfolgenden Tag ein, der uns die Stimmung der Westfalen in diesem Bruderkrieg erhellt: "Der Vormarsch richtete sich gegen das Dorf Oelper, welches ebenso wie das angrenzende durchschnittene Gelände von den Truppen des Herzogs besetzt war und uns den Weg nach Braunschweig versperrte. Anstatt nun erst der Artillerie Gelegenheit zu geben, das Dorf zu beschießen und den Infanterieangriff vorzubereiten, ließ General Reubell sofort die Infanterie Angriffskolonnen formieren, während er der Kavallerie, die inzwischen die Vorposten zurückgetrieben hatte, Befehl gab, den Aufmarsch zu decken. Diese kam dadurch in eine sehr üble Lage. Das Gelände eignete sich wegen seiner vielen Hindernisse durchaus nicht für Verwendung größerer Kavalleriemassen. Trotzdem drängten sich unsere Reiter mit anerkennenswerter Bravour durch, wurden aber, sobald sie eine freie Stelle erreicht hatten, von den wenigen Geschützen des Herzogs so wirksam beschossen, daß sie nicht mehr weiterkamen. Gleichzeitig griffen die feindlichen Husaren mit äußerster Energie an und warfen unsere Kavallerie auf das im Formieren begriffene erste Treffen zurück. Das war ein kritischer Augenblick, und viel fehlte nicht, daß die Infanterie mitgerissen wurde, wenn nicht unsere Artillerie das Feuer eröffnet und Luft gemacht hätte. So gelang es, die Infanterie wieder zum Stehen zu bringen und den Angriff fortzusetzen.

Der Feind räumte mit Anbruch der Dunkelheit Oelper, aber es wurde keine Verfolgung eingeleitet, daher wußte man nicht, wohin sich der Herzog gewendet hatte. Wir blieben also vorläufig stehen, mit der angenehmen Aussicht, hier ohne Gepäck und ohne Verpflegung die Nacht zubringen zu müssen, als zwischen neun und zehn Uhr abends der Befehl kam, auf der Straße nach Celle zurückzumarschieren. Das geschah bei völliger Dunkelheit in größter Unordnung. Um Mitternacht waren unsere Mannschaften, die seit 36 Stunden marschiert, fast keine Ruhe und so gut wie gar keine Verpflegung erhalten hatten, am Ende ihrer Kräfte. Man mußte Halt machen. An ein ordnungsgemäßes Beziehen des Biwaks war nicht zu denken. Jeder warf sich hin, wo er gerade war und auch ich suchte mir in einem Graben ein Plätzchen. Ich war müde zum Umfallen, denn ich hatte in der ganzen Zeit, seit unserem Abmarsch von Hoya höchstens zwei Stunden geschlafen, dafür aber unausgesetzt tätig sein müssen, um meine Leute zusammenzuhalten. So war es kein Wunder, daß ich wie ein Toter schlief, und es der vereinten Anstrengungen meines Adjutanten und meines Dieners bedurfte, mich bei Tagesanbruch wach zu bekommen. Sobald ich aber erst einmal wieder auf den Beinen stand, schüttelte ich die bleierne Müdigkeit ab, und die Verantwortung des Führers trat in ihr Recht. Das Bataillon mußte rangiert werden, um weitermarschieren zu können. Selten ist es mir so schwer geworden, mit unnachsichtiger Strenge einzuschreiten, wie an diesem Morgen, als ich meine übermüdeten, abgerissenen, und hungernden Leute zum Antreten treiben mußte. Schlaftrunken, mit fahlen Gesichtern, aus denen die Anstrengungen und Entbehrungen der letzten Tage deutlich genug sprachen, taumelten sie empor, um ihre Plätze in Reih und Glied einzunehmen. Kaum daß sie die Waffen halten konnten. Doch es half nichts, wir mußten weiter. Von Verpflegung war natürlich keine Rede, hungernd wurde um sechs Uhr vorm. abmarschiert, auf Celle zu.

Unterwegs wurde das Gepäck wieder von den Wagen genommen, aber vieles fehlte, da ein Teil der Bauern sich während der Nacht aus dem Staube gemacht hatten. Schon hegten wir die Hoffnung, in Celle Quartiere beziehen zu können, da bog die Tete der Division plötzlich von der Straße rechts ab. Wir überschritten die Oker und wendeten uns wieder gegen Braunschweig. Das Marschtempo wurde immer langsamer, denn die Leute waren aufs äußerste erschöpft. Es wurde oft Halt gemacht, namentlich, um Verpflegung herbeizuschaffen, die sich glücklicherweise reichlich und leicht fand. So erreichten wir in besserer Verfassung, als ich gedacht hatte, am Spätnachmittag Braunschweig, wo wir natürlich erfuhren, daß der Herzog die Stadt bereits am frühen Morgen verlassen habe und in der Richtung auf Peine abmarschiert war.

Ich muß gestehen, daß ich damit sehr zufrieden war, denn abgesehen davon, daß ich bei diesem Kampf gegen den ritterlichen Herzog überhaupt nicht mit ganzer Seele dabei war, hatte die Aussicht, mit meinen abgematteten und durch Marschunfähige zusammengeschmolzenen Kompagnien ins Gefecht gegen einen zum äußersten entschlossenen Gegner zu gehen, wenig Verlockendes."

1812 mußte Conrady mit dem Regiment nach Russland marschieren. Das 1. Bataillon wurde Ende September nach Wereja, südwestlich von Moskau, vorgeschoben. Da es dort ganz isoliert stand, gelang es den Russen, das Bataillon zu überfallen; was nicht niedergemacht wurde, geriet in Gefangenschaft, so auch Conrady und der Regimentskommandeur Ruelle, ein Franzose. Conrady wurde nach Orel transportiert (ich übergehe hier die Schilderung der Gefangenschaft), von wo er Ende 1813 wieder abreisen durfte und im März 1814 nach Bad Hersfeld zu seiner Familie zurückkehren durfte. Seine Bemühungen, wieder als Offizier in der hessischen Armee angestellt zu werden, schlugen fehl (vermutlich trug ihm der Kurfürst nach, dass Conrady sich 1807 als einer der ersten Offiziere von den Franzosen hatte anwerben lassen). Durch Vermittlung des hessischen Kurprinzen gelang es Conrady jedoch, in der preußischen Armee eine Stelle zu erhalten. Zunächst Etappeninspekteur in Münster, wurde er 1815 zum Hauptmann und Bataillonskommandeur im 4. schlesischen Landwehrinfanterieregiment ernannt. Conrady kam erst am 29. Mai in Belgien zu seinem Bataillon, also kurz vor Beginn des Feldzuges von 1815, siehe Abbildung 2. Das Regiment stand im IV. Armeekorps Bülow. Es nahm deshalb nicht an der Schlacht von Ligny teil, erntete dafür aber um so mehr Ruhm bei Waterloo am 18. Juni und in den nachfolgenden Gefechten bis hin nach Paris.

Abbildung 2: Ludwig Wilhelm von Conrady als preußischer Offizier

Nach beendetem Feldzug wurde Conrady Bataillonskommandeur im 7. Schlesischen Landwehrinfanterieregiment, Garnison Glogau. Aufgrund körperlicher Leiden musste er 1821 den Abschied nehmen. Er verschied 1848 im Alter von 75 Jahren.

Friedrich Gieße: Kassel - Moskau - Küstrin 1812 - 1813

Gieße, 1788 in Melsungen geboren, war ursprünglich für den geistlichen Stand bestimmt. Als 20jähriger musste er sich aber in Fritzlar zur Musterung stellen und am 15. April 1809 als Korporal in das 5. westfälische Linieninfanterieregiment eintreten. Zuvor waren fünf Versuche missglückt, einen Stellvertreter zu stellen; der letzte Versuch scheiterte an der Desertion des Stellvertreters. Gieße ergab sich in sein Schicksal und avancierte bereits im Oktober 1809 zum Sergeant-Major und im November 1810 zum Unterleutnant, siehe Abbildung 3.

Abbildung 3: Friedrich Gieße als westfälischer Leutnant

1812 rückte er mit dem Regiment nach Russland aus. Seine Memoiren [12], wenn auch in einem krausen Stil geschrieben, bilden eine der wertvollsten Quellen für das Studium der westfälischen Armee. Es ist fast unglaublich, welche Fülle an Details Gieße während des Feldzuges notierte, zumal, wenn man sich die unglaublich schwierigen Verhältnisse des Rückzuges vor Augen führt, bei dem die Soldaten schon froh sein konnten, wenn sie nur das nackte Leben retten konnten. U. a. enthält das Tagebuch eine genaue Aufstellung der einzelnen Truppen des westfälischen (VIII.) Armeekorps bis hin zu den Dienstposten der kleinsten Einheiten (Gendarmerie, Feldkriegskommissariat, Feldpostamt usw.) und beispielsweise auch die genaue Zusammensetzung von Artillerie, Train und Bespannung. Ich bringe zur Illustration der Detailgenauigkeit einen Auszug aus Gießes Schilderung des Beresina-Übergangs, der gleichzeitig die genaueste mir bekannte Beschreibung der behelfsmäßig gebauten Brücken und somit dem Dioramenbauer wertvolle Hinweise gibt: "300 Schritte mochte der Abstand betragen, den die beiden Brücken voneinander einnahmen. Sie waren an einer Stelle geschlagen, wo die einen schlammigen Grund, aber keinen reißenden Lauf habende Beresina, 400 Schuh breite und 2-7 Schuh Tiefe mißt (ein anderer Augenzeuge vergleicht die Breite der Beresina mit der der Fulda bei Kassel. TH), eine jede hatte 23 Böcke und 24 Brückenglieder. Die Höhe der Böcke betrug 3-9 und die Länge des oberen Balkens eines jeden Brückenbocks 14 Schuh. Das Holz, welches statt der Pontonsbalken zur Bildung der Brückenglieder diente und wegen der Kürze der Zeit nicht hatte können behauen werden, war 16-17 Schuh lang und enthielt 6-7 Zoll im Durchmesser. Den Boden der für das Fuhrwesen bestimmten Brücke bildeten 15-16 Schuh lange und 3-4 Zoll im Durchmesser enthaltende Knüppel, weil es an starken Brettern oder Bohlen gebrach. Durch das Fahren aber und Traben der Pferde über diesen holperigen Boden, obwohl es sollen im Schritt geschehen, hatte die Brücke bald nach Eröffnung der Passage sehr heftige Stöße erlitten. Die Böcke waren ungleichmäßig in den schlammigen Grund eingedrückt worden, was wellenförmige Vertiefungen erzeugte, die Füße der Böcke ausgewichen und hieraus 3 Risse entstanden. Um 8 Uhr gestern abend (26. November. TH) waren zudem 3 Böcke und um 2 Uhr heute früh deren abermals 3, und zwar diesmal an der tiefsten Stelle des Flusses zusammengebrochen, welche Schäden der Divisionsgeneral Eblé, der unter seinen Augen bessere Böcke verfertigen lassen, und die aufopfernde Hingebung der Pontoniere, welche im Wasser zu arbeiten hatten (und deshalb alle an Ort und Stelle verstarben. TH), jedesmal gleich wieder ergänzt.

Zum Boden der Brücke für Fußvolk und Reiter hatte man schwache und mangelhafte Bretter aus zusammengerissenen Häusern von 7-8 Schuh Länge, 5-6 Zoll Breite und 4-5 Linien Dicke genommen. Dieselben waren in 3 Lagen übereinander, je 2 der Länge nach von beiden Seiten dergestalt aneinander gelegt, daß sie sich in der Mitte kreuzten. Die Böcke hatten bis dahin gut ausgehalten, die Bretter sich aber, weil sie nicht gehörig befestigt werden können, getrennt und waren unter den Hufen der Pferde zerbrochen, so daß Löcher entstanden, die es vonnöten gemacht, den Boden mit Hanf und Heu zu überdecken."

Gieße gelang es, aus Rußland zu entkommen. Im Januar 1813 traf er mit anderen Kameraden in Thorn ein, das zum Sammelplatz der westfälischen Truppen bestimmt worden war. Aus den Resten des ehemaligen VIII. Armeekorps und den nach Thorn marschierten Depots des 1., 2., 3., 5., 6., und 7. Linieninfanterieregiments, der drei leichten Bataillone sowie des Chevaulegers- und der Husarenregimenter (die sogenannte Colonne mobile) wurden hier zwei "Marschregimenter" errichtet. Die nicht Dienstfähigen und die überzähligen Kadres wurden nach Kassel zurückgeschickt. Gieße blieb bei den Marschregimentern, nahm noch an einigen kleineren Gefechten gegen die weiter vorgerückten Russen teil und kam dann zur Besatzung von Küstrin. Nach 13monatiger Belagerung konnte Gieße nach der Kapitulation der Festung am 20. März 1814 in seine hessische Heimat zurückkehren. Da es ihm nicht gelang, vom Kurfürsten wieder angestellt zu werden, trat er 1815 als Oberleutnant in das 1. nassauische Infanterieregiment ein (Gießes letzter Dienstgrad in der westfälischen Armee war Kapitän, außerdem hatte er noch im Juli 1813 den Orden der westfälischen Krone erhalten). Erst 1832 wurde Gieße wieder Hauptmann. Er erhielt auf Verwendung seines Landesherrn noch nachträglich den Orden der französischen Ehrenlegion. 1871 starb er im gesegneten Alter von 83 Jahren als pensionierter Major in Weilburg.

Wilhelm I. von Hessen: Wir Wilhelm von Gottes Gnaden

Die ursprünglich nur für seinen Sohn bestimmten und erst 1996 von Rainer v. Hessen veröffentlichten Erinnerungen des Landgrafen, späteren Kurfürsten von Hessen-Kassel spielen in diesem Aufsatz eine gewisse Sonderrolle, da der Kurfürst natürlich nie in westfälischen Diensten stand, vielmehr von Jérôme seines Thrones beraubt wurde und sieben Jahre im Exil leben musste. Wilhelm wurde 1743 geboren und verbrachte bereits seine Jugend zum Teil im Exil in Dänemark, da Hessen-Kassel während des Siebenjährigen Krieges zeitweise von französischen Truppen besetzt war. Seit 1764 residierte er in Hanau, damals Teil des landgräflich-hessischen Besitzes. Wilhelm wandelte die Hanauer Landmiliz in eine stehende Truppe um und vermietete seine Soldaten an die englische Krone während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Die geschickte Anlage der englischen Subsidiengelder, nicht zuletzt mit Hilfe des aufsteigenden Bankhauses Rothschild, machte ihn zu einem der reichsten Männer Europas. Sprichwörtlich war auch seine ausgedehnte Mätressenwirtschaft. 1778 nahm Wilhelm als "Volontär" im Grade eines Generals der königlich preußischen Armee am Bayrischen Erbfolgekrieg teil. 1785 trat er als Landgraf Wilhelm IX. das Erbe seines verstorbenen Vaters an und ging nach Kassel. 1792/93 führte er ein hessisches Hilfskorps, das gemeinsam mit preußischen Truppen in der Champagne und bei Frankfurt und Mainz gegen die französischen Revolutionsheere focht. 1803 erfuhr Wilhelm beim Reichsdeputationshauptschluss eine Rangerhöhung zum Kurfürsten (weil die drei ehemaligen geistlichen Kurfürstentümer aufgehoben waren) und nannte sich fortan Wilhelm I. , siehe Abbildung 4.

Abbildung 4: Kurfürst Wilhelm I. von Hessen, 1806 (Gemälde von W. Böttner)

In den Schicksalsjahren 1805 und 1806 betrieb Wilhelm eine vorsichtige Neutralitätspolitik, was ihn jedoch nicht davor bewahrte, im November 1806 von Napoleons Truppen davongejagt zu werden. Lassen wir ihn selbst die entscheidenden Tage schildern [14]: "Am 14. Oktober, dem Tag der unseligen Schlacht bei Auerstedt, brachen alle Dämme gegen die allgemeine Überflutung. Es war keine verlorene Schlacht, es war die völlige Auflösung. Der französische Gesandte verlangt, daß meine Truppen in ihre Garnisonen zurückkehren und demobilisiert werden. Er nannte meine Neutralität perfide, falls ich mich weigerte. Die Stimmen im Rat waren geteilt. Gegen meine Überzeugung entschloß ich mich, die geforderte Ordre zu erteilen, was ich zutiefst bereut habe, wiewohl es gänzlich unmöglich war, Hessen allein ohne Unterstützung gegen die allerorts siegreiche französische Armee zu verteidigen. Am 21. Oktober erhielt Bignon, der französische Gesandte, den Befehl, sich zu Napoleon nach Berlin zu begeben. Noch immer betrachtete ich dies nicht als das, was es in der Tat war. Aber daß er abreiste, ohne Urlaub zu nehmen, hätte mir nicht gleichgültig sein dürfen. (...) Am 26. Oktober erhielt ich aus Vacha die Meldung, daß die französische Armee sich im Anmarsch durch Sachsen befinde und jene Stadt passieren werde, wo es ebenso wie in Hanau Platzkommandanten gab, die für den Marsch der Erwähnten Sorge zu tragen hatten. Zwar überraschte mich dies Manöver, ich wähnte mich indes meiner Neutralität so sicher, daß ich General von Lehsten (Vater von Unico v. Lehsten-Dingelstädt, s. dessen weiter unten abgedruckten Memoiren. TH) in Begleitung Starkloffs am 28. Oktober nach Berlin sandte, um daselbst dem Kaiser Napoleon meine Komplimente zu übermitteln und einen eigenhändig geschriebenen Brief meinerseits zu überreichen, mit ergebensten Danksagungen dafür, daß er mir die Neutralität zugebilligt. Am 30. wurde ich vor fünf Uhr von einer Stafette aus Hersfeld geweckt, mit der unerwarteten Meldung vom Einmarsch Marschall Mortiers in Hersfeld. Er habe ebenda Quartiere begehrt, um jene der Armee, die über Vacha marschierte, zu vermehren. Oberstleutnant Ochs (s. Literaturverzeichnis. TH) gebrauchte die nämliche Erläuterung in Vacha, wo er sich auf mein Geheiß befand. Dies hatte mich zunächst verwundert, allein ich war noch weit davon entfernt, die Folgen zu befürchten. Am nämlichen Donnerstag abend schrieb mir besagter Ochs per Stafette, daß Mortier, als er des Morgens Hersfeld verließ, in Richtung Melsungen marschiert sei. Jener Offizier traf abends noch immer in dem Glauben ein, daß es sich nur um einen Durchmarsch nach Hannover handle. (In Hohenhausens Ochs-Biografie [15], S. 253, heißt es dagegen, ´bei seiner Ankunft zu Kassel äußerte Ochs seinen begründeten Argwohn, daß Mortier feindliche Absichten hege, dem Kurfürsten unverholen. Dieser aber, noch immer auf den Neutralitätsvertrag fest vertrauend, wollte keinem Verdachte der obwaltenden Hinterlist und Falschheit Raum geben.´ TH) Ich fertigte umgehend meinen Adjutanten Major von Müller zu Mortier nach Melsungen ab. Er traf ihn im Bett an, wo er jeder Frage auswich und sagte, daß er am 31. einen Rasttag in Melsungen einlegen werde und um den Durchmarsch nach Hannover ersuche. Kaum war Müller zurückexpediert, als Mortier auf Kassel marschierte, wo er am 31. Oktober nach zwei Uhr mittags anlangte. Er behauptete, daß es zu spät sei, um weiterzumarschieren, und biwakierte auf den Höhen der Waldau. Da er auf dem Marsch vielerlei Fragen über meine Truppen, Artillerie und dergleichen gestellt und durchblicken hatte lassen, daß es sich nur um eine Kontribution oder eine andere Forderung handelte. Er sagte zu Ochs, daß er abends in die Stadt kommen und seine Gedanken durch den Geschäftsträger St. Genest verlautbaren werde.

Nach der Parade ging ich in den Rat. Minister von Waitz war krank, ich bekam ihn während jener so grausamen Katastrophe nicht mehr zu Gesicht. Ich dinierte auf dem Schloß, und niemand ahnte das Geringste. Nach meiner Rückkehr nach Bellevue versammelte ich die Generalität. Ich wollte mit der Garnison nach Ziegenhain stoßen und dort, für den Fall zu harter Vorschläge, Truppen zusammenziehen, als ein Ordonnanz-Dragoner mir die Meldung des Postens in Westuffeln brachte, daß der König von Holland dort mit seiner Armee angelangt sei. Nunmehr begann mir erstmals zu dämmern, daß ich überrumpelt worden war, daß mein Generalstab mich vermittels falscher Meldungen getäuscht und selbst nicht einmal Nachricht vom Marsch der Holländer aus Paderborn erhalten hatte, wo ich in meiner preußischen Garnison so viele Leute kannte (Wilhelm war gleichzeitig preußischer Generalfeldmarschall und Chef des preußischen Infanterieregiments Nr. 48 in Paderborn. TH). Wurmb, der Gouverneur von Kassel, und Generalmajor Webern optierten dafür, daß man nichts tun könne. Mein Adjutant, General von Motz, erschien erst gar nicht, und ich bekam ihn weder an jenem Abend noch tags darauf zu Gesicht. Die Dunkelheit ließ uns gegen sieben Uhr abends die Biwakfeuer erkennen, ein beklemmender Anblick für das Herz des Herrschers und seiner hessischen Untertanen. Ich wartete bis nach zehn Uhr auf die Vorschläge St. Genests und glaubte wahrhaftig, daß wir anderntags bessere Nachrichten erhalten würden. Schlag Mitternacht wurde ich durch die Ankunft der Minister von Baumbach und von der Malsburg geweckt. Letzterer las mir die niederträchtige Note St. Genests und den abscheulichen Verrat Napoleons vor. Ich war wie vom Donner gerührt und nahezu betäubt, so daß ich kaum mehr ein Glied regen konnte (der Kurfürst litt stark an Gicht. TH) Ich erteilte den Herren den Befehl, sich mit General von Webern um fünf Uhr früh zu Mortier zu begeben, um erträgliche Bedingungen zu bewirken. Ich erhob mich und ordnete im groben an, was der furchtbare Schlag mir zu denken erlaubte. Ich hieß Gilsa (Oberstallmeister. TH) kommen und befahl ihm, meine Pferde zu retten, er tat indes nichts dergleichen und ich büßte sie sämtlich ein.

Um sieben Uhr in der Frühe des 1. November kehrten Baumbach und Malsburg zurück. Wir waren auf Gnade und Ungnade ausgeliefert, und General von Webern hatte ohne jedweden Befehl meinerseits die Posten am Leipziger Tor abgezogen und den Gouverneur von Wurmb angewiesen, die Garnison aufzulösen. Nach einer knappen Einleitung eröffnete mir Minister von Baumbach, ohne sich allzu große Schonung aufzuerlegen, daß Mortier sich auf dem Anmarsch befände und überdies erklärt habe, von seinem Kaiser beordert zu sein, meinen Sohn und mich in Gewahrsam zu nehmen und in unserer Eigenschaft als preußische Generäle wie Kriegsgefangene zu behandeln. So blieben mir denn noch zehn Minuten zum Aufbruch. Ich fand mich allein, ohne jegliche Hilfe, und – ich muß es sagen – von allen meinen Dienern im Stich gelassen. Mir blieb nicht einmal die Zeit, um Abschied zu nehmen. Ich ließ meinen Sohn holen. Meine Absicht war es, geradewegs den Tyrannen aufzusuchen, der mich solchergestalt zerschmetterte.

Wir fuhren durch das Leipziger Tor, der französischen Nachhut direkt in die Arme, mußten kehrtmachen und schlugen die Straße über den Karlsberg nach Arolsen ein, wo wir bar jeglicher Habe und in jämmerlicher Lage anlangten. Der Fürst von Waldeck empfing uns eisig, als wünschte er unsere schleunige Abreise herauszufordern (vermutlich aus Angst vor Napoleon. TH). Major von Thümmel, mein Adjutant, traf während des Diners mit dem zweiten Wagen ein. Hätte er uns verfehlt, was leicht geschehen konnte, hatte ich nur den Rock, den ich trug, und das Hemd auf dem Leibe. Der Nachmittag wurde darauf verwendet, einen Plan zu fassen. Ich entschloß mich, nach Holstein zu meinem Bruder Karl zu reisen. Wir brachen um zwei Uhr in der Frühe des 2. November auf und reisten über Ossendorf, Peckelsheim und Rischenau nach Pyrmont, wo wir um elf Uhr nachts eintrafen. In Ossendorf hatten wir – auf das Risiko hin, ergriffen zu werden – die Linien der holländischen Armee durchquert. Am 3. November passierten wir Hameln, dinierten in Nenndorf und nächtigten in Neustadt am Rübenberge, am 4. in Soltau, am 5. passierten wir die Elbe bei Harburg und schliefen in Altona. Am 6. kamen wir bis Remmels und langten am 7. mittags auf Schloß Gottorf in Schleswig an. Mein Bruder, der uns eine Meile entgegen gefahren war, und seine Gemahlin empfingen uns mit jener Herzlichkeit, die guten Verwandten eigen ist."

So waren denn Kurfürst und Kurprinz fürs erste dem Zugriff Napoleons entzogen. Nach einem Aufenthalt in Dänemark ging der Kurfürst nach Prag, wo er 1809 eine eigene Legion aufstellte, die gemeinschaftlich mit den Österreichern und dem Korps des ebenfalls aus seinen Stammlanden vertriebenen Herzogs von Braunschweig-Oels in Sachsen kämpfte. Jedoch sollte für den Kurfürst erst am 21. November 1813 die Stunde der Rückkehr schlagen, nachdem Jérômes Herrschaft nach der Völkerschlacht sang- und klanglos zusammengebrochen war. Wilhelm I. versuchte mit fast lächerlicher Pedanterie, alles, aber auch alles auf den Stand von 1806 zurückzuführen. Die kurhessische Armee musste als einzige in Deutschland wieder den sprichwörtlichen Zopf einführen, was denn auch zu vielem Spott im In- und Ausland führte und dazu beitrug, dass viele ehemals westfälische Offiziere in fremde Dienste gingen. Die letzten Lebensjahre Wilhelms waren vor allem durch einen zunehmenden Vater-Sohn-Konflikt getrübt, ähnlich, wie ihn Wilhelm I. auch mit seinem Vater gehabt hatte. 1821, im gleichen Jahr wie Napoleon I., starb der greise Kurfürst und machte so den Weg frei für eine Erneuerung des Landes.

Friedrich Klinkhardt: Feldzugs-Erinnerungen des Königlich Westfälischen Musikmeisters Friedrich Klinkhardt aus den Jahren 1812-1815

Klinkhardt, geboren 1788, erlernte den Beruf eines Musikers und wurde gemäß der damaligen Zunftpraxis im Jahre 1804 "losgesprochen", d.h. als Ausgelernter in die Praxis entlassen. Wegen der kriegerischen Zeitläufte lebte er bis 1808 bei seinem Vater auf dem Land in der Nähe von Aschersleben, spielte aber auch gelegentlich in Quedlinburg, wo er 1808 im Ensemble des Musikdirektors Bosse ein Engagement erhielt. Bald darauf wurde er aufgefordert, in westfälische Dienste zu treten, wie er in seinen Erinnerungen [16] schreibt: "Eines schönen Morgens, am 3. Januar 1810, wurde ich aus dem Schlaf gerüttelt und mir mitgeteilt, daß ein Husar in blauer Uniform mich zu sprechen wünsche und mir einen Brief mitzugeben habe. Man war in diesen Zeiten von militärischen Besuchen nicht gerade erfreut und so beeilte ich mich denn, klopfenden Herzens den Boten zu empfangen. Der Husar, ein Quedlinburger Kind, namens Littge, stand als Wachtmeister beim 2. westfälischen Husaren-Regiment und hatte schon die Feldzüge in Spanien hinter sich. Der mir übergebene Brief enthielt die militärisch kurz abgefaßte Anfrage, ob ich geneigt sei, die Direktion des Musikkorps im genannten Husaren-Regiment zu übernehmen. Ich sei von musikverständigen Herren als sehr geeignet bezeichnet und ich solle, da die Stelle ansehnlich dotiert sei, meinem Glücke nicht im Wege sein. Ein Gehalt von 36 Talern (wohl monatlich? TH), Equipierung, Offiziers-Quartier usw. wurden mir zugesichert. Entscheidung müsse ich allerdings sofort treffen. Unterzeichnet war das Schreiben von dem Obersten von Heßberg (Karl Christoph Wilhelm v. Heßberg, einer von fünf Brüdern, die als Offiziere in der westfälischen Armee dienten. Andere Schreibweise: Hesberg. TH) in Aschersleben und datiert vom 3. Januar 1810.

Bis zum Tode erschrocken, lief ich mit dem Schreiben, um mir Rat zu holen, zu meinem Prinzipal Bosse, der indessen in drei Nächten nicht zur Ruhe gekommen war und den Schlaf des Gerechten schlief. Alle Versuche, ihn zu wecken, waren vergeblich, und so mußte ich mich denn bequemen, dem Herrn Oberst wenigstens zu antworten. Ich dankte in meinem Schreiben für die ehrenvolle Aufforderung und das Vertrauen, daß man ich mich setze, bedauerte aber, die Musikmeisterstelle mit Rücksicht auf meine Jugend und die meiner Ansicht nach mangelhafte Qualifikation für jetzt nicht annehmen zu können. Bereits am anderen Tage erhielt ich indessen schon die Antwort des Obersten, der mir kurzweg erklärte, daß ich jedenfalls mit meinem Prinzipal Rücksprache genommen habe, der mich aus Eigennutz zurückhalten wolle und mir jedenfalls auch die gestrige Antwort diktiert habe. Ich solle kein Tor sein und dem wohlgemeinten Rate des Obersten folgen.

Auf alle Fälle möge ich ihn aber in Aschersleben besuchen, um persönlich mit ihm Rücksprache zu nehmen und ihm zugleich mitzuteilen, woher die Musikinstrumente und die Musikalien zu beziehen seien. Ich möge mich zur Reise der königlich westfälischen Post auf Kosten des Regiments bedienen. Als ich nun am folgenden Tage stolz in der königlichen Post vor dem Hause des Obersten vorfuhr, erlitt meine Zuversicht einen ziemlichen Stoß, als mich die Schildwache gewaltig andonnerte, wer ich sei und wie ich es wagen könne, so dicht am Hause vorzufahren. Nachdem ich den braven Krieger genügend aufgeklärt hatte, wurde ich dem Oberst sofort gemeldet und ohne Aufenthalt vorgelassen. Herr von Heßberg empfing mich sehr freundlich und sprach seine Verwunderung aus, wie ich mich überhaupt noch besinnen könne, sein so vorteilhaftes Anerbieten nicht ohne weiteres anzunehmen. Er habe sehr viele Bewerber für die Stelle, wünsche dieselbe aber nur mit einem Musiker zu besetzen, der so gute Empfehlungen beibringen könne, wie ich sie aufzuweisen habe. Alle meine Gegenreden, ich passe durchaus nicht zum Soldaten, habe Angst, ein Pferd zu besteigen, und wäre vollständig ungeübt im Gebrauch der Waffen, ließ der Oberst nicht gelten und lachte mich geradezu aus: Sehen Sie mich an, erwiderte er, ich bin 28 Jahre alt (nach Lünsmann, S. 243 wurde Heßberg allerdings schon 1775 geboren, war also 35 Jahre alt. TH), kaum so groß wie Sie, und habe schon einen Feldzug in Spanien hinter mir. Und wie schnell bin ich avanciert? Wollen Sie ewig in Quedlinburg in abhängiger Lage und in Kondition bleiben? Nur der Soldat gilt heutzutage etwas, fügen Sie sich in die Zeitverhältnisse und scheiden Sie aus dem bürgerlichen Stande aus. Reiten, fechten und schießen werden Sie bei uns schon erlernen, mit etwas gutem Willen lassen sich diese Fähigkeiten bald aneignen.

Hiernach fragte er mich, ob ich Flöte blasen könne und forderte mich, nachdem ich diese Frage bejaht hatte, auf, mit ihm ein Duett zu blasen. Er wählte mir wohlbekannte Sachen von Devienne und Koehler aus und rief, nachdem ich diese Probe zu seiner größten Zufriedenheit bestanden hatte, freudig erregt aus: Sie kommen nicht wieder nach Quedlinburg. Sie heißen von heute ab Musikdirektor des 2. westfälischen Husaren-Regiments. Ich war sehr verlegen, denn ich hatte eine Höllenangst und bereute sehr, hierher gekommen zu sein. Unsere weiteren Verhandlungen wurden durch den Eintritt des Majors von Gautsch (Gotsch? TH) unterbrochen, den unser Flötenspiel herbeigelockt hatte. Dieser sprach gleichfalls seine Anerkennung über mein Spiel aus, und wir setzten uns alsdann zum Frühstück nieder. Nach Beendigung dieses wurde ich aufgefordert, mit zur Wachtparade zu gehen, und hier wurde ich dem Offizierkorps bereits als neuer Musikdirektor vorgestellt. Alle meine Versuche, mich seitwärts in die Büsche zu schlagen, waren vergebens; die Offiziere bestürmten mich auf die Aufforderung des Obersten hin mit Bitten, beim Regiment zu bleiben, und schließlich erklärte mir Herr von Heßberg, ich sei sein Gast, müsse bei ihm dinieren, und am Abend würde er die Trompeter des Husaren-Regiments zu einer Probe antreten lassen, bei welcher Gelegenheit ich die tüchtigsten Leute für das Musikkorps auswählen möge. Bei der Tafel fanden sich Generalmajor von Hammerstein (...), sechs bis acht Rittmeister und der Adjutant Major von der Malsburg ein und man überhäufte mich mit Ehren dermaßen, daß ich richtig bei aufgehobener Tafel den Kontrakt unterschrieb. Nur ein Leutnant Schwenke, gebürtig aus Einbeck, eines Pastors Sohn, warnte mich und riet mir zur Überlegung." Einmal angeworben, organisierte Klinkhardt zur Zufriedenheit seines Kommandeurs das Musikkorps. Die nachfolgende Abbildung 5 zeigt einen Trompette-Major des Regiments.

Abbildung 5: Trompette-Major des 2. westfälischen Husaren-Regiments, ca. 1810-1813 (unbekannter Künstler)

1812 ging Klinkhardt mit dem Regiment nach Russland, wo er auch den Säbel gelegentlich anwenden musste. Beim Rückzug hatte er das große Glück, von v. Heßberg am 20. Oktober nach Aschersleben vorausgeschickt zu werden, um dort das Musikkorps neu zu organisieren. Von Dorogobusch ab nahm ihn ein Bekannter mit, der als westfälischer Kurier express nach Magdeburg reiste, so dass Klinkhardt wie durch ein Wunder der russischen Katastrophe entrann und bis Warschau gelangte. Hier verließ ihn der Kurier und Klinkhardt schlug sich alleine bis Posen durch. Dort verließen ihn seine Kräfte; er hatte aber das Glück, bei der Familie eines dortigen Musikers in Pflege und von dort im Hause eines Grafen von Unruhe, der ebenfalls Musikliebhaber war, unterzukommen. Als Klinkhardt Befürchtungen äußerte, daß er Soldat sei und sich nach seiner Heilung in Aschersleben melden müsse, wurde ihm entgegnet, "darum kümmern Sie sich nicht, der Arm des Grafen reicht weit, außerdem gibt es wenige gute Quartettspieler, aber viele Soldaten". Trotzdem hielt es Klinkhardt nicht mehr lange bei seinem Gönner; er folgte den Resten des Regiments und gelangte im Frühjahr 1813 nach Aschersleben, wo aus dem Stamm von etwa 40 aus Russland heimgekehrten Husaren das Regiment neu formiert wurde. Klinkhardt gelang es, mit zwölf Mann wieder ein Musikkorps zu bilden. Da er aber erneut erkrankte, konnte er mit dem Regiment nicht wieder ins Feld rücken (das Regiment ging nach dem Waffenstillstand unter Anführung des Generals v. Hammerstein zu den Österreichern über). Nach der Schlacht von Leipzig nahm Klinkhardt preußische Dienste, zunächst als freiwilliger Jäger, dann als Musikmeister beim 1. Elbregiment (später 26. Linienregiment). 1814 kämpfte er in Holland. Nach längerer Kantonnierungszeit am Niederrhein war das Regiment 1815 bereits auf dem Rückmarsch nach Preußen, als auf die Nachricht von der Entweichung Napoleons von Elba das Regiment wieder umkehren musste. Nachdem Klinkhardt von der Niederschlagung der Meuterei der sächsischen Truppen bei Lüttich berichtet, schildert er seine Teilnahme an den Schlachten von Ligny und Waterloo, dem verlustreichen Gefecht von Namur (vergleiche weiter oben Borcke) sowie den Belagerungen der Festungen Avesnes, Philippeville und Givet. Nach der Rückkehr in die Heimat im Jahr 1816 nahm Klinkhardt seinen Abschied und wirkte als Hofmusikus des Herzogs Alexius Friedrich Christian von Anhalt-Bernburg. Das Todesjahr Klinkhardts konnte nicht ermittelt werden.

Karl August Unico v. Lehsten-Dingelstädt: Am Hofe König Jérômes

Karl August Unico v. Lehsten, geb. 1794 als Sohn des kurhessischen Majors und späteren Generals Ludwig August Detlef v. Lehsten, trat mit 13 Jahren ins westfälische Pagenkorps ein. Seine Erinnerungen, im Stile einer Nacherzählung von Otto v. Boltenstern herausgegeben [17], überliefern uns ein treues Bild des westfälischen Hofes, insbesondere natürlich vom Dienst der Pagen und – da die Pagen meist in den Militärstand übertraten – der jungen Offiziere.

Eingangs einige Bemerkungen zum Pagenkorps, nach Lünsmann [3], S. 73: Die Pagen gehörten zum ´Maison du Roi´ und unterstanden dem Hofmarschallamt. Die Zöglinge entstammten zum größten Teil dem Adel des Landes. Dazu kamen noch eine Anzahl Franzosen. 1810 waren von 21 Pagen sieben Franzosen, 1813 von 26 Pagen sieben Franzosen und einer Spanier. Das Haus stand unter Leitung eines Gouverneurs, diesem unterstanden zwei Untergouverneure. Vierzehn Professoren, teilweise von der Artillerieschule, leiteten die wissenschaftliche Ausbildung. Der Unterricht erstreckte sich auf Mathematik, Befestigungslehre, Planzeichnen, Geschichte, Geographie, Französisch, Religion (dieses Fach wurde eher nachlässig betrieben), Zeichnen, Reiten, Fechten, Tanzen, Schwimmen, Exerzieren, Artilleriedienst und Feldmessen. Der gesamte Unterricht wurde mit Ausnahme von Religion französisch erteilt. Sieben Pagen taten täglich Dienst bei Hofe, davon zwei als Reitpagen, sie schliefen des Nachts, bis zu ihrer Ablösung um 8 Uhr morgens, im Schlosse, und zwar in den Vorzimmern des Königs und der Königin. Mit 16-17 Jahren trat dann ein Teil der Pagen als Unterleutnants zur Armee über.

Von Lehsten begleitete 1812 König Jérôme im Feldzug nach Russland und sollte dort als Offizier beim 2. Husarenregiment einrangiert werden. Als Jérôme sich jedoch entschloss, nach Kassel zurückzukehren, durften aufgrund der Fürsprache des Grafen von der Malsburg die Pagen v. Lehsten und v. Praun den König nach Hause begleiten, was den beiden jungen Leuten wohl das Leben rettete. Am 15. November 1812, dem Geburtstage des Königs, erfolgte dann die Entlassung Lehstens aus dem Pagenhause und die Anstellung als Unterleutnant beim 2. Chevauleger-Regiment. Das Regiment wurde kurz darauf zum Garde-Chevauleger-Regiment erhoben. Da alle Vakanzen schnell aufgefüllt werden mussten, wurde Lehsten bald zum Premier-Leutnant befördert und besaß somit (als Garde-Offizier) bereits den gleichen Rang wie ein Rittmeister der Linie. Mit dem Regiment zog er dann in die Kampagne von 1813. Wir geben einen Auszug aus den Erinnerungen [17], S. 124f, von der zweiten Augusthälfte 1813, kurz vor der Schlacht von Großbeeren.

Lehsten schreibt: "Täglich hatten wir kleine Scharmützel, meist mit Kosaken, doch auch mit preußischen Husaren. In rote Litewken gekleidete Lanciers (vielleicht vom preußischen Freikorps Hellwig? TH) tiraillierten häufig gegen uns. Sie waren sehr kühn und gingen rücksichtslos gegen uns vor, obwohl sie nicht so waffengeübt wie unsere Leute waren. Wie sehr wir gemißbraucht wurden, zeigt ein Auftrag, feindliche Infanterie mitten im hohen Kiefernwald anzugreifen. Diese Attacke konnte nur auf einem schmalen Waldweg in der Breite von vier Mann Front bewerkstelligt werden. Die feindliche Infanterie stellte sich ruhig hinter die Bäume und gab ihr Feuer auf zwanzig Schritt Entfernung ab. Viele Leute und Pferde wurden angeschossen und stürzten. Unverrichteter Sache mussten wir zurückgehen. Die roten Lanciers sprengten uns nach. Leutnant Egena (Eggena lt. Lünsmann. TH) und Winckler wurden vom Pferde gestoßen. Egena erschien nach einigen Tagen wieder. Er war durch einen Lanzenstich in die Seite getroffen, hatte sich vom Pferd geworfen, war in das Dickicht gekrochen und kam dann wieder zu uns. Er drang wegen seiner Verwundung darauf, nach Kassel zurückkehren zu dürfen. Der General (Wolff. TH) bewilligte es gern. Wir verloren an ihm nichts. Winckler kam nicht wieder, er ist in preußische Dienste gegangen. Ich übernahm sein Pferd, einen polnischen Schimmel, ein tüchtiges Pferd, aber ein Durchgänger, welcher mir fast die preußische Gefangenschaft eingebracht hätte (...). Auf einer Ebene stehen zwei französische Chasseurregimenter. Wohl zweihundert Schritt vor der Mitte hält der Brigadekommandeur mit seinem Adjutanten. Wir rücken an ihrer rechten Flanke in Schwadronsabteilung im Trabe heran. Rechts von uns lassen sich Kosakenschwärme erblicken, welche einen Angriff auf die scheinbar nichts ahnenden Chasseurs beabsichtigen. Auf einmal jagt eine Abteilung von etwa zwanzig bis dreißig Kosaken an uns vorüber und stürzt sich wie Raubvögel auf den General und sein Gefolge und nimmt ihn vor der Front gefangen. Die Chasseurs jagen nach. Doch die Kosakenpferde sind schneller. Unser Tempo wird rascher, um den Kosaken den Weg abzuschneiden und ihnen ihre Beute wieder abzunehmen. Noch immer hielt uns Oberstleutnant Ducros geschlossen, obwohl wir schon im Galopp sind. Wir drängen vorwärts. Endlich hält nichts mehr den Eifer unserer Leute. Auseinanderfliegend hetzen wir hinterdrein. Der Schimmel brachte mich bald an die Spitze. Die Jagd geht durch niedriges Kieferngehege. Vor mir reitet ein Kosakenoffizier auf dunklem Fuchshengst. Er setzt herrlich über alle Hindernisse. Mein Schimmel ihm nach. Mit kräftiger Hand greife ich nach dem Patronentaschenriemen und suche den Kosakenoffizier rückwärts vom Pferd zu reißen. Er schlägt mit dem Kantschu auf seinen Fuchs ein. Schon fühle ich, daß mein Gegner im Sattel wankt. Ich wende mich um und sehe mich allein und ziemlich dicht vor einer Schwadron preußischer Husaren. Da muß ich loslassen und auf meine eigene Rettung bedacht sein. Der Schimmel aber will nicht von ihm lassen. Mit großer Mühe und Anstrengung erst konnte ich ihn im großen Bogen seitwärts lenken. Doch nun war ich der Gegenstand der Jagd. Zwanzig, dreißig Kosaken stürmen mir nach. Ich bekomme einen Lanzenstich auf den Helm, so daß ich bald vom Pferd gefallen wäre. Indes, bald wieder sattelfest, haue ich dem Kosaken auf den Arm, daß ihm die Lanze entfällt. Man schießt auf mich. Ich fühle einen brennenden Schmerz im Rücken unter dem Mantel, welcher gerollt über der Schulter hing. Immer enger wird um mich der Kreis. Da brausen mein Freund Barthelemy, Leutnant Basson und Unteroffizier Michaelis um eine Ecke des Waldes mit wütendem Geschrei. Die Kosaken stutzen und machen Kehrt; ich bin befreit. Vor uns liegt eine Satteltasche, aus der ein vielversprechender Propfen hervorlugt. Ich springe vom Pferd zur großen Überraschung meiner Befreier, welche jeden Augenblick die Rückkehr der Feinde erwarten. Doch schnell bin ich wieder im Sattel; zwei Flaschen vortrefflichen Rums waren die Beute. Die Ursache des Schmerzes im Rücken war eine Kugel, deren Kraft glücklicherweise durch den zusammengerollten Mantel abgeschwächt war. Die Kugel fand ich in der Uniform stecken. Die Löcher hat mein Mantel bis zu Ende behalten."

Nach dem Untergang des Königreichs Westfalen trat v. Lehsten in die kurhessische Armee und focht als Husarenoffizier in den Feldzügen von 1814 und 1815. Da sein Vater, der beim Kurfürsten in Ungnade gefallen war (s.o.), nicht rehabilitiert wurde, nahm der junge Lehsten 1818 den Abschied und zog sich ins Privatleben auf das väterliche Gut Lessendorf zurück. Er starb 1854.

Friedrich Wilhelm von Loßberg: Briefe des westfälischen Stabsoffiziers Friedrich Wilhelm von Loßberg vom russischen Feldzug des Jahres 1812

Über das Leben Loßbergs (auch Lossberg geschrieben) verfügen wir nur über die Skizze, die im Vorwort seiner "Briefe" [18], vom Herausgeber Christian Meyer gegeben wird: "Geboren am 19. November 1776, trat er 1790 in hessische Militärdienste, nahm als junger Offizier an den Feldzügen von 1792 - 1795 gegen Frankreich teil, schied 1799 aus, wurde aber 1803 wieder angestellt. Nach dem Zusammenbruch Preußens im Jahre 1806 beteiligte er sich an den Plänen einer allgemeinen deutschen Schilderhebung gegen das französische Joch, trat dann aber, durch die Verhältnisse genötigt, in westfälische Dienste und machte in diesen den Feldzug von 1809 in Sachsen als Kompagniechef, den von 1812 als Bataillonschef mit. (...) Nach dem Ende der westfälischen Herrschaft nahm er an den Feldzügen der Jahre 1814 und 1815 teil. Später zum Stadtkommandanten von Kassel und Kriegsminister ernannt, wurde er 1840 urplötzlich seiner Stellung enthoben und in den Ruhestand versetzt. Er starb 1. April 1848."

Für den russischen Feldzug bilden Loßbergs Briefe (die ursprünglich an seine in Deutschland zurückgebliebenen Verwandten gerichtet waren) eine wichtige Quelle, speziell zu den Schicksalen des 3. westfälischen Infanterieregiments. Wir bringen hier einen Auszug (S. 159ff), der sich auf die Schlussphase des Rückzuges der Großen Armee, die Etappe von Wilna nach Kowno (an der russischen Grenze) bezieht. Loßberg schildert, wie er einen Umweg um die am Berg Ponari westlich Wilna sich stauenden französischen Flüchtlinge und Bagagewagen findet, der ihm und seinen Leuten das Leben rettet: "Den 10. Dezember. Um vier Uhr Morgens, war ich wieder bei meiner alten Gesellschaft auf dem Wege nach Kowno. Auf dieser ziemlich breiten Straße, ungefähr 2 Stunden von Wilna, gab es einen Halt vor einem Defilee, welches eine Stunde lang, kaum für ein Fuhrwerk breit genug, von ziemlich hohen Bergen eingefaßt war, und sich erst da endigte, wo man einen sehr steilen mit jenen gleich hohen Berg erstiegen hatte. Dieses gab Veranlassung, daß sich die Szenen wiederholten, wie wir sie in Smolensk, Wilna und vorzüglich an der Berezina erlebt hatten. Die Menschen zu Wagen, zu Pferde und zu Fuß, welche sich früher auf der Chaussee ausgebreitet hatten, mußten sich jetzt zu der Ordnung bequemen, welche das Defilee gebot. Hierzu kam, daß die ganze kaiserliche, zum Theil mit Geld, namentlich Fünffranken-Stücken, beladene Bagage (wir werden in einem späteren Aufsatz über Schwarzburg-Sondershausener Memoiren auf diesen Vorfall zurückkommen. TH) den ebenso steilen als glatten Berg mit ihren kraftlosen Pferden nicht zu erklimmen vermochte und daher der Plünderung preisgegeben wurde, wobei die Habsucht abermals zu den scheußlichsten Unthaten besonders derjenigen führte, welche Waffen hatten und davon gegen die Unbewaffneten Gebrauch machten.

Mancher habsüchtige Thor fand seinen Tod durch Bajonettstiche und Kolbenschläge, ehe er den Mammon erreichen konnte; indeß ein Anderer, dem dieses Glück zu Theil wurde, soviel aufraffte, daß er, von der Last gebeugt, den Mühseligkeiten um so früher unterlag; wieder ein Anderer konnte sich dem Gewühle, worin ihn seine Geldgier verwickelt hatte, nicht entziehen und wurde dadurch von den verfolgenden Kosaken ereilt. Auch nicht in die leiseste Versuchung gerieth ich, auf diese Art mich bereichern zu wollen, sondern ich faßte die Gegend scharf in´s Auge, ob es nicht möglich sei, durch den mehrere Fuß hoch liegenden Schnee einen Nebenweg zu finden, wodurch ich mich nicht allein der Menschenmasse, worin ich wieder eingeklemmt war, entziehen, sondern dieser auch selbst zuvorkommen könnte.

Mit diesen Gedanken mich beschäftigend, sah ich 100 Schritte vorwärts eine Holzschneise, welche sich links vom Wege den Berg heraufzog, und bemerkte zugleich, daß in derselben nur die ersten 50 Schritte durch die Steilheit des Berges beschwerlich waren, man aber alsdann ziemlich gewonnen hatte, indem von diesem Puncte aus bis zur äußersten Höhe desselben (noch einige 100 Schritte) derselbe weniger steil wurde. Ohne diese Entdeckung laut werden zu lassen, befahl ich denen, welche mir folgten, nur dicht aufzuschließen, worauf ich, sowie ich neben die Schneise kam, mit ihnen bergaufwärts links ausbog und nun einen Weg einschlug, der, wie der Schnee deutlich verrieth, noch nicht betreten war. Bei den ersten 20 Schritten hätte ich beinahe mein Unternehmen wieder aufgeben müssen, denn meine Pferde (sie wurden an der Hand geführt) fielen bis an den Bauch in Schnee und mehrere andere schlugen um; dann aber war der Berg weniger steil und besonders lag der Schnee nicht mehr so tief. Nach 50 Schritten wurden die Schwierigkeiten, wie ich richtig bemerkt hatte, bedeutend geringer und nach ungefähr 250 bis 300 Schritten hatte ich den ganzen Berg erstiegen, worauf ich mich rechts drehete, auf dem Rücken desselben fortging und so, nachdem ich 1/2 Stunde auf demselben fortgegangen war, was ich vorher als ausführbar erkannt hatte, wieder in die Straße einlenkte.

Meine große Anstrengung und die Consequenz, womit ich den Abmahnungsgründen der mir Folgenden widerstand, wurde dadurch belohnt, daß ich die sich vor mir befindenden umging, indem nur erst sehr wenige einzelne Menschen und Pferde den Berg auf der Straße erstiegen hatten. Was mir gegenwärtig am meisten auffällt, ist, daß vor mir kein Mensch auf die Idee gefallen war, diesen Nebenweg einzuschlagen; als ich den Berg erstiegen hatte, was man wohl erst abwarten wollte, folgten mir eine Menge Fußgänger. Mancher Fou und Coquin etc. wurde mir, bis ich die ersten 50 Schritte gewonnen hatte, von den Franzosen nachgeschickt..."

Heinrich Friedrich von Meibom: Aus napoleonischer Zeit

Meibom, Jahrgang 1784, ist ein weiterer typischer Vertreter der Generation junger ambitionierter Offiziere, die in der westfälischen Armee Karriere machten und es in wenigen Jahren i.d.R. vom Leutnant bis zum Chef d´ Bataillon oder höher brachten (vergleiche auch Bauer, Boedicker, Borcke, Conrady und Loßberg). Seit 1800 in waldeckischen bzw. holländischen Diensten, trat er gemeinsam mit seinem Bruder 1808 als Leutnant in die westfälische Armee über, nachdem der frischgebackene König Jérôme unter Strafandrohung alle Offiziere in fremden Diensten, deren Geburtsort im Bereich seines Königreiches lag, zum Eintritt in seine Armee aufrief. Neben den Brüdern Meibom kamen aus Holland General Heldring, Oberst v. Uslar, die Brüder Ries, die Kapitäne Böking, v. Meyern, Graf v. Seiboldsdorf, die Leutnants Bode, Schuhmacher, Heinrich v. Hochberg u.v.a.

Meibom wurde zunächst als diensttuender Offizier im Kriegsministerium angestellt, dann am 1. März 1808 Adjutant des Generals von Heldring, am 5. Mai d. J. Kapitän in der Jäger-Garde, am 11. Juni 1810 Bataillonschef im 8. Infanterieregiment, am 5. November 1812 Major, am 6. Oktober 1813 – kurz vor dem Ende des Königreiches – noch Oberst des 7. Infanterieregiments. Am 24. Dezember 1813 wurde er mit Rückstufung um zwei Dienstgrade zum Major in der kurhessischen Armee ernannt. 1847 wurde er pensioniert.

Um den Korpsgeist der westfälischen Truppen und die – zumindest teilweise – vorhandene Begeisterung für den französischen Kaiser im Jahre 1812 zu charakterisieren, folgt ein Auszug aus den Erinnerungen Meiboms, beginnend mit dem Zurückbleiben seines (8.) Regiments in Pillau bei Königsberg im Mai / Juni 1812, während die Mehrzahl der westfälischen Truppen in die russische Kampagne zog [19], S. 109ff. "Unser Regiment blieb ungern zurück und bat seinen Obersten, seinen Wunsch, den Feldzug mitmachen zu dürfen, höheren Orts auszusprechen. Dies geschah zweimal. Das erste Mal schriftlich, das zweite Mal benutzte Oberst Bergeron die Anwesenheit des Generals Duroc, Adjutanten und Liebling des Kaisers, zu der Bitte, den Wunsch des Regiments dem Kaiser persönlich vorzutragen. Der General versprach, dies zu tun und notierte sich die Sache. Nach einigen Wochen wurde unser Regiment abgelöst und nach Königsberg verlegt. (...) Bald nach unserer Rückkehr (nach Königsberg, von einem Zug mit dem General Loison gegen eine russische Diversions-Bewegung. TH) erschien die schon lange erhoffte Order für unser Regiment, der Großen Armee zu folgen. Ich ließ die Marschroute anfertigen, war indessen sehr betroffen, als der General (Loison. TH) mir eröffnete, daß ich für meine Person zurückbleiben müsse. Allerdings versprach der General, mich ziehen zu lassen, sobald ein Nachfolger für mein Amt eingetroffen sei. Schweren Herzens sah ich mein Bataillon abziehen, hatte aber die Freude, dem Regiment noch einen wesentlichen Dienst leisten zu können. (...) Die momentane Trennung vom Regiment tat mir unendlich leid." Und über das Wiedersehen [19], S. 117: "Vom General Loison mit einer Feuille de route (Marschroute. TH), die auch die Lieferung eines Wagens mit vier Pferden enthielt, versehen, reiste ich von Königsberg zum Regiment ab. Ich holte es in der Gegend von Tilsit ein, wo es auf dem Marsch halt gemacht hatte. Meine Freude, das Regiment wiederzusehen, wurde durch den jubelnden Zuruf der Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten noch erhöht. Auch der Regimentskommandeur war über meine Rückkehr erfreut. Diesen herrlichen Augenblick werde ich nie vergessen."

Abschließend bringen wir das Fazit, mit dem Meibom seine Zeit im westfälischen Dienst charakterisiert und das wohl viele ehemals westfälische Offiziere hätten unterschreiben können: "Jedenfalls gehört die Zeit, in der ich in königlich westfälischen Diensten stand, zu den wichtigsten meines Lebens, nicht allein wegen des schnellen Avancements, sondern auch weil ich Gelegenheit fand, mich militärisch auszubilden, meine Kräfte zu entwickeln und vielfache Erfahrungen zu machen. Nicht durch enge Formen belästigt, wurde jedem in seinem Wirkungskreise ein ziemlich freier Spielraum gelassen, und für gut geleistete Dienste gab es in der Regel Anerkennung."

Franz Morgenstern: Kriegserinnerungen des Obersten Franz Morgenstern aus westfälischer Zeit

Morgenstern, geboren 1787 als Sohn eines verabschiedeten braunschweigischen Majors, wurde als 15jähriger Junker im braunschweigischen Infanterieregiment Prinz Friedrich. 1804 Fähnrich, wurde er im französisch-preußischen Krieg von 1806/07, obwohl das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg neutral geblieben war, als Kriegsgefangener in Metz interniert. Nunmehr westfälischer Untertan, konnte er sich der Dienstpflicht nicht entziehen und bat um Anstellung als Unterleutnant, die er am 3. Juli 1808 im 2. Westfälischen Linienregiment erhielt. Bereits 1809 musste er mit dem Regiment nach Spanien. Seine Erinnerungen [20] sind für den Historiker besonders interessant, da wir sowohl nur wenige Nachrichten von den ehemals braunschweigischen Offizieren in westfälischen Diensten als auch nur spärlich Memoiren von Westfalen auf dem spanischen Kriegsschauplatz besitzen.

Morgensterns Regiment wurde als Teil der westfälischen Division bei der Belagerung der Festung Gerona verwendet (s.o. Bauer, Boedicker). Die erste größere Bewährungsprobe für die jungen westfälischen Truppen sollte der Sturm auf das Fort Montjouy am 7. Juli 1809 werden. Hierzu wurden die gesamten Elite-Kompanien des Belagerungsheeres auserwählt. Die Kriegsbegeisterung war jedoch (noch) so groß, dass sich sogar Offiziere von den Zentrumskompanien meldeten, um freiwillig an dem Sturm teilnehmen zu können. Morgenstern schreibt über seine Feuertaufe: "Mit der ersten Dämmerung am fernen Horizonte erweckte uns der leise Ruf: ´auf!´, ´auf!´, welcher von Kompanie zu Kompanie sich fortpflanzte. Noch waren etwas entferntere Gegenstände nicht zu unterscheiden, als wir in lautloser Stille gegen das Ziel unseres Unternehmens heranrückten. ... Da – der erste Blitzstrahl eines vom Walle abgefeuerten Geschützes wirft eine Leuchtkugel vor uns nieder, welche urplötzlich die ganze Gegend taghell erleuchtet. Wie mit einem Zauberschlag erfüllt sich die Luft mit dem Donner der Geschütze und dem Geprassel des Gewehrfeuers von den nahen Wällen. Ein Hagel von Geschossen aller Art raset verheerend in unsere dicht gedrängte Kolonne. Gleichzeitig ertönt von unseren, am Abhange des Glacis sich aufstellenden Tambours, Pfeifern und Hornisten – mehr als hundert an der Zahl, der einfach dröhnende Sturmmarsch und aus der Kolonne ein tausendstimmiges Hurrah. Das erschütternde, sinnverwirrende Getöse steigert sich bis zum höchsten Grade durch das plötzliche Auffliegen des in geringer Entfernung in unserer rechten Flanke liegenden bastionierten Turmes St. Jean, in welchem eine explodierende Granate das Pulvermagazin entzündet hatte. Unsere 1. Grenadier-Kompagnie bildete auf diesem Angriffspunkte die Tete der Sturmkolonne. Vor derselben schritten der Oberst Müller mit einem jüngeren Divisionsadjutanten, unser Bataillonschef, Oberstleutnant d´Egremont, der Hauptmann v. Rudorff, der junge Anthony und ich. Unmittelbar vor uns hatte eine Abteilung französischer Genietruppen den Auftrag, Sturmleitern an den noch unversehrten Teilen des Mauerwerks aufzustellen, um die sehr unvollkommene Bresche erreichbar zu machen. Der unebene, felsige Boden, das verwirrende Getöse, welches jedes Kommandowort, jeden Zuruf unhörbar machte, und der schon beim ersten Anlaufe ungeheure Menschenverlust hatten schnell die taktische Ordnung der Sturmkolonne gelöst und solche in einen Menschenknäuel verwandelt, der unaufhaltsam nach vorn drängte. Wir hatten die Höhe des Glacis erreicht; aber zum Hinabsteigen in den tiefen Graben bot sich uns hier nur eine schmale in das Mauerwerk der ganz unversehrten Contreescarpe eingeschnittenen Appareille (Rampe. TH), auf welche kaum zwei Mann nebeneinander schreiten konnten. Dadurch entstand eine so verderbliche Stockung, dass der auf dem obern Rande des Glacis sich ausbreitende Menschenknäuel den feindlichen Geschossen eine über alle Maßen günstige Zielscheibe bot. Von der Bresche schleuderte eine dort aufgestellte Haubitze gleich Kartätschen wirkende zahllose Flintenkugeln der Sturmkolonne entgegen. Kartätschsalven raseten aus der Lunette, von der Courtine und von der Flanke des Nachbarbastions in dieselbe hinein. Gleichzeitig dirigierten alle Mörser und Haubitzen der Festung ihr Feuer auf die Stürmenden. Ein solches mörderisches Geschütz- und Musketenfeuer musste unfehlbar unter den unaufhaltsam Heranstürmenden furchtbar aufräumen. Noch bevor die Spitze der Kolonne die Sohle des Grabens erreichte, waren schon unser Führer, Oberst Müller, der Divisionsadjutant, der Oberstleutnant d´Egremont und mein braver Hauptmann v. Rudorff schwer verwundet gefallen. Der Graben war weder durch herabgerutschte Erde noch durch Faschinen auch nur teilweise ausgefüllt, und als wir hinabstiegen, machten wir die trostlose Entdeckung, dass die Mauer unter der Bresche nur mit wenigen, in weiten Zwischenräumen aufgestellten Leitern besetzt war, und dass die Leitern um Manneshöhe zu kurz waren. Am Fuße der Leitern empfingen uns alle denkbaren Zerstörungsmittel: Handgranaten, Überschüttungen mit brennendem Pech und Oel, herabrollende große Steinblöcke und explodierende Pulversäcke.

Ich ergriff eine Sprosse der vor mir befindlichen Leiter; aber im nämlichen Augenblicke empfand ich einen erschütternden Schlag auf die rechte Schulter, der mich augenblicklich zu Boden warf. Mit Hilfe eines mich aufrichtenden Grenadiers erreichte ich die Futtermauer des nahen halben Mondes, wo ich ziemlich außerhalb der Schusslinie war, und sank ohnmächtig zusammen. Nachdem ich meiner Sinne wieder mächtig war, fand ich meinen rechten Arm völlig bewegungslos an Leib und Brust festliegend hinaufgezogen. Meine das Säbelgefäß umklammernde rechte Hand ruhete unter der linken Schulter. Blutspuren bemerkte ich nirgend. Ich war gänzlich kraftlos, empfand aber keinen bedeutenden Schmerz. So beruhigte ich mich nach und nach und konnte meine volle Aufmerksamkeit der Scene zuwenden, die sich vor mir entwickelte. Noch immer entströmten der schmalen, in den Graben führenden Appareille Massen von Heranstürmenden, welche ihrer Offiziere beraubt ratlos ein nutzloses Feuer gegen die Brustwehr richteten. Dennoch wurden von einzelnen Braven Versuche gemacht, selbst mit den ungenügendsten Hilfsmitteln die Bresche zu gewinnen. Sie erreichten wohl hin und wieder ihr gefährliches Ziel, fanden aber in ihrer Vereinzelung den sicheren Tod. Dort auf der Brustwehr soll auch mein braver Anthony den Heldentod gefunden haben. Das mörderische Feuer lichtete schnell die aufgelösten Reihen unserer Soldaten, welche endlich, fast ohne Führer, die Nutzlosigkeit ihres Plackerfeuers erkennend, den Rückweg zu suchen begannen. Diesen Zeitpunkt musste auch ich selbst wahrnehmen, um mich meiner peinlichen Lage zu entziehen. Dazu musste ich mich allerdings von Neuem dem feindlichen Feuer aussetzen. Nach wenigen Schritten hatte ich indessen die mit Leichen bedeckte Appareille erreicht. Von flüchtig vorübereilenden bedrängt, nur eines Armes mächtig, bei jedem Schritte strauchelnd oder durch Anstoß niedergeworfen, blieb ich am Fuße der Rampe völlig kraftlos liegen. Gegen die Mauer der Contreescarpe gelehnt, verharrte ich dort in sitzender Stellung. Da erschallt neuerdings der dröhnende Sturm-Marsch der Tambours und Hornisten. Mit tausendstimmigem Hurrah stürmen neue Scharen in den Graben hinab. Es war der tapfere Oberst Muff, welcher bei nunmehr herangebrochenem Tageslichte die an der Queue der Sturmkolonne befindlichen Voltigeur-Kompagnien gesammelt zu erneutem Sturme heranführte. Die Flüchtigen mit sich fortreißend stürmte er der Bresche entgegen. Meine Lage war unerträglich. Jeder, der an mir Vorübereilenden machte mich, der ich fest an die Mauer gelehnt dasaß, zum Stützpunkte, erfasst meine zerschossene Schulter und verursacht mir rasenden Schmerz. Sie sind vorüber! Ach, auch diese Braven erwartet das gleiche Missgeschick. Schon gewahre ich zurückkehrende Verwundete. Jetzt litt es mich nicht mehr auf meinem Schmerzenslager. Ich raffe mich auf und erreiche endlich mühsam fortkriechend den Kamm des Glacis. Weiter schwankend, erblicke ich vor mir sitzend, meinen treuen Burschen, den Grenadier Riechel, welcher sich bemüht, sein Taschentuch um seinen verwundeten linken Arm zu knüpfen. Er erkennt mich, springt auf, sein gesunder Arm umfasst meinen gleichfalls gesunden linken Arm, und so leitete er mich zu der einige hundert Schritte entfernten Ambulance. Auch hier erwartet mich eine erschütternde Szene. Der Chirugien-major Schuller von unserem Regimente war eben im Begriffe die Wunde meines braven Hauptmann v. Rudorff zu untersuchen. Sie war tödlich – eine Kartätschkugel war tief in den Unterleib eingedrungen. Der Hauptmann, von Schmerz zerissen, fragte mich nach meiner Verwundung, dann aber nach dem Resultat des Sturmes. Ohnerachtet meiner Überzeugung vom Gegenteile wollte ich doch dem Sterbenden den letzten Trost nicht rauben und erwiderte, dass ich die feste Hoffnung hegen dürfe, dass der erneuerte Versuch des Oberst Muff gelungen sein werde. Noch während sich der Arzt mit mir beschäftigte, verschied der brave Hauptmann, dem ich eine bittere Träne nachweinte. Meine eigene Verwundung erwies sich als eine starke Kontusion. Der krampfhaft geschlossenen Hand konnte der Säbelgriff nur gewaltsam entwunden werden. Der Arzt zerrte den Arm auf schmerzhafte Weise hin und her, drückte und betastete die Schulter nach allen Richtungen und gab dann die Versicherung, dass das Schlüsselbein nicht wesentlich verletzt sein könne, obgleich es die ganze Wucht des Schlages irgend eines Projektils aufgenommen habe. Vorläufig legte er eine Bandage an. Meines Burschen Fleischwunde wurde verbunden. Dann wurden wir Beide in das Feld-Hospital zu Sarria entlassen."

1810 durfte Morgenstern, inzwischen zum Adjutant-Major ernannt, mit den Kadres der zweiten Bataillone nach Westfalen zurückkehren. Im März 1812 marschierte Morgenstern, nunmehr Hauptmann und Kompaniechef im 2. Regiment, nach Russland, von wo er im Februar 1813 wieder glücklich heimkehrte. Nach schwerer Krankheit ging er im Juli an der Spitze der Grenadierkompanie des 2. Bataillons wieder ins Feld und war am 11. November 1813 Zeuge der Kapitulation von Dresden. Über den bewegenden Moment der Trennung von den Franzosen in westfälischen Diensten berichtet Morgenstern: "Nach Inhalt der Kapitulation war den Rheinbundstruppen Entlassung in Ihre Heimat zugesichert worden. Behufs offizieller Bekanntmachung wurden am 12. November die Offiziere der Brigade in die Wohnung des Brigade-Kommandeurs, des französischen Generals Bernard, beschieden. Dieser Franzose hatte die Frechheit, den Offizieren zuzumuten, ihm nach Frankreich zu folgen und dort die Wiederherstellung des Königreiches abzuwarten. Keiner natürlich ging darauf ein. Da aber entlud sich der lange verhaltene Ingrimm des Franzosen zu rücksichtslosen Schmähungen. Immer höher steigerte sich die Leidenschaftlichkeit dieses Mannes, bis er endlich erschöpft, fast atemlos, in schmerzlichen Ausrufungen endete und der Regiments-Kommandeur, Oberst Picot, uns Offizieren einen Wink gab, uns zu entfernen. Der kameradschaftliche Zusammenhalt des Offizierkorps war leider nicht mehr so fest, um ein völlig gemeinsames Handeln gegenüber solch empörender Kränkung zustande zu bringen. Nur die Kapitäns von Meibom (Bruder von Heinrich Friedrich von Meibom. TH), v. Falkenberg, Bride, der Adjutant-Major Stiehle und die Leutnants v. Specht und Illing vereinigten sich mit mir, den General zu zwingen, die Beleidigung zurückzunehmen. Im Weigerungsfalle sollte um das Pistolenduell mit ihm gelost werden. Ich war als Sprecher auserwählt und entledigte mich mit großer Ruhe dieser Aufgabe. Trotzdem erging sich der General von neuem mit ungezähmter Heftigkeit in einem endlosen Wortschwalle. Hauptmann v. Falkenberg konnte sich zuletzt nicht mehr halten. Aus dem Kreise vortretend, rief er: ´Was sollen wir uns noch länger an der Nase herumführen lassen!´ Kaum hatte aber Bernard diesen Ausspruch vernommen, als er uns entgegendonnerte: ´Que veut-il, ce Monsieur de Falkenberg, veut il se battre avec moi? Allons donc, j`y suis!´, und mit einem Satze sprang der behende Franzose auf einen an der Wand stehenden Tisch, riss ein paar hochhängende Pistolen herunter, und herabspringend, drängte er dem Hauptmanne eine Pistole in die Hand. Da ergriff ich, die Gefahr eines schlimmen Ausganges erkennend, falls das Rencontre im Zimmer des Generals gegen alle Regeln zu Stande kam, schnell das Wort und sagte laut aber ruhig in deutscher Sprache: ´Die Ehre, sich mit Ihnen, Herr General, zu schießen, haben wir demjenigen vorbehalten, für den sich das Los entscheidet.´ Diese Worte machten einen entschieden günstigen Eindruck. Inzwischen erschien auch unser braver Regiments-Kommandeur, Oberst Picot. Er fasste seinen Landsmann sanft am Arme und zog ihn in ein Nebenzimmer. Nach gar nicht langer Zeit traten Beide wieder ein. Mit voller Ruhe eröffnete uns nun der General Bernard, sein Freund, unser würdiger Oberst, habe uns das Zeugnis der vollkommensten Ehrenhaftigkeit und Diensttreue gegeben, er nehme keinen Anstand, diese Erklärung uns gegenüber als die seinige anzuerkennen. Um so mehr habe er zu bedauern, dass er wahrscheinlich für immer von uns scheiden müsse. Das war unser Abschied aus dem Dienste des Königs von Westfalen."

Morgenstern ging sofort nach Braunschweig zurück und erhielt bereits am 25. November 1813 die Wiederanstellung als braunschweigischer Offizier, allerdings nur als Premier-Leutnant. Am Feldzug 1815 nahm er als Adjutant des Generals Wolfermann teil, der nach dem Tode des Herzogs von Braunschweig bei Quatrebras das Kommando der Braunschweiger übernahm. 1830 erhielt Morgenstern das Kommando eines Bataillons und kam 1837 in den Generalstab. 1841 Oberstleutnant, wurde er 1845 Oberst, 1847 Direktor des Kriegskollegiums und 1848 Chef des Kriegs-Departements im Staatsministerium. 1851 trat er in den Ruhestand und verstarb 1869.

Christian Normann: Aus den Papieren eines alten Offiziers

Normann, Jahrgang 1794, trat als 1811 als Eleve in die westfälische Artillerieschule ein. Im Dezember 1812 (nach Lünsmann) bzw. im Januar 1813 (nach den Memoiren) zum Sekondelieutenant ernannt, erhielt der 18-jährige das Kommando in einer neu zu errichtenden Artilleriekompanie (die Kompanien formierten jeweils eine Batterie). Nach einem Zug gegen ein Streifkorps der Verbündeten in Westfalen im Frühjahr 1813 wurde Normanns Batterie kurz vor dem Waffenstillstand mobil gemacht und nach Sachsen in Marsch gesetzt. Beim Ablauf des Waffenstillstandes stand die Batterie in Dresden, so dass sie auch bei der am 25./26. August 1813 beginnenden Dresdner Schlacht sofort ins Feuer kam. Die Batterie war auf die Redouten Nr. 6 und 7 am rechten französischen Flügel mit je drei 6-pfündigen Kanonen, einer 7-pfündigen Haubitze und zwei Zwölfpfündern (die aus dem Dresdner Zeughaus stammten) verteilt worden. Normann erzählt [21]: "Kaum in der Redoute angekommen, wurden wir von österreichischen Jägern, welche sich in den Chausseegraben herangeschlichen haben, beschossen. Wir suchten und fanden zwar Schutz hinter der Brustwehr, doch wurden mehrere von der Besatzung verwundet. Obschon wir demnach ganz unerwartet sofort in Thätigkeit gesetzt und in Spannung erhalten wurden, auch nur einen verhältnismäßig geringen Verlust hatten, so überfiel mich doch eine gewisse Bangigkeit hinsichtlich der noch kommenden Ereignisse, welche mich nicht zu einem rechten Bewußtsein unserer Lage kommen ließ. In diesem Zustand verblieb ich auch die folgende Nacht hindurch. Derselbe änderte sich erst des anderen Tags, den 26. August, als gegen unsere Redoute drei österreichische Batterien, also gegen je zwei von unseren Geschützen, welche zu zwei in den drei Spitzen standen und über Bank feuerten, eine Batterie auffuhr und ihr Feuer eröffnete. Nun wurde unsere ganze geistige und körperliche Thätigkeit in Anspruch genommen. Die Spannung steigerte sich, die Bangigkeit verlor sich, und obschon das Feuer der Geschütze wahrhaft mörderisch war, der Donner derselben den Boden erschütterte und wir viele Leute verloren, auch uns zwei Geschütze demolirt wurden, so gewahrte ich diesen großen Verlust erst Abends nach eingestelltem Feuer. Denn obgleich auch neben mir Leute verwundet und getödtet wurden, meine ganze Aufmerksamkeit konnte wegen der Größe der Gefahr nur auf meine Dienstverrichtung gefesselt sein.

Gegen 11 Uhr war die Redoute Nummer 6, links vor uns gelegen, vom Feinde genommen. Derselbe drang nun von da aus in die Friedrichstadt ein, welche schon an einigen Orten brannte.

Auch wir fürchteten in der Redoute Nummer 7 gleiches Schicksal, umsomehr, als wir den Feind schon im Rücken hatten, als gegen Mittag zwei reitende Batterien, wovon die eine die mit uns ausgerückte westphälische Batterie war, aus der Stadt vorrückten, sich rechts und links neben unserer Redoute placirten, ihr Feuer eröffneten und so zwei von den uns gegenüberstehenden österreichischen Batterien in die Flanke nahmen. Diese beiden mußten daher Schwenkungen rückwärts machen, wodurch wir Luft erhielten, und nun wurde auch nach einem heftigen Geschützfeuer die Redoute Nummer 6 durch die herangerückte französische Infanterie im Sturm dem Feinde wieder entrissen. Diese unerwartete Hülfe war durch den Kaiser selbst herbeigeführt, der mit seinen Garden und einem Cavalleriekorps eilig zum Entsatz von Dresden herangerückt war und dem im Verlauf des Tages noch mehrere Corps folgten. (...)

In der darauf folgenden Nacht regnete es mäßig, fing aber gegen Morgen stärker an. Während dessen rückten fortwährend unsere Truppen aus der Stadt und stellten sich zwischen und hinter den Redouten in Schlachtordnung auf, die Batterien vorschiebend. Mit den zuerst ausgerückten Truppen kam der Kaiser, sowie sein glänzendes Gefolge und begab sich in unsere Redoute, um sich die Stellung des Feindes auf den gegenüberliegenden Höhen zu besehen. Er sendete den Marschall Berthier an mich, welchem ich über die am vorhergehenden Tage stattgehabten Ereignisse Mittheilung machen mußte."

Der Herausgeber und Enkel Normanns bemerkt hierzu: "Mein Großvater verschweigt hier aus Bescheidenheit eine ihm zu Theil gewordene glänzende Auszeichnung. Er wurde nämlich, nachdem Napoleon über die Vertheidigung der Redoute Näheres gehört, dadurch geehrt, daß der Kaiser mit seinen Generalen an ihm vorbeiritt, den Hut abnahm und die Generale veranlaßte, das Gleiche zu thun. (..) Außerdem ordnete Napoleon auf der Stelle die Eingabe meines Großvaters zur Ehrenlegion an."

Die Überreste der Batterie Normanns kamen nach der Dresdner Schlacht zur Alten Garde und machten mit dieser noch einige Hin- und Herzüge zwischen Sachsen und Schlesien mit, bei denen die Entbehrungen sich immer mehr steigerten. Normann berichtet folgenden charakteristischen Zug: "Während die Gardegrenadiere den Kaiser, wenn er des Morgens frühe auf seinem Schimmel mit seinem Gefolge an ihrer Linie herunterritt, murmelnd mit einem ´Vive l´ Empereur´ begrüßten, schrieen auf einer anderen Seite die jungen Soldaten der Linie ´Vive la pomme de terre´. Der Geruch, welchen letztere verbreiteten, war der Art, daß man deren Ankunft schon aus der Ferne gewahr wurden".

Schließlich blieb die Batterie wieder in Dresden, wo Normann in österreichische Gefangenschaft geriet. Aus dieser konnte er Ende 1813 in seine Heimat zurückreisen. Normann wurde als Premierlieutenant in der wieder errichteten hessischen Artillerie angestellt und marschierte 1814 mit der dritten marschfertigen Batterie (Hauptmann Schulthes) nach Frankreich aus, wo die Batterie dann bei der Belagerung Luxemburgs verwendet wurde. 1815 wurde Normann mit seiner Batterie erneut mobilisiert und wieder bei Festungsbelagerungen verwendet (Charleville, Mezieres).

Der zweite Teil der Memoiren behandelt die kurhessische Zeit von 1815 bis 1849. Normann wurde 1819 Hauptmann, 1821 Batteriechef und als solcher in mehreren Kommissionen, die sich mit Rüstungsfragen beschäftigten, tätig. 1833 zum Major, 1838 zum Oberstlieutenant befördert, wurde er 1840 in das Kriegsministerium abgeordnet und 1843 in den Generalstab versetzt. 1847 erhielt Normann den Charakter als Oberst. Nach der Revolution von 1848 brach der Krieg mit Dänemark aus. Normann wurde 1849 Kommandeur der Artillerie der Bundestruppen (sächsische, braunschweigische, nassauische, oldenburgische usw.) in Schleswig-Holstein. Im letzten Teil der Erinnerungen sind die Briefe an seine Frau aus dieser Zeit abgedruckt. Von diesem ehrenvollen, aber auch aufreibenden Kommando zurückgekehrt, bat Normann um Versetzung in den Ruhestand. Er starb 1866.

Eduard Rüppell: Kriegsgefangen im Herzen Rußlands

Eduard Rüppell (nach anderen Quellen, z.B. Lünsmann: Rüppel) wurde 1792 als Sohn eines landgräflich-hessischen Regierungsrates geboren. Er besuchte die 1808 errichtete Militärschule in Braunschweig und wurde 1810, mit 18 Jahren, Unterleutnant im neu errichteten 2. westfälischen Husarenregiment (vgl. Klinkhardt), das in Aschersleben stationiert war. Mit diesem Regiment ging er 1812 in den russischen Feldzug. Seine Schilderungen der kriegerischen Begebenheiten reichen bis zur Schlacht von Walutina Gora am 19. August 1812 [22], in der er von russischen Husaren gefangen genommen wurde.

Vom Schlachtfeld wurde Rüppell in Tagesmärschen von ca. 25-30 km über Borodino, Moskau, Wladimir, Simbirsk bis nach Orenburg (nach damaligen Begriffen an der europäisch-asiatischen Grenze) gebracht. Von dort wieder ein Stück westwärts nach Busuluk verlegt, verlebte er den größten Teil des Jahres 1813 in vergleichsweise angenehmen Verhältnissen bei der russischen Großgrundbesitzerfamilie Plemjänikoff und deren Verwandtschaft (Rüppells Bruder, der im westfälischen Garde-Chevaulegers-Regiment stand und ebenfalls gefangen war, verbrachte seine Gefangenschaft in Saratoff an der Wolga). Rüppell, ein guter Beobachter, schildert sehr detailliert die Lebensverhältnisse der Oberschicht, aber auch der Leibeigenen und einfachen Bauern sowie der städtischen Bevölkerung.

Nach der Völkerschlacht kam Ende 1813 der Ukas, alle deutschen Offiziere wieder nach Hause zu schicken, damit diese wieder in den deutschen Heeren fechten konnten, selbstverständlich nun gegen Napoleon. Rüppell wurde mit einem großen Transport (über den uns auch Berichte aus der Feder des Hessen-Darmstädters Peppler [23] und des Württembergers Yelin [24] vorliegen) über Bjalystok nach Hause geschickt, wo er Anfang 1814 wieder eintraf. Seinem Gesuch, in die neu errichtete kurhessischen Armee einzutreten, wurde nicht entsprochen, was Rüppell aber weiter nicht betrübte, da ihn die Verhältnisse in diesem Heer (das als einziges deutsches wieder den sprichwörtlichen Zopf eingeführt hatte) abstießen. Rüppell ging nach Wien und trat in das Regiment Schwarzenberg-Ulanen ein, mit dem er den Feldzug 1815 mitmachte; u. a. lag er vor der französischen Festung Belfort. Als Oberleutnant verabschiedet, verheiratete er sich 1818 und wurde 1830 Kanzlist bei der Fürstlich Thurn und Taxis´schen Generalpostdirektion in Frankfurt a. M., 1830 daselbst Regieverwalter. Diese Stelle hatte er bis zu seinem Tod 1863 inne, also bis zu seinem 71. Lebensjahr.

Aus den Erinnerungen Rüppells [22] bringen wir abschließend die Schilderung seiner Gefangennahme bei Walutina Gora, siehe hierzu auch meinen Aufsatz [25]. Wir beginnen mit dem Moment, da die westfälische leichte Kavalleriebrigade bei einem Defilee ins Gefecht kommt. "Erst als man in großer Ferne (...) eine bedeutende Kavallerie-Kolonne hervorbrechen sah, die in schönster Ordnung im Galopp aufschwenkte und auf beiden Flügeln mit Artillerie bedeckt war, bekam unsere Brigade Order, sofort das Defilee zu passieren und die russische Kavallerie zu werfen. Die Chevaulegers-Garde ging zuerst hinüber, aber da, wie gesagt, der Weg hinab und wieder hinauf äußerst schmal und steil war, so ging viel kostbare Zeit verloren und kamen die Regimenter nur einzeln nacheinander auf dem Kampfplatz an. Bevor unser Regiment eintraf, hatten die braven Chevaulegers-Garde und das 1. Husaren-Regiment bereits zwei Chargen ausgeführt, die aber, da sie en echelons (staffelförmig. TH) erfolgten, kein Resultat hatten, jedoch viele Menschen kosteten. Wir hörten beim Erklimmen der Anhöhe nur das furchtbare Geräusch, das sich bald näherte, bald entfernte. Jetzt langten endlich auch wir auf der von einigen Bäumen begrenzten Anhöhe an; es kamen uns auch schon mehrere Leichtblessierte entgegen, und weiterhin erblickte man Helme, Tschakos, zerbrochene Lanzen und Waffen aller Art verstreut auf der Erde liegen. Wir kamen gerade noch zu rechter Zeit an, um die anderen vom Feind hart verfolgten Regimenter freizumachen. Obrist v. Hesberg (Kommandeur des 2. westfälischen Husarenregiments. TH) ließ die Schwadronen sich formieren und im Galopp deployieren; dies geschah unter einem sehr heftigen Kanonenfeuer, das uns mehrere Pferde tötete, mit einer Präzision, wie auf dem Exerzierplatze. Nachdem die beiden anderen Regimenter links und rechts hinter unser Regiment abgeschwenkt hatten, bliesen unsere Trompeter zur Attacke, und wir stürzten uns nun auf das Sumsche graue Husaren-Regiment, gerade im Augenblick, wo es rechtsumkehrt machte. Da den mit ihren dicken Husarenpelzen auf dem Rücken wohlverwahrten feindlichen Reitern Säbelhiebe nicht mit Erfolg beizubringen waren, so brauchten wir unsere scharfen Säbel nur zum Stechen und machten manchen Husar vom Pferde sinken, wenn auch die meisten, obschon vielleicht schwerverwundet, auf ihren in Karriere dahinfliegenden Pferden sitzen blieben. Wir waren ihnen so auf dem Hals, daß wir fast mit dem hinteren Glied des Feindes pêle-mêle eine Linie bildeten. Ich hatte einem fast neben mir reitenden Sum-Husaren bereits zwei Stiche gegeben, ohne daß er gefallen wäre; im Gegenteil preschte er ins erste Glied vor und sogar noch darüber hinaus. Ich verlor ihn aus dem Gesicht und meines sehr hitzig gewordenen Fuchsen kaum noch mächtig, befand ich mich beinahe auch im ersten Gliede, als eine Pistolenkugel dicht an meinem Ohr vorbeischwirrte und zwei Säbelhiebe von rückwärts auf mich fielen, die jedoch mein locker hängender Pelz unwirksam machte. Dies mahnte mich, den feurigen Sprüngen meines Pferdes Einhalt zu tun, und es war die höchste Zeit, denn es wurde zur Retraite geblasen, da jetzt das im Galopp heranrückende Regiment Achtryrka-Husaren unsere Flanke bedrohte. Wir machten rechtsumkehrt, und es ging ventre à terre zurück, die braunen Achtyrka hinter uns her. Bei dieser Retraite bekamen wir einige Salven aus den russischen Flügelbatterien, die uns mehrere Leute töteten: in dem ungeheuren Staub, der alles verhüllte, konnte man nicht recht sehen, was an der Erde lag, aus den öfteren Sätzen aber, die mein Pferd machte, konnte ich entnehmen, daß viele gefallen sein mußten. Erst nachdem wir mit unseren beiden Regimentern wieder in gleiche Höhe gekommen waren, machten wir halt und wieder Front und erst jetzt, wo sich der Staub verzog, konnte man die Sachlage erkennen: das 1. Husaren-Regiment hatte sich auf die braunen Husaren, die uns verfolgt hatten, geworfen und saß ihnen dicht auf dem Hals. Mehrere versprengt gewesene Husaren kamen jetzt herangeritten, die meisten davon waren blessiert; einem maréchal des logis war das Gesicht von einem Ohr zum anderen horizontal gespalten, ich erkannte ihn nicht. Ein Brigadier namens Zwinkau hatte die eiserne Spitze einer Kosakenpike noch zwischen den Schultern stecken, während die Stange abgebrochen war. Der maréchal des logis Hünersdorf, ein Casselaner, hatte einen Pfeilschuß in den rechten Oberarm bekommen; wahrscheinlich war die Spitze vergiftet gewesen, denn Hünersdorf soll nach einigen Stunden verschieden sein: es befanden sich in der russischen Armee sowohl Baschkiren wie Kalmücken, die mit Pfeil und Bogen bewaffnet waren. Reiterlose Pferde liefen genug umher und waren den Bewegungen oft sehr hinderlich. Den Premierleutnant Sack von der Chevaulegers-Garde schleppte man auch an uns vorbei: der wackere Offizier ahnte sein Ende, eine Pistolenkugel war ihm durch den Leib in die Blase gedrungen.

Das 1. Husaren-Regiment und die Chevaulegers-Garde hatten nun wieder ihren früheren Platz eingenommen, wir standen auf dem linken Flügel der Brigade. Die feindliche Linie, noch bedeutend verstärkt, überflügelte uns bei weitem, und hätte sie uns mit Nachdruck attackiert, so hätte sie uns in die hinter uns liegende Schlucht sprengen können; es schien jedoch, daß der Feind die Örtlichkeit nicht kannte. Der tapfere General v. Hammerstein hatte sich allen Attacken angeschlossen und auch jetzt, wo wir wieder vorrückten, und dem Feind ganz nahe waren, karakolierte er vor der Brigade herum, um irgendeinen feindlichen Waghals herauszufordern. Es kam auch ein solcher, ein Offizier auf einem herrlichen Pferd: er führte eine Kosakenpike, wie sie das erste Glied aller russischen Husaren-Regimenter hatte, mit sich, ritt einige Volten um den General herum und feuerte sein Pistol auf ihn ab, was aber wirkungslos blieb. Hammerstein, auf einem großen türkischen Schimmel, sein breites Schlachtschwert in der Hand, hatte ruhig diesen Schuß abgewartet; nun aber stürzte er auf seinen Gegner los und spaltete ihm Tschako und Kopf bis auf die Schulter, so daß er, während Hammerstein sich seines Pferds bemächtigte, wie ein Sack zur Erde fiel. Unsere Husaren jauchzten ihm ein lautes Bravo entgegen, Hammerstein gab das Pferd einem Husar, um es hinter die Front zu bringen, und sagte: "Nur ein bißchen Entschlossenheit, und die Kerls könnt ihr alle so bekommen!" (...)

Mittlerweile rückten wir unter heftigem Kanonenfeuer wieder vor; unsere Regimentsmusik, an deren Spitze der ausgezeichnete Kapellmeister Klinkhardt (siehe dort. TH) ritt, spielte einen prächtigen Marsch, für manchen den Todesmarsch. Bald aber wurde die Fanfare geblasen, wir setzten uns in Galopp und dann in Karriere, und so ging es noch einmal gegen die grauen Sumschen Husaren, denen wir jedoch diesmal, wenn wir gleich hieben und stachen, weniger Mannschaft herunterarbeiteten, als das erstemal. Mittelst ihrer trefflichen Pferde gewannen sie einen Vorsprung, der ihrer auf den Flanken aufgestellten Artillerie gestattete, uns wirksam zu beschießen, dies kostete uns Menschen und Pferde. Hesberg ließ zum Rückzug blasen, der in größter Ordnung vor sich ging, ohne daß wir beunruhigt worden wären; etwa nach 600 Schritten machten wir wieder Front. Mittlerweile war eine polnische Halbbatterie hinter uns aufgefahren, deren schwaches Feuer die Russen aber gar nicht inkommodierte; auch hatte sich hinter uns eine Abteilung des 11. Lanciers-Regiments postiert. Wir hatten die feindliche Linie ganz dicht vor uns und so nahe, daß sie uns mit Karabinern beschossen. Unsere Leute wollten dies durchaus erwidern, obschon es verboten war, und so schossen mehrere hinüber, unter denen auch der hinter mir haltende Kompaniesattler Halleko war. Seine Kugel fuhr mir so nahe am rechten Ohr vorbei, daß ich heftige Schmerzen in dessen Innern bekam; die dampfende Hülle fiel auf meinen Sattelknopf nieder. Ich verwies dem Kerl diesen Spaß ernstlich und sagte, daß ich ihn im Wiederholungsfalle vom Pferd stechen werde. Der Mensch hatte ein ganz geisterhaftes Aussehen: bleich und hohläugig, schien er eine Todesahnung zu haben; er bot seinen Kameraden seine Schnapsflasche und sein bißchen wohlverwahrt gewesenes Brot freigebig an. (...) Hinter mir vernahm ich plötzlich eine Bewegung, und mein Pferd bekam von dem gerade hinter ihm stehenden einen heftigen Stoß; ich drehe mich um und von meinem armen Halleko sehe ich nur noch den nach vorne geneigten blutigen Rumpf, was einen schauderhaften Anblick gewährte. Dieselbe Kugel hatte dem hinter mir reitenden Husar Schultz die rechte Schulter abgerissen. Wachtmeister Grosch zog beide Pferde aus Reih und Glied und warf hinter der Front die Leichen aus dem Sattel.

Unterdessen hatte sich meiner ein ganz eigenartiges Gefühl bemächtigt, und es fiel mir die entsetzliche Todesangst des Halleko ein; unwillkürlich dachte ich, auch mein letztes Stündchen sei gekommen. Plötzlich bemerkte ich, wie mein Fuchs hinter den Ohren ganz naß wurde, mit dem Hinterteile strauchelte und zusammenstürzte: eine zwölfpfündige Kugel hatte meine Säbeltasche durchschlagen und war dem braven Tier hinter dem Bauchgurt in den Leib gedrungen. Es war dies alles das Werk eines Augenblicks und gerade, wie ich bemüht bin, mich unter dem im Todeskampf liegenden Tier hervorzuarbeiten, macht mein Regiment ein Rechtsumkehrt mit Vieren und geht im Galopp zurück. Ich war in einer verzweifelten Lage; ich sah die russische Linie vorrücken und hatte also nur noch Zeit, meine beiden Pistolen aus dem Halfter zu ziehen und mit Zurücklassung des Mantelsackes und des Mantels meinem Regimente nachzueilen. In Anbetracht der noch vorhandenen Entfernung des Feindes hätte es mir auch gelingen können, mich zu retten, aber ich bemerkte einen einzelnen Trupp, wahrscheinlich von einem Flankeurzuge, der mich ins Auge gefaßt zu haben schien und mich rasch verfolgte. Zwei Mann hatten mich bald erreicht, der eine mit der Lanze, der andre mit dem Säbel bewaffnet. Sie riefen mich an: "postoi, Franzus!" (Halt, Franzos!) – jetzt gilt´s dachte ich, zog meinen Säbel und feuerte ein Pistol auf den Husaren mit der Lanze; es versagte, ich warf es seinem Pferde mit solcher Kraft gegen den Kopf, daß es sich bäumte und abwendete. Auf den andern, einen jungen Offizier feuerte ich das zweite Pistol ab, die Kugel fehlte. Er führte einen sehr kräftigen Hieb nach mir, ich parierte ihn gut, aber der messingne Korb meines Säbels war durchschlagen und hatte mir das Faustgelenk schwer verletzt; gleichzeitig erhielt ich von rückwärts einen Lanzenstich, der durch den ledernen Einsatz meines Tschakos und des darin liegenden bonnet de police (Lagermütze. TH) mit solcher Heftigkeit geführt war, daß ich wie leblos niedersank. Wie lange ich gelegen und auf welche Weise ich vom Schlachtfeld wegtransportiert worden war, konnte ich nie erfahren; als ich die Augen aufschlug, befand ich mich auf einem sehr morastigen Terrain, neben einer russischen Batterie, die hin und wieder Salven gab. Mein Erwachen war schrecklich (...)."

Sonstige

Es gibt eine Reihe weiterer Memoiren aus westfälischer Zeit, die ich hier der Vollständigkeit halber anführen möchte.

Die Memoiren von Carl Wilhelm Friedrich v. Bartheld [26] zeigen uns einen aufrechten kurhessischen Offizier, der sich mehrfach weigerte, in westfälische Dienste zu gehen, 1813 in die preußische Armee trat und danach wieder hessischer Offizier wurde. Das "Tagebuch der Belagerung von Gerona im Jahre 1809" [27] des westfälischen Hauptmanns Bucher (vorher braunschweigischer Offizier) ist eines der frühesten kriegsgeschichtlichen Werke der Napoleonzeit. Bucher wurde 1812 in Russland ermordet. Wilhelm von Dörnbergs "Relation der in Westphalen vorgefallenen Ereignisse" [28] soll die Beteiligung des westfälischen Obersten Dörnberg in den Aufstand des Jahres 1809 schildern (liegt mir nicht vor). Dörnberg wurde später braunschweigischer und hannoverscher Offizier bzw. General. Eine ergreifende Darstellung der Leiden des "kleinen Mannes" im Russlandfeldzug bringt Förster Flecks "Erzählung von seinen Schicksalen auf dem Zuge Napoleons nach Rußland und von seiner Gefangenschaft 1812-1814" [29], ebenso die Schrift von Johann Gottlieb Haars "Ein Braunschweiger im Russischen Feldzug von 1812" [30]. Die "Erlebnisse in dem Kriege gegen Rußland im Jahre 1812 vom Landbereuter Fr. Krollmann damaligen Musikus beim dritten Chasseur-Bataillon Westfalen" [31] gehen in die gleiche Richtung. Das "Tagebuch des Hauptmann v. Linsingen während des Feldzuges in Rußland im Jahre 1812" (II. leichtes Bataillon) ergänzt die Erinnerungen Boedickers [32]. Die "Erzählung der Schicksale und Kriegsabenteuer des ehemaligen Westphälischen Artillerie Wachtmeisters Jakob Meyer aus Dransfeld während der Feldzüge in Spanien und Rußland" [33] ist u. a. deshalb lesenswert, weil es sich um eines der wenigen Memoirenwerke jüdischer Soldaten der westfälischen Armee handelt. Die Aufzeichnungen des jungen Garde du Corps Justus Süstermann werfen ein Schlaglicht auf die chaotische Flucht des Königs Jérôme im Oktober / November 1813 [34]. Das Tagebuch des Leutnants Wagner bringt das Schicksal eines gebürtigen Westfalen, der in österreichischen Diensten stand, 1809 bei Wagram gefangen wurde und dessen eigentlich vorgesehene Todesstrafe von König Jérôme dahingehend umgewandelt wurde, dass er zwangsweise in das 7. westfälische Linienregiment gesteckt wurde [35]. Wachsmuths "Geschichte meiner Kriegsgefangenschaft in Russland in den Jahren 1812-1813" beschreibt in ergreifender Weise das Martyrium der Gefangenen des russischen Feldzuges [36]. Das "Kriegstagebuch des Heinrich Wesemann 1808 -1814" [37] verzeichnet in bescheidenen, aber um so eindringlicheren Worten die Mühsale des Soldatenalltags. "Auf der Flucht vor den Strickreitern im Königreich Westfalen" befand sich Ruthe, der uns aus dem gefährlichen Leben eines Deserteurs berichtet [38]. Die "Erlebnisse eines westfälischen Grenadiers" von H. Niemann [39] sowie den Bericht des Sergeanten Leifels vom 8. Linieninfanterieregiment über "Napoleons Zug nach Rußland" [40] habe ich bisher nicht ausfindig machen können. Abschließend seien noch die Memoiren eines Offiziers namens Huth genannt, dessen Memoiren von Lünsmann [3], S. 260, erwähnt werden - leider ließen sich hierzu bisher keine bibliografischen Angaben ermitteln.

Damit endet mein Aufsatz über die Kurhessen und Westfalen. Sicherlich gibt es noch mehr lesenswerte Erinnerungswerke; es wäre schön, wenn diese von anderen Sammlerfreunden hier vorgestellt werden könnten. Ebenso bin ich für Kommentare, Berichtigungen bzw. Ergänzungen dankbar. Schließlich würde es mich freuen, wenn jemand, der eines der mir noch fehlenden Werke besitzt, mir davon eine Kopie (gegen Kostenerstattung) anfertigen könnte. In diesem Fall bitte ich um vorherige Benachrichtigung.

Anmerkung der Redaktion:

Unter folgenden elektronischen Adressen können Sie mit Herrn Dr. Hemmann auch Kontakt aufnehmen:

Internet: www.Napoleonzeit.de

Postanschrift: siehe Inhaltsverzeichnis des Heftes

Literatur

1.        Hemmann, T., Wissenswertes zu deutschsprachigen Memoiren der Napoleonzeit. Memoiren von Württembergern. Die Zinnfigur, 2001 (Mai, Juni, August): S. 118-120, 143-146, 204-207.

2.        Kleinschmidt, A., Geschichte des Königreichs Westfalen. 1893, Gotha. 678 S. (Nachdruck Kassel: Horst Hamecher, 1970)

3.        Lünsmann, F., Die Armee des Königreichs Westfalen 1807 - 1813. 1935, Berlin: C. Leddihn Verlag. 326 S.

4.        Gärtner, M. und E. Wagner, Westphälisches Militär. 1990, Beckum: Deutsche Gesellschaft für Heereskunde. 56 S.

5.        Bauer, Generalmajor z. D., Aus dem Leben des Kurhessischen Generallieutenants Bauer, in Beihefte zum Militair-Wochenblatt. 1887, E. S. Mittler und Sohn: Berlin. S. 89-137.

6.        Baumann, F., Eram. Skizzen aus den Jugendjahren eines Veteranen, Hrsg. L. Rellstab. 1910, Berlin: Verlag von Ferdinand Reichardt & Co. 222 S.

7.        Baumann, F., Mit der großen Armee 1812 (Nach dem Bericht eines Mitkämpfers), Hrsg. J. Hahn. 1910, Hamburg: Gustav Schloeßmanns Verlagsbuchhhandlung. 112 S.

8.        Bodenhausen, F. v., Tagebuch eines Ordonnanzoffiziers von 1812 - 1813, und über seine späteren Staatsdienste bis 1848, Hrsg. B. F. v. Cramm. 1912, Braunschweig: George Westermann. 220 S.

9.        Boedicker, L., Die militärische Laufbahn 1788 - 1815 des Generallieutnant Ludwig Boedicker, zuletzt Stadtkommandant von Kassel: Eine Selbstbiographie, in Beiheft z. Militär-Wochenblatt. 1880. S. 243-330.

10.      Borcke, J. v., Kriegerleben des Johann von Borcke, weiland Kgl. Preuß. Oberstlieutenants, 1806 - 1815, Hrsg. v. Leszczynski. 1888, Berlin: E. S. Mittler und Sohn. 398 S.

11.      Conrady, L. W. v., Aus stürmischer Zeit. Ein Soldatenleben vor hundert Jahren. Nach den Tagebüchern und Aufzeichnungen des weiland kurhessischen Stabskapitäns im Leibdragoner-Regiment L. W. v. Conrady, Hrsg. W. v. Conrady. 1907, Berlin: Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn. 423 S.

12.      Gieße, F., Kassel - Moskau - Küstrin 1812 - 1813. Tagebuch während des russischen Feldzuges geführt, Hrsg. K. Gieße. 1912, Leipzig: Verlag der Dykschen Buchhandlung. 345 S.

13.      Behm, W., Die Mecklenburger 1812 im russischen Feldzuge. 1912, Hamburg: Verlag von Richard Hermes. 147 S.

14.      Hessen, W. I. v., Wir Wilhelm von Gottes Gnaden. Die Lebenserinnerungen Kurfürst Wilhelms I. von Hessen 1743-1821, Hrsg. R. v. Hessen. 1996, Frankfurt, New York: Campus Verlag. 604 S.

15.      Hohenhausen, L. F. v., Biographie des Generals von Ochs. Ein politisch-militairischer Beitrag zur Geschichte des nordamerikanischen und des französischen Revolutionskrieges, so wie der Feldzüge in Spanien, Rußland und Deutschland. (Aus den Originalpapieren des Generals und sonstigen authentischen Mittheilungen.). 1827, Kassel: Verlag der Luckhardt´schen Buchhandlung. 344 S.

16.      Klinkhardt, F., Feldzugs-Erinnerungen des Königlich Westfälischen Musikmeisters Friedrich Klinkhardt aus den Jahren 1812-1815. Aus der Zeit der schweren Not, Hrsg. J. Klinkhardt. Vol. V. 1908, Braunschweig: Verlag von Wilhelm Scholz. 109 S.

17.      Lehsten-Dingelstädt, K. A. U. v., Am Hofe König Jérômes: Erinnerungen eines westfälischen Pagen und Offiziers, Hrsg. O. v. Boltenstern. 1905, Berlin: E. S. Mittler und Sohn. 150 S.

18.      Loßberg, F. W. v., Briefe des westfälischen Stabsoffiziers Friedrich Wilhelm von Loßberg vom russischen Feldzug des Jahres 1812, Hrsg. C. Meyer. 1910, Berlin: Verlag von R. Eisenschmidt. 202 S.

19.      Meibom, H. F. v., Aus napoleonischer Zeit, Hrsg. H. J. v. Gadow. 1943, Leipzig: Koehler & Amelang. 224 S.

20.      Morgenstern, F., Kriegserinnerungen des Obersten Franz Morgenstern aus westfälischer Zeit. Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Geschichte, Hrsg. Oberst a. D. H. Meier. Vol. 3. 1912, Wolfenbüttel: Julius Zwisser. 129 S.

21.      Normann, C., Aus den Papieren eines alten Offiziers : Ein Lebensbild Christian Normann´s, Kurfürstl. Hessischen Obersten u. zeitweilig beauftragten Brigadekommandeurs, Kommandeur der Bundesartillerie (Sächsischen, Braunschweigschen, Nassauschen, Oldenburgschen usw.) im Schleswig-Holsteinischen Feldzuge 1849 : Mit besonderer Berücksichtigung der Westphälischen Zeit, der Feldzüge von 1814 und 1815, sowie des Schleswig-Holsteinischen Feldzuges 1849, Hrsg. W. Meister. 1896, Hannover und Leipzig: Hahnsche Buchhandlung. 100 S.

22.      Rüppell, E., Kriegsgefangen im Herzen Rußlands 1812 - 1814: Erinnerungen des Königlich Westfälischen Husarenleutnants Eduard Rüppell, Hrsg. F. C. Ebrard. 1912, Berlin: Verlag von Gebrüder Paetel. 222 S.

23.      Peppler, F., Schilderung meiner Gefangenschaft in Rußland vom Jahre 1812 bis 1814, Hrsg. K. Esselborn. 1908, Friedberg: Selbstverlag des Herausgebers. 140 S.

24.      Yelin, C. L., In Rußland 1812. Aus dem Tagebuche des württembergischen Offiziers von Yelin. 1910, München: Verlag von Otto Gmelin. 99 S.

25.      Hemmann, T., Die Schlacht bei Walutina Gora / Lubino am 19. August 1812. Die Zinnfigur, 2000 (April, Mai): S. 83-86, 128-132.

26.      Bartheld, C. F. W. v., Memoiren des kurhessischen Majors Carl Wilh. Friedr. v. Bartheld aus Lispenhausen, Ritters des preußischen eisernen Kreuzes und des hessischen eisernen Helmes. Aus der Zeit der Fremdherrschaft von 1806-1814. Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, N.F., 1936. Bd. 51: S. 165-215.

27.      Bucher, A. W., Tagebuch der Belagerung von Gerona, im Jahre 1809 : Als Erläuterung zum Plane dieser Festung von A. W. Bucher, Hauptmann in Königlich Westphälischen Diensten. 1812, Hildesheim. 32 S.

28.      Dörnberg, W. v., Relation der in Westphalen vorgefallenen Ereignisse. Hist. Zeitschrift, 1900. 84.

29.      Fleck, Förster Flecks Erzählung von seinen Schicksalen auf dem Zuge Napoleons nach Rußland und von seiner Gefangenschaft: 1812-1814. Schaffsteins Grüne Bändchen, Hrsg. S. Rüttgers. 1912, Köln: Hermann Schaffstein. 101 S.

30.      Haars, J. G., Ein Braunschweiger im Russischen Feldzug von 1812, Hrsg. L. Hänselmann. 1897, Braunschweig: Verlag von Wilhelm Scholz. 67 S.

31.      Krollmann, F., Erlebnisse in dem Kriege gegen Rußland im Jahre 1812 vom Landbereuter Fr. Krollmann damaligen Musikus beim dritten Chasseur-Bataillon Westfalen, Hrsg. K. Henniger und W. Ohle. 1912, Hannover: Verlagsbuchhandlung Ernst Geibel. 131 S.

32.      Linsingen, v., Auszug aus dem Tagebuch des Hauptmann v. Linsingen während des Feldzuges in Rußland im Jahre 1812, in Beihefte zum Militair-Wochenblatt. 1894, E. S. Mittler und Sohn: Berlin. S. 268-297.

33.      Meyer, J., Erzählung der Schicksale und Kriegsabenteuer des ehemaligen Westphälischen Artillerie Wachtmeisters Jakob Meyer aus Dransfeld während der Feldzüge in Spanien und Rußland. 1837, Göttingen: Friedrich Ernst Huth. 90 S.

34.      Gebauer, J. H., Aufzeichnungen eines jungen Hildesheimers aus den letzten Tagen des Kgl. Westfälischen Heeres. (27. September - 5. November 1813.), in Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde. 1917. S. 1-22.

35.      Wagner, F. L., Tagebuch des Königlich Westfälischen Leutnants F. L. Wagner aus den Jahren 1809 bis 1813, in Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine, H. Heimke, Editor. 1899. S. 198-221.

36.      Wachsmuth, J. J., Geschichte meiner Kriegsgefangenschaft in Russland in den Jahren 1812-1813: In gedrängter Kürze dargestellt von J. J. Wachsmuth, Leutnant in der Königl. Westfälischen Armee. 1910, Magdeburg: Creutz´sche Verlagsbuchhandlung. 115 S.

37.      Wesemann, H., Kanonier des Kaisers. Kriegstagebuch des Heinrich Wesemann 1808 -1814, Hrsg. H.-O. Wesemann. 1971, Köln: Verlag Wissenschaft und Politik. 110 S.

38.      Ruthe, J. Fr. Auf der Flucht vor den Strickreitern im Königreich Westfalen 1809 bis 1811 : Aus dem Leben, Leiden und Widerwärtigkeiten eines Niedersachsen. Aus der Zeit der schweren Not, Hrsg. J. Klinkhardt. Vol. III. 1908, Braunschweig : Verlag von Wilhelm Scholz, 1906, 70 S.

39.      Niemann, H. Erlebnisse eines westfälischen Grenadiers in den Jahren 1809 - 1812, Ravensberg, 1908

40.      Leifels. Napoleons Zug nach Rußland. Bocholt : Selbstverlag, 1906