Geschichte
der Familie Haeusler aus Braunschweig
und
Lebensgeschichte von Friedrich Häusler
1. Schlesisches Vorspiel
Genau 170 Jahre lang, von 1814 bis 1984, lebten fünf
Generationen der Familie Haeusler, deren Nachkommen heute außer in Deutschland
über mehrere europäische sowie nord- und südamerikanische Länder verteilt sind,
in Braunschweig. Die ursprüngliche Schreibweise "Häusler" wurde von
Justizrat Otto Haeusler (1823-1900) ca. 1840 in "Haeusler"
abgeändert. Der Ursprung der Familie liegt in Schlesien. Anders als bei den
angeheirateten Braunschweiger Verwandten reichen die Kenntnisse über die
schlesischen Vorfahren nicht sehr weit zurück. Nach mündlicher Überlieferung
soll ein Johann Kaspar Häusler um 1650 in Wohlau bei Breslau gelebt
haben. Die Vorfahren sollen aber bereits als Glaubensflüchtlinge nach Schlesien
gekommen sein (aus der Schweiz? aus Böhmen?). Jedenfalls waren die Mitglieder
der Familie Häusler, soweit Daten verfügbar sind, immer evangelisch.
Der nächstbekannte Namensträger ist Kaspar Häusler,
Bürgermeister auf dem Bürgerwerder in Breslau und damit Ratsmitglied dieser
Stadt. Auf dem Bürgerwerder hätte er die Entstehung von Lessings Minna von
Barnhelm miterleben können. Lessing war 1760 in den Dienst des Grafen
Tauentzien, des Verteidigers von Breslau im Siebenjährigen Krieg, getreten und
hatte die Erfahrungen mit dem ihm bis dahin unbekannten Soldatenstand
literarisch in ein Lustspiel umgesetzt, das er im Frühjahr 1763 in einem
Gartenpavillon auf dem Bürgerwerder schrieb.
Kaspar Häusler soll 1772 bei dem Versuch, einen
Ertrinkenden aus dem Hochwasser der Oder zu retten, selbst ertrunken sein.
Seine erst später gefundene Leiche wurde an seinen Schmuckstücken, u a. an
einem Manschettenknopf mit einem in einen Karneolstein eingraviertem
Sokrates-Kopf erkannt, der, als Ring verarbeitet, in der Folgezeit stets an die
Frau des ältesten Sohnes Haeusler vererbt wurde. Von der Schlesischen Zeitung,
die über diesen Vorgang Auskunft geben könnte, ist ausgerechnet der Jahrgang
1772 nicht erhalten. Der Verlust könnte sich durch das in diesem Jahr
herrschende Oder-Hochwasser erklären.
Nicht auszuschließen ist auch, dass in der
Familienüberlieferung eine Anlehnung an der Tod von Herzog Leopold von
Braunschweig am 27. April 1785 vorgenommen wurde, der bei einem ähnlichen
Rettungsversuch ums Leben kam. Die für einen regierenden Fürsten ungewöhnliche
Tat, in vielen zeitgenössischen Darstellungen festgehalten (z. B. von Chodowiecki), löste damals in
Europa starke Emotionen aus. Wenn man davon ausgeht, dass Kaspar Häusler bei
der Rettungsaktion schon 60 Jahre und bei der Geburt seines Sohnes (1732) erst
20 Jahre alt war, muß er etwa um 1712 herum geboren sein. Kaspar Häusler war
mit der Tochter eines Schiffers vom Bürgerwerder namens Langer
verheiratet.
Der Ehe entstammt der Sohn Kaspar Benjamin Häusler,
geb. 8. 12. 1731 in Breslau, gest. 20. 6. 1796 in Münsterberg. Von ihm liegen
mit dem Eintrag im evangelischen Begräbnisbuch 1777 – 1806 von Münsterberg die
ersten gesicherten Familiendaten vor. Kaspar Benjamin Häusler wurde Kämmerer zu
Breslau und Polizeybürgermeister der (damals gemeinsam verwalteten) Städte
Grottkau und Münsterberg. Der erwähnte Sterbeeintrag lautet:
Aufkleber
vom Original des Begräbnisbuchs
"d. 22. Juny [1796]
auf unserm Friedhof Benjamin Häusler, Policey Bürgermeister allhier, welcher d.
20. ejusd[em] früh um 4 Uhr an zurückgetretener Podagra [=Fussgicht] gestorben.
Alt 64 Jahr 6 Mon. 12 Tag"
Eintrag lfd. Nr. 19 aus
dem Begräbnisbuch Münsterberg vom 22. Juni 1796
Kaspar Benjamin Häusler war verheiratet mit Eleonore
Johanna Fuhrmann, geb. 20. 6. 1748 in Breslau, gest. 9. 11. 1784 in
Münsterberg. Die Eheleute verzogen nach Grottkau, wo ihr Sohn, der nachstehend
behandelte Friedrich Gottlieb Benjamin zur Welt kam.
2. Die erste Generation: Friedrich Häusler – der
erste "Braunschweiger" der Familie
a) Jugend und Militärdienst in Preußen
Friedrich Gottlieb Benjamin Häusler (Rufname Friedrich) wurde am 6.8.1780 im
schlesischen Grottkau geboren. Er verlor die Mutter mit 4 Jahren, den Vater mit
16 Jahren und wurde Accise-Offiziant in der Breslauer Steuerverwaltung im 1741
preußisch gewordenen Schlesien, bevor er sich 1806 dem Soldatenberuf zuwandte.
Preußen hatte sich aufgrund seiner
Neutralitätsverpflichtung im Baseler Frieden von 1795 erst wieder am 4.
Koalitionskrieg gegen Frankreich 1806/07 beteiligt. Nach der Niederlage von
Jena und Auerstedt (14.10.1806) und der weitgehenden Besetzung Schlesiens durch
die Franzosen war auch die dortige Militärorganisation zusammengebrochen. Im
sog. Kleinen Krieg leistete Preußen aber noch bis zum Tilsiter Frieden
(17.7.1807) in den nicht besetzten Gebieten, besonders in der Grafschaft
Glatz, militärischen Widerstand.
Im November 1806 ernannte König Friedrich Wilhelm
III. den Herzog Friedrich Ferdinand von Anhalt-Pleß zum Generalmajor und
Generalgouverneur von Schlesien und beauftragte ihn u. a. mit der militärischen
Neuorganisation. Dieser wurde jedoch schon im März dieses Jahres zum
königlichen Stab beordert. Nachfolger war Graf von Goetzen. Der Auftrag des
Königs an den Generalgouverneur lautete: "in Schlesien die
außerordentlichen Hilfsmittel mit militärischer Energie aufzutreiben, um
Festungen, welche vom Feinde noch nicht eingeschlossen, mit allem Notwendigen
zu versorgen, ihre Besatzungen zu verstärken und hierzu sowohl die
auszuhebenden Rekruten als die vielen im Lande sich herumtreibenden
Versprengten zu sammeln und, wenn es sich erreichen ließe, ein besonderes Korps
zur Behauptung der Provinz daraus zu bilden".
Mit Erlaubnis des Grafen Goetzen stellte daraufhin
Leutnant von Reichmeister als erste Einheit die Freiwillige Schützenkompanie
von Reichmeister in Reichenstein auf. In diese Kompanie trat Friedrich Häusler
im Dezember 1806 ein. Seine erlebnisreiche militärische Karriere im preußischen
und Braunschweigischen Dienst ist im Telegrammstil wie folgt in der
Regimentsgeschichte von Kortzfleisch festgehalten:
Häusler Friedrich. *
6.8.1780 zu Grottkau; 1803 Accise-Offiziant in Breslau; 12/1806
Volontär in der Schles[ischen] Schütz[en] Kamp[anie] v[on] Reichmeister;
1807 Uffz.
[Unteroffizier];
1.6.1807 bei Glatz verw[undet]; 4/1809 ohne Absch[ied] zu Nachod als
Volontär ins brschw.[braunscheigische] Corps]; 7/1809 Fähnr[ich];
29.7.1809 bei
Halberstadt verw[undet]; 2.8.1809 Sek[onde]-Lieut[enant]; 29.9.1809 Fähnr[ich]
im
engl[isch]-brschw. Rgt.[Regiment]; 1810-13 Halbinselkr[ieg]; 27.6.1811
Lieut.;
28.2.1814 Kap[itain] im 3. leicht[en] Bat[aillon] (Pat[ent] 18.2.1814);
1815 Kr[ieg]
geg[en] Frankr[eich]; 3.2. 1816 Komp.-Chef im 2. leicht. Bat.; 1.1.1819
zum Leib-
Bat.; 8.5.1822 zum Res[erve]-Bat; 17.10.1830 dem Res[erve]-Kadre
aggr[egiert] [=zugeteilt];
13.4.1832 Absch[ied]; 25.4.1832 Char[ge] als Major; +26.12.1865 zu
Braunschweig.
Teichmüller führt Häusler als "im Corps des
Fürsten von Anhalt-Pleß" dienend auf. Herzog Friedrich Ferdinand von
Anhalt-Pleß -ab 1818 auch von Anhalt-Köthen- (1769-1830) wurde im Laufe seiner
1786 begonnenen militärischen Karriere 1805 Kommandeur und 1807 Chef des
Husarenregiments von Schimmelpfennig (Nr.6), das entsprechend damaliger Übung
seinen Namen übernahm. Diese Einheit, die nach mehreren Umorganisationen und
Umbenennungen 1889 zum Husaren-Regiment von Schill (1. Schlesisches) Nr. 4
wurde, ist nicht der Verband, in dem Friedrich Häusler diente. Die Erwähnung
"im Korps des Fürsten von Anhalt-Pleß" beruht vielmehr darauf, dass
die Kompanie v. Reichmeister zu den unter der Organisationsgewalt des Fürsten
von Anhalt-Pleß entstandenen Verbänden gehörte. Die Kompanie Reichmeister zählt
zu den Stammtruppen des späteren Jäger-Bataillons von Neumann (1. Schlesisches)
Nr. 5.
Die Gefechte, die die Kompanie von Reichmeister im
sog. Kleinen Krieg von 1807 zu bestehen hatte, sind ausführlich beschrieben in
der Bataillonsgeschichte v. Otto. Im einzelnen war Friedrich Häusler an
folgenden Gefechten mit der Kompanie von Reichmeister beteiligt:
Die Kampfhandlungen sind außerdem dokumentiert bei
Curt Janny (aus preußischer Sicht) und Joseph Schmölzl (aus
bayerisch-französischer Sicht).
Durch den Tilsiter Frieden vom 9. Juli 1807 zwischen
Preußen und Frankreich wurden die Feindseligkeiten in Schlesien beendet. Viele
auf den preußischen König vereidigte Offiziere und Unteroffiziere suchten daher
Kriegsdienst gegen Frankreich in anderen Verbänden, Freikorps oder
ausländischen Armeen. Dies geschah einmal, weil sie oft nichts anderes gelernt
hatten, vor allem aber aus vaterländischer Gesinnung. Sie waren aber, wenn sie
nicht aus dem preußischen Dienst entlassen waren, bei diesem Schritt Fahnenflüchtigen
gleichzusetzen, was später noch straf- und versorgungsrechtliche Folgen haben
sollte. Der billigenswerte Zweck heiligte nicht die Mittel.
b) Eintritt in die Schwarze Schar
Friedrich Häusler trat in Braunschweigische Dienste.
Napoleon hatte das Herzogtum Braunschweig trotz dessen Neutralität aufgelöst
und das Gebiet dem Königreich Westfalen zugeschlagen. Herzog Karl Wilhelm
Ferdinand war sein erklärter Gegner als Anführer der preußischen Heeresmacht
und als Unterzeichner einer Parteinahme zugunsten der Bourbonen (Koblenzer
Manifest vom 25.7.1792); zudem hatte er den ihm angebotenen Oberbefehl über die
französische Revolutionsarmee abgelehnt. Braunschweig konnte daher nach dem
Tode von Karl Wilhelm Ferdinand auch unter dem Nachfolger Friedrich Wilhelm
nicht mit Schonung rechnen (Napoleon: "La Maison de Brunswick a cessé de
gouverner.").
Herzog Friedrich Wilhelm musste sich in das 1805 an
ihn übergegangene (seit 1764 Braunschweigische) Fürstentum Oels in Schlesien
zurückziehen. Von dort aus stellte er ein Freikorps (die sog. Schwarze Schar)
auf mit der Absicht, einen allgemeinen Volksaufstand gegen die französische
Fremdherrschaft zu organisieren und das Herzogtum Braunschweig
wiederzugewinnen. Bekanntlich war die Zeit hierfür noch nicht reif und es
bedurfte noch vieler Waffengänge bis zur Herstellung des Herzogtums
Braunschweig, was der 1815 bei Quatre Bras gefallene Herzog selbst nicht mehr
erlebte.
Die in Oels begonnene Werbung musste wegen der
preußischen friedensvertraglichen Bindungen auf böhmisches Gebiet verlegt
werden. Dies geschah hauptsächlich in der Grenzstadt Nachod; Verstärkungen
kamen während des Zuges der Schwarzen Schar hinzu, z.B. in Schleiz, wo zuvor
das Hauptquartier von König Jérome gewesen war. Dadurch ergab sich die
Besonderheit, dass die Braunschweiger Schwarze Schar, insbesondere das
Offizierskorps, anfänglich fast ausnahmslos aus "Ausländern", vor
allem Preußen, bestand.
Auch Friedrich Häusler trat im April 1809 zu Nachod
als Volontär -eine neugeschaffene Stellung zwischen Unteroffizier und Leutnant-
und damit unter Inkaufnahme einer Rückstufung in das Freikorps ein,
gleichzeitig mit seinem vormaligen preußischen Kompaniechef von Reichmeister.
Dieser militärische Verband wirft besondere rechtliche und politische Fragen
auf. In seinen Verhandlungen mit Österreich hatte Friedrich Wilhelm Wert darauf
gelegt, dass seine Truppe als die eines selbständigen Reichsfürsten anerkannt wurde
und seine Schwarze Schar demzufolge als regulärer Kampfverband anzusehen war.
Dies war wichtig, weil andere Freikorps, insbesondere das von Schill, mangels
Anerkennung durch ihren Kriegsherrn den Status von Freischärlern bzw.
Partisanen hatten, die nicht dem allgemeinen Kriegsvölkerrecht unterlagen und
deren Teilnehmer deshalb, wie im Fall Schill geschehen, bei ihrer Ergreifung
standrechtlich erschossen werden konnten.. Ob Napoleon diese Unterscheidung
respektiert hätte, ist eine andere Frage.
Aus der Zeit vor dem Aufbruch der Schwarzen Schar ist
eine Episode überliefert, die Friedrich Häusler im Jahre 1809 während des
Wachdienstes vor dem von Herzog Friedrich Wilhelm und seinen Söhnen bewohnten
Hause in Nachod erlebte, als er den Prinzen durch das offene Fenster beim Frühstück zusah. Auf die Auforderung seines
Gouverneurs, dem Posten ein belegtes Brötchen zu reichen, lehnte Prinz Carl
dieses ab, wohingegen der vierjährige Prinz Wilhelm unaufgefordert ein Brötchen
nahm und es "mit seinen allerliebsten dicken Patschhändchen" Häusler
durchs offene Fenster reichte, der es gerührt und mit großem Appetit verzehrte
– ein symptomatisches Verhalten der charakterlich so verschiedenen Prinzen.
Der Zug der Schwarzen Schar durch Norddeutschland bis
zur Wesermündung und die Übernahme durch die Engländer im damals britischen
Helgoland (Tausch gegen Sansibar 1890) ist im Gefolge der patriotischen
Aufwallung der Freiheitskriege gegen Napoleon sehr ausführlich beschrieben
worden. Die Stationen des Zuges sind auf dem Denkmal in Ölper zur Erinnerung an
das Gefecht vom 1. August 1809 festgehalten, das auch Häusler als Teilnehmer
dieses Gefechts aufführt: Zittau, Wilsdruff, Seifertsheim, Lützen, Lindenau,
Rossen, Ober-Marbach, Berneck, Halberstadt. Häusler hat auf diesem Zug einige
Abenteuer bestanden. Allem Anschein nach war er ein wagemutiger Haudegen, der,
wenn man sein Überleben in vielen Schlachten nicht nur als Zufall werten will,
neben der langjährigen Kriegserfahrung wohl auch ein natürliches
Selbstschutzempfinden gehabt haben muss.
Über ein Husarenstück, an dem Friedrich Häusler im
Juni 1809 beteiligt war, berichtet Louis Ferdinand Spehr in dem von Wilhelm
Görges herausgegebenen Friedrich Wilhelm`s Album:
"...Während des Feldzuges im Jahre 1809 hat
Häusler sich durch Muth und Unerschrockenheit stets ausgezeichnet. Er war
Theilnehmer an dem kühnen Unternehmen des Capitain von Sander, welcher in
Verbindung mit ihm und den Oberjägern Sauer, Stengel und Richter während des
Feldzuges in Sachsen einen bedeutenden Geldtransport und eine Anzahl Pferde,
die von Wittenberg durch die Lausitz nach Frankfurt an der Oder geführt wurden,
wiewohl vergeblich, zu nehmen versuchte, und wobei die fünf Krieger im
Städtchen Schlieben in wenigen Minuten 2 Officiere, 17 Soldaten, 1 Arzt und 1
Fourier, und kurze Zeit darauf in Luckau 2 Unterofficiere und 32 Dragoner zu
Gefangenen machten und nach vielfach bestandenen Fährlichkeiten wieder beim
Corps anlangten, ein Wagstück, dem wohl nur wenige in der Kriegsgeschichte zur
Seite gestellt werden können, und das der General Wachholtz in seinen
Mittheilungen aus seinem Tagebuche, Braunschweig 1843, Seite 266 bis 274
ausführlich mittheilt."
Noch ausführlicher ist die Darstellung bei
Kortzfleisch:
"...Über Torgau fuhren die fünf schwarzen
Krieger durch den sächsischen Kurkreis nach Schlieben und fielen hier über eine
zur Rekrutirung kommandirte sächsische Abtheilung von 3 Offizieren und 17
unberittenen Dragonern her, die sich ihnen in unbegreiflicher Bestürzung
gefangen gaben. ... In Luckau bezwangen sie durch Überrumpelung ein starkes
Dragoner-Kommando, das sich dort zur Bewachung des Zuchthauses befand. Unbemerkt kamen sie an die Stadt,
entwaffneten die Schildwache und zwangen sie, sie zur Hauptwache zu führen. Am
Stockhause angelangt, riss Volontär Häusler die Thür zur Wachtstube auf und
herrschte die 18 Mann starke Wache an, sich zu ergeben, oder die Kompagnie
hinter ihm würde Feuer geben. Inzwischen hatten sich die beiden Oberjäger der
Gewehrstützen bemächtigt. Die Wache ergab sich und wurde zum Marktplatze
geführt, wo Capitain Sander eben mit dem Magistrat unterhandelte. Er bestellte
Unterkunft für 3000 Mann und forderte, dass ihm alle im Ort befindlichen
Soldaten ausgeliefert würden. Daraufhin streckten 2 Unteroffiziere, 32 Mann die
Waffen. ... In Lübben kam ihnen zu ihrem Erstaunen der Magistrat entgegen und
bat um Schonung der Stadt, die durch einen Boten aus Luckau auf das Erscheinen
des braunschweigischen Corps vorbereitet war. Die in Lübben befindlichen 10
sächsischen Dragoner ergaben sich. (Den über die preußische Grenze enteilten
Geldtransport versuchten sie vergeblich einzuholen) Bei der Rückkehr nach
Lübben, wo man inzwischen erfahren hatte, dass das schwarze Corps gar nicht
diese Richtung eingeschlagen habe, trat ihnen auf dem Markt eine murrende
Menschenmenge entgegen.
Entschlossen, ihr Leben theuer zu verkaufen, traten
Häusler, Sauer und Richter mit gefälltem Bajonett, Sander mit gezogenem Säbel
zwischen die Menge. Aber es kam nicht zu Feindseligkeiten. Der Landeshauptmann
Graf von Einsiedel befahl, die Braunschweiger mit Speise und Trank zu versehen
und mit frischen Pferden ungehindert abreisen zu lassen. Am 23. Juni trafen die
vier Tapferen in Leipzig wieder bei ihrem Corps ein."
Derartige militärische Raubaktionen muten heute befremdlich
an, waren damals aber üblich. Die sächsischen Städte hatten unter den
Requirierungen durchziehender Truppen sehr zu leiden. Ein besonders rüdes, an
Erpressung grenzendes Verhalten zeigte das Braunschweiger Militär in Chemnitz.
Am 29.6.1809 musste der Rat der Stadt neben den Einquartierungskosten über
6.000 Thaler entrichten. Die von Chemnitz nach 14 Jahren verlangte
Rückerstattung dieses Geldes lehnte das Braunschweigische Geheimrats-Kollegium
am 7.10.1823 mit der fadenscheinigen Begründung ab, der Vorschuss sei
"nicht für das hiesige Herzogtum angefordert, noch als eine für dasselbe
kontrahierte Schuld erhoben worden". Dagegen wurde die von den
Braunschweiger Untertanen eingeforderte sog. freiwillige Zwangsanleihe von
600.000 Reichstalern für außerordentliche Kriegslasten (Verordnung vom
20./29.7.1814) bis Ende 1818 ordnungsgemäß zurückbezahlt.
c) Ankunft der Schwarzen Schar in Braunschweig
Am 31.7.1809 zog der Herzog mit seiner schwarzen
Schar in Braunschweig ein und ergriff in einer Proklamation von dem Land
Besitz. Am 1.8.1809 behauptete sich die Schwarze Schar in dem Gefecht bei
Ölper. Ob das erstaunliche Entrinnen des Schwarzen Herzogs mit seiner Schar vor
der erdrückenden westfälischen Übermacht unter General Reubel wirklich auf der
Einflussnahme der Königin Katharina von Württemberg aus verwandtschaftlicher
Rücksicht beruht (beide haben Herzog Carl Wilhelm Ferdinand als gemeinsamen
Ahnherrn), wie z. B. Erich Rosendahl behauptet, ist nicht endgültig
geklärt, würde aber auch den Waffenruhm
der Schwarzen Schar nicht schmälern. Gegen diese These spricht ein Brief König
Jeromes an Oberst Thielman, in dem er ausführt: "Le duc D´Oels ne doit
point nous échapper. Le Gén[eral] Reubel avec sa division sera demain à Brunswick, par
ce moyen, il sera pris entre deux feux." In dieser bedrängten Lage
stimmte der Herzog mit Hofprediger Bartels und seiner engeren Umgebung das Lied
"Dir trau ich Gott und wanke nicht…" an, was wohl nicht geschehen
wäre, wenn ihm Schonung signalisiert worden wäre.
Das karge Lager, das Herzog Friedrich Wilhelm in
Braunschweig mit seinen Kriegern am Petritor teilte, beschrieb der Dichter Karl
Köchy, mit dessen Familie Häusler durch die Hochzeit seiner Tochter Marie
verwandt werden sollte, wie folgt:
Aus
der Welfen edlem Blute, Nun geächtet und beraubt,
Hier
auf staub´ger Scholle ruhte Friedrich Wilhelm einst das Haupt.
Alles,
was er von dem Lande Seiner Väter noch besaß,
War
der Raum, den er im Sande Mit des Leibes Länge maß !
Haeusler ahnte wohl nicht, dass Braunschweig, wo er
am 2.8.1909, dem Tag seiner Beförderung zum Leutnant, ein denkwürdige
Erlebnisse hatte, einst seine neue Heimat werden sollte. Spehr a.a.O.
berichtet:
"Am 2. August 1809 traf ein vom Herzog schon
verloren gegebener, nicht unbeträchtlicher Theil des Corps unter dem Lieutenant
Häusler in Burgdorf ein. Letzterer hatte die Nacht davor das Commando der Wache
am Augustthore zu Braunschweig gehabt und vom Herzoge die Order erhalten, nicht
eher seinen Posten zu verlassen, als bis entweder der Herzog ihn in Person oder
durch einen eigenhändigen Befehl davon abrufen werde. Hierdurch veranlasst war
Häusler mit seiner Mannschaft auf dem Posten geblieben, obgleich ihm die Kunde
geworden, dass der Herzog morgens 8 Uhr Braunschweig verlassen habe. ... Etwa
Nachmittags 1 Uhr kam ein braunschweigischer Husar, Namens Schwarz, welcher
allein in Wolfenbüttel die Ankunft der Holländer erwartet hatte, angesprengt,
die Nachricht bringend, dass [der die Westfalen befehligende französische
General] Gratien in der Nähe dieser Stadt erschienen sei und ihm bald folgen
werde. Häusler sendete den Husaren an den ebenfalls noch in Braunschweig
verweilenden Rittmeister von Reiche, um sich Verhaltungsbefehle zu erbitten,
und erhielt von diesem die Ordre, sich sofort nach dem Petrithore zurückzuziehen
und ihm, der ebenfalls die Stadt verlassen wollte, zu folgen. ... Glücklich
gelangte Häusler, zu dem unterwegs fortwährend versprengte braunschweigische
Soldaten gestoßen waren, Morgens gegen 3 Uhr, als eben das Corps im Begriff war
nach Hannover aufzubrechen, mit etwa 225 Mann in Burgdorf an. Kaum war er im
Bivouac eingetroffen, als auch schon der Herzog mit den Worten unwillig auf ihn
zutrat: Herr! wenn die Officiere nicht gehorchen, was soll dann aus dem ganzen
Corps werden? Warum haben Sie meine Ordre [offensichtlich: zum Corps
aufzuschließen] nicht befolgt?" – "Durchlaucht, ich habe keine Ordre
erhalten." – Wo ist der Lieutenant Tiede?" fragte der Herzog. Jener,
herbeigerufen, entschuldigte sich auf die Frage, wo er die ihm zur Ausrichtung
gegebene Ordre gelassen? dass er den Weg zum Augustthore nicht habe finden
können, und ein Bürger ihm in die Hand gelobt, die Ordre dem wachhabenden
Officier am Petrithore zustellen zu wollen. Als der Herzog auf diese Weise
Häusler gerechtfertigt sah, befahl er freundlich seinem Kammerdiener, demselben
eine Flasche Wein zur Erquickung zu reichen und lobte nun das Verhalten
Häuslers eben so sehr, als er es früher laut gemissbilligt hatte."
d) Dienst in der englischen Armee
Die Schwarze Schar zog weiter durch Norddeutschland
zur Nordseeküste. Vor der Einschiffung nach Helgoland in Elsfleth mussten die
Pferde zurückgelassen und weit unter Preis verkauft werden. Lieutenant Häusler
erhielt für vier dem Major v. Reichmeister gehörige Pferde nur zehn Pfund
Tabak. Auf Helgoland wurden die Braunschweiger Truppen von britischen
Offizieren inspiziert und die gesunden und mindestens 5 feet 3 inches großen
Krieger übernommen. In England wurden die Krieger der Schwarzen Schar am
25.9.1809 unter dem Namen Brunswick-Regiment in großbritannische Dienste
gestellt, entgegen den Erwartungen von Herzog Friedrich Wilhelm aber nicht als
eigenständige Truppe unter seinem Kommando neu formiert, sondern in die
englische Armee integriert, die auch die Beförderung und die Entlohnung der
Soldaten übernahm.
Friedrich Häusler wurde als Fähnrich (ensign)
übernommen, mußte sich also wie schon bei seinem Eintritt ins Schwarze Korps
wieder eine Rückstufung gefallen lassen, die erst durch seine Beförderung zum Leutnant
am 27.1.1811 wieder aufgeholt werden konnte. Nach einem Jahr in verschiedenen
englischen Garnisonen (Insel Wight, Guernsey, Irland) wurden die Braunschweiger
im August 1810 nach Portugal eingeschifft und ab 1811 in Portugal und Spanien
eingesetzt.
Über den Peninsula-Krieg liegen sehr ausführliche
Berichte vor.Bekanntlich bedeutete die Bindung der Kräfte der Franzosen auf der
Iberischen Halbinsel den Anfang vom Ende der Grande Armée, weil diese Kräfte
1812 in Rußland fehlten. Die Braunschweiger fochten besonders tapfer. In der
schlacht von Fuentes de Onore (3.-5. Mai 1811) war ihre Lage so bedrängt, dass
Wellington ausrief: „By God, the Brunswickers are all lost!“ Die feste Haltung
der Schwarzen und die artilleristische Unterstützung durch Major von Arentschilds
portugiesische Artillerie rettete sie aus dieser großen Gefahr. Auch Häusler
musste mit einer schwierigen Situation fertig werden. Beim Sturm auf
Villamuriel de Cerrato in der kastilischen Provinz Palenzia (15. Okt. 1812)
waren sein Kompaniechef (Kapitän von Sternfeld) und ein weiterer Offizier
(Leutnant Hartwig) gefallen und Kapitän von Nassau schwer verwundet worden.
Häusler hatte als einzig übrig gebliebener Offizierder 2. Kompanie gleichzeitig
die Führung der ganz ohne Offiziere gebliebenen 10. Kompanie übernehmen müssen.
Auch bei Badajoz hatte Häusler sich ausgezeichnet.
Diese stark umkämpfte Festung konnte erst im dritten Anlauf im März 1812 von
den Engländern unter Wellington erobert werden.Neben der Medaille für Kämpfe in
Portugal und Spanien (1821) wurde Häusler mit der Kriegsmedaille der Königin
von England dekoriert (1849). Aus familiärer Sicht ist hierbei pikant, dass ein
Vorfahre der Frau seines Urenkels Albrecht Haeusler, der herzoglich nassauische
Oberst Karl Keimmit den Rheinbundtruppen in Badajoz, später auch in Waterloo,
auf der Gegenseite kämpfte und gleichfalls ausgezeichnet wurde, was später zu
manchen Neckereien im Familienkreis Anlass gab. Die Konstellation, dass sich in
den napoleonischen Kriegen deutsche Familienangehörige gegenüberstanden, war in
jener Zeit keine Seltenheit.
Eine "Nebentätigkeit" Häuslers während des
Iberischen Krieges war seine Mitwirkung in kriegsgerichtlichen Verhandlungen.
Trotz der Eingliederung in die englische Armee urteilten die Braunschweiger Verbände
militärdienstliche Vergehen ihrer Soldaten selbst ab. Die Verhandlungen und die
Urteile sind in einem bei den Militärakten des Herzogs Friedrich Wilhelm im
Staatsarchiv Wolfenbüttel befindlichen Buch vermerkt, das die Zeit vom
16.2.1811 bis 5.9.1814 umfasst. Der
Titel "Court Martial Book of the Duke of
Brunswicks Regt of Lt. Infty" [Light Infantry] steht sinnigerweise auf
einem ausgeschnittenen roten Herz, das auf die Vorderseite des Buches geklebt
wurde. (Die deutlich sichtbaren Flecke darauf können von Blut oder Rotwein
herrühren !). Verhandlungstage unter Teilnahme Häuslers waren z.B. 21.3.1811
(Vorsitz Captain Proestler), 26.3., 1.4., 25.4., 21.6., 23.6. und 1.7.1811 und
1.7.1813. Neben Freisprüchen gab es Züchtigungsstrafen (z.B. im letzten Fall
200 lashes!).
e) Rückkehr nach Braunschweig, Waterloo
Als sich die Niederlage Napoleons in Spanien
abzeichnete, hatte Herzog Friedrich Wilhelm Mühe, bewährte Offiziere als Kader für die
anstehende Neuformierung Braunschweiger Truppen freizubekommen. In einem
Schreiben vom 20.11.1813 aus seinem englischen Aufenthaltsort Belmont-House
forderte er beim Regiments-Kommandeur den Major Fragstein, die Captains
Wachholtz und Lisnewsky, desgl. die Lieutenants Normann, Paczinsky, Häusler und
Carl Grüttemann hierfür an. Aber erst Ende 1813 wurde diesem Anliegen
entsprochen, nachdem Herzberg, damals Oberstleutnant, deswegen in St. Jean de
Luz mit Wellington verhandelt hatte.
Ende.1813 brachen die Genannten per Schiff in die
Heimat auf und zwar über London, weil sie aus englischem Dienst lediglich
beurlaubt waren und daher noch Urlaub beim Herzog beantragen mussten. Das Gros
der Streitmacht hielt nach Beendigung des Peninsula-Krieges und längerem
Zwischenaufenthalt in England erst am 10.11.1814 feierlichen Einzug in
Braunschweig und schied Ende dieses Jahres aus englischen Sold.
Zeit zur Muße war den Kriegern nicht vergönnt. Der
Ausmarsch auf den französischen Kriegsschauplatz bei Maastricht im April 1814 endete zwar ohne
Eingreifen der Braunschweiger durch den Pariser Frieden vom 30.5.1814. Bereits
im Jahr darauf hatten die Braunschweiger aber schon die unentschieden
ausgegangene Schlacht von Quatre Bras (16.6.1815) und die Entscheidungsschlacht
von Waterloo (18.6.1815) zu bestehen. Herzog Friedrich Wilhelm fiel bei Quatre
Bras.
Zu Beginn der Schlacht von Waterloo am 18.6.1815
standen die Braunschweiger auf dem rechten Flügel beim Heeresteil des Prinzen
von Oranien. Napoleon versuchte im Zentrum bei den Engländern durchzubrechen,
um die Armeen zu teilen und einzeln schlagen zu können. Als das englische
Zentrum zurückweichen musste, setzte Wellington die Braunschweiger dort ein.
Die Franzosen scheiterten an dem aufopfernden Kampf der Braunschweigischen
Karrees, die unterstützt von eigener Kavallerie mehrere Attacken der
französischen Reiterei zurückschlugen. Die Entscheidung fiel dann mit dem
Eingreifen von 10.000 Preußen unter Blücher.
In Waterloo war Häusler als Kapitän im 3. leichten
Bataillon (Patent vom 18.2.1814) eingesetzt. Nach einem Berichte des Obersten
Olfermann hat er durch eine dem Feinde kühn entgegengeführte Tirailleurlinie
demselben bedeutenden Schaden zugefügt.
Nach der großen Schlacht schrieb Häusler seiner Frau
Auguste geb. von Papet in Braunschweig, die er erst am 28.3.1815 geheiratet
hatte, folgenden Brief, von dem eine Abschrift im Staatsarchiv Wolfenbüttel
aufbewahrt wird:
"den 19. Juny 1815
Nouvelle
Biwak gegeben
auf
einem Gebund Stroh
Geliebte
Frau !
Gott sey es gedankt ! ich
bin wohl und munter der 16. 17. + 18. waren heisse Tage, Menschen wurden gemeht
wie Heu, vom 3. Leichten Batt. sind present 211 Mann 1 Cap: 4 Fändrichs, andere
blessirt und todt, Praun ist auch ein Schlachtopfer, eine Kanonenkugel
zerschlug ihm die Füsse, Bonaparte ist geschlagen. Meilenweit sind die Felder
mit Menschen, Pferden und Kanonen beseht, Lebe wohl, einzig geliebtes Weib.
Gott erhalte Dich gesund, und mich bald in Deine Arme, Ebeling ist durch eine
Granate der Fuss zerschlagen, die Menge Officirs, die das Corps verlohren hat,
ist stark
Lebe
wohl
Dein
Häusler"
f) Weitere Militärkarriere in Braunschweig
Nach Waterloo setzte sich die militärische Karriere
von Friedrich Häusler in Braunschweig fort: Kompaniechef im 2. leichten
Bataillon ab 3.2.1816, zum Leib-Bataillon kommandiert 1.1.1819, zum
Reseve-Bataillon 8.5.1822, zum Jäger- oder Leib-Bataillon 28.1.1824. Dieses am
1.2.1824 errichtete Bataillon wurde aus den Schützen und gewandtesten Leuten
des bisherigen Infanterie-Regiments gebildet. Es behielt als einzige Formation
die historische schwarze Uniform (während die anderen Verbände dem preußischen
Schnitt angepasst wurden).
Über die Vaterschaft der Schwarzen Schar für die
Braunschweiger Bataillone entspann sich noch 100 Jahre nach Errichtung der
Schwarzen Schar eine Kontroverse Im Jahre 1909 vertrat von Kortzfleisch die
These, bei dem Leibbataillon des Jahres 1824 handele es sich trotz Beibehaltung
der schwarzen Uniform um eine Neuschöpfung; die Tradition der Schwarzen Schar
würde von dem neuen 1. Linien-Infanterie-Regiment (mit seinen 2 Bataillonen)
fortgeführt. Von Otto vertrat vehement den Gegenstandpunkt, wonach allein das
Leibbataillon der legitime Nachfolger des Schwarzen Schar von 1809 sei. Den 50.
Gründungstag feierte auf Einladung von Herzog Wilhelm allein das Leibbataillon
in Blankenburg, wozu auch die "alten Krieger" eingeladen waren. Es
ist auch schwer einzusehen, dass die Verleihung einer traditionsreichen Uniform
nicht der Einheit gelten sollte, die diese Tradition begründet und weiterhin
verkörpert hatte. Durch die Zusammenfassung der drei Braunschweigischen
Bataillone (1., 2. und Leibbataillon) zum Infanterie-Regiment Nr. 92 am
3.10.1867 wurde diese Frage dann obsolet.
Friedrich Häusler, der seit 1806 nur das unstete
Soldatenleben kannte, verbrachte die ersten Jahre nach seiner Rückkehr aus dem
Krieg in verschiedenen Garnisonsunterkünften in Braunschweig und Wolfenbüttel.
Ab 1820 wohnte die Familie in der Gördelingerstaße 41 (alte Brand-Nr. 81),
einer an Hotels und Gaststätten reichen Straße. Über seine Frau Auguste geb.
von Papet erwarb Friedrich
Häusler verwandtschaftlichen Zugang zu einigen
alteingesessenen Braunschweiger Familien. Die Familie von Papet aus Erfurt war
erst 1732 durch Einheirat in die Amtmannfamilie Breymann auf Salder und
Gebhardshagen in den Braunschweiger Raum gekommen. Beide Familien werden je in
einem Exkurs behandelt.
g) Sanktionen für den Übertritt in die Schwarze Schar
Friedrich Häuslers Wechsel ohne Abschied vom
preußischen zum Braunschweigischen Militär brachten ihm strafrechtliche
Verfolgung und Verlust der Pensionsansprüche in Preußen ein. Gegen alle Preußen
in gleicher Situation, unabhängig davon, ob sie inzwischen in ihre Heimat
zurückgekehrt waren oder nicht, wurden Straf- und Disziplinarverfahren
eingeleitet. Über diese Verfahren berichtet Anton Ernstberger ausführlich unter
der Überschrift "Kriegsgericht in Preußen". Es gab zwei
unterschiedliche Anklagepunkte: einmal die Verletzung preußischer
Militärgesetze (dieser Punkt konnte schon aus preußischer Prinzipientreue nicht
fallengelassen werden), zum anderen der Verstoß gegen die Neutralitätsverpflichtung
gegenüber Frankreich (deren Verletzung durch Nichtbelangung der
"Deserteure" französische Sanktionen nach sich ziehen konnte).
Da der Freikorpsgedanke jedoch zumindest innerlich
bei der preußischen Führung Zustimmung fand, wurde durch die Zusammensetzung
des Gerichts, dessen Vorsitz wie schon im Fall Schill General v. Blücher
übertragen wurde, dafür gesorgt, dass zwar formal Recht gesprochen wurde, die
am 31.5. und 1.10.1810 in Stargard ausgesprochenen Urteile aber milde
ausfielen. Als Geste des Entgegenkommens erlaubte König Friedrich Wilhelm III.
aber während des Wiener Kongresses 1815 den verurteilten Freikorpsoffizieren
die Rückkehr in die Heimat unter Aufrechterhaltung der Vermögensstrafen und
Ablehnung einer Wiederaufnahme in die preußische Armee vor Unterbringung der
überzähligen Offiziere des letzten Krieges. Erst sieben Jahre später, im
Februar 1822 wurde eine vollständige Begnadigung ausgesprochen und Gelegenheit
gegeben, durch nachträgliche Erwirkung des Abschieds aus dem preußischen Dienst
Pensionsansprüche zu erwerben. Häusler erhielt 1823 den beantragten Abschied.
Die Pension, die Häusler aus seiner
Braunschweigisch-englischen Militärzeit bezog, errechnete sich aus 23
Dienstjahren (1809-1832). Nach einer Aufstellung von 1845 bezog er ab 1.5.1832 780 Thaler. Wie sich aus erhaltenen
Familienbriefen ergibt, war die Familie auf sparsame Lebensführung angewiesen.
Der Sohn Otto konnte nur dank eines Stipendiums der Stadt Braunschweig
studieren; zwei Töchter blieben wohl mangels standesgemäßer Ausstattung ledig.
h) Braunschweiger Aufstand von 1830
Leider ist nicht bekannt, wie Häusler sich bei der
Braunschweiger Revolte von 1830 verhalten hat, und ob er, wie viele Offiziere,
in einen Loyalitätskonflikt gegenüber Herzog Karl geraten ist, der durch sein
herrisches und unbeherrschtes Verhalten die Krise heraufbeschworen hatte.
Häusler war
leider schreibfaul, wodurch es auch kaum
schriftlichen Zeugnisse von ihm selbst über sein abenteuerliches Leben gibt.
Die hartnäckig vertretene Meinung, die Revolte des Jahres 1830 sei von
unzufriedenen Militärs oder Beamten ausgegangen, lässt sich nach der
umfangreichsten Studie zu diesem Thema von Bernhard Kiekenap, nicht eindeutig
belegen. Im Zuge der folgenden Revolution von 1848, die in Braunschweig
vergleichsweise harmlos ausfiel, weil ab 1830 schon einige der politischen
Forderungen erfüllt waren, trat Friedrich Häusler, wie auch sein Sohn Otto, dem
1848 gegründeten vaterländischen Verein bei, in dem das Militär mit 9,5 %
gegenüber der Hauptgruppe Wirtschaftsbürgertum (23 %) unterrepräsentiert war.
In einer Druckschrift des Ministerialrats Koch
"Der Aufstand der Braunschweiger ..." , eine Fortschreibung der von
Stadtdirektor Bode wenige Tage nach dem Aufstand verfassten "kurzen
Geschichte des Aufstandes der Braunschweiger im September 1830" wird die
gesamte Schuld dafür, dass es unmöglich gewesen sei, das Schloss planmäßig zu
verteidigen, Herzog Karl II. zugeschoben. Zwei Jägerkompanien, die vor den
Schlossflügeln auf dem Bohlweg unter Befehl der Hauptleute Berner und Häusler
aufgestellt gewesen seien, wären "im gefährlichsten Moment von dem
bedrohtesten Platz zu der Person des Herzogs zurückgekehrt und hätten dadurch
eine wirksame Verteidigung des Schlosses unmöglich gemacht". Ferner hätte
der Herzog mehrere Schwadronen für seine Flucht abgezogen. Darüber, ob ein
Zusammenhang mit Häuslers Verhalten während der Revolte und seiner Zuteilung
zum Reserve-Kader ab 17.10.1830 und der frühe Abschied im Alter von nur 50
Jahren am 13.4.1832 besteht, kann nur spekuliert werden.
i) Herzoglicher Sonderauftrag
Herzog Wilhelm scheint jedenfalls keine Vorbehalte
gegen ihn gehabt zu haben. Sonst hätte er ihm nicht im Jahre 1844 an einem
Sonderauftrag teilhaben lassen, den Auguste Häusler in einem Brief vom
10.5.1844 an ihren Sohn Otto wie folgt darstellt:
"...Aber das Neueste
ist, ... dass der Vater urplötzlich eine große Reise machen wird, und zwar auf
hohen Befehl, und, was das Beste, sogar ohne eigne Kosten; der hg. v. Vechelde
ist nämlich vom Herzog beauftragt, eine Art Volksbuch, ungefähr wie das von
Sporschil, über den Feldzug von 1809 zu schreiben, und dazu an all´ den Orten,
welche der Marsch berührt, Notizen etc. zu sammeln; allein hat er dies, seiner
Gebrechlichkeit wegen, nicht allein unternehmen wollen, überhaupt einen
Off[izier], der damals dabei gewesen, sich zur Stütze und Mithülfe ausgebeten;
worauf der Herzog den Vater genannt, womit V[echelde] denn zufrieden gewesen.
... [Die Reise] wird ungefähr 14 – 20 Tage dauern. ..."
Hier trafen nun zwei sehr unterschiedliche und
eigenwillige Naturelle aufeinander, so dass Streit und Zerwürfnis während der
Reise nicht ausblieben. Schon im nächsten Brief an Otto gibt Auguste Häusler
einen Brief ihres Mannes aus Breslau wieder, wonach "mit hg. v. V. gar
nicht auszukommen gewesen, er [Häusler] sich deshalb schon in Dresden von ihm
getrennt und allein nach Breslau gereist sei; ... der eigentliche Zweck der
Reise scheint mir nun verfehlt zu sein ..."
j) Theaterzettelsammlung
Der frühe Ruhestand gab Häusler die Muße, seiner
besonderen Vorliebe für das Theater und das Sammeln von Theaterzetteln zu
nachzugehen; sein Sohn Otto steuerte Exemplare aus seinen Studienorten bei. Die
so entstandene Sammlung wurde von seinen Erben durch schriftliche Vereinbarung
vom 12.1.1866 zum Preis von 100 Talern der Stadt Braunschweig verkauft. Sie
bildet den Grundstock für die heute vom Stadtarchiv betreute Braunschweiger
Theaterzettelsammlung, die mit ihren über 136.000 Exemplaren in den Worten des
früheren Stadtarchivars Dr. Ottokar Israel "die umfangreichste und
bedeutendste Sammlung dieser Art überhaupt" darstellt. Das älteste Stück
der Sammlung stammt von 1711; Glanzstücke sind die Theaterzettel der
Uraufführungen von Lessings Emilia Galotti (1772) und Goethes Faust (1829). Als
eine mit dem Aufkommen gedruckter Programmhefte zu Beginn des 20. Jahrhunderts
ausgestorbene Gattung interessieren die Theaterzettel noch heute das
Fachpublikum. Benutzer kommen aus aller Welt.
Das Sammeln von Theaterzetteln war damals "en
vogue". Häusler gehörte aber sicher nicht zu jenen Sammlern, die Robert
Musil in seinem Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" ironisch so
beschreibt: "Er [ein österreichischer General] ließ dort auch geistig die
Schärfe vermissen, die man zum Reiten braucht, aber er machte alle
Militärkonzerte mit, besuchte die Museen und sammelte Theaterzettel."
k) Familienbilder
Etwa um 1850 ließ Friedrich Häusler bei dem
Portraitmaler Heinrich Neumann, einem Romantiker (1801-1879), von sich und
seiner Frau je ein Ölbild anfertigen, das ihn in der schwarzen Uniform und sie
in zeitgenössischer Kleidung mit Spitzenumhang und -haube darstellt. Das
Original von Friedrich Häusler wurde dem Vaterländischen Museum 1890 für die
Ausstellung im Rahmen der 75-Jahrfeier der Schlacht von Waterloo überlassen.
Die im Jahre 1909 verstorbene Tochter Agathe Häusler vermachte dem Museum beide
Bilder. Das Bild Auguste Haeusler wurde jedoch "mangels Interesse"
zurückgegeben.
Von dem Original Friedrich Häuslers ließ sein Enkel
Willy Haeusler mit Genehmigung des Museums in den ersten Jahren des 20.
Jahrhunderts eine Kopie anfertigen, die sich noch in Familienbesitz befindet.
Einen Antrag des Urenkels Albrecht Haeusler beim Landesmuseum im Jahre 1956 auf
Rücktausch des Original gegen die Kopie mit dem Ziel einer
"Wiedervereinigung" der Originale wurde vom Museum abgelehnt. Die
damalige, rein militärgeschichtlich begründete Entscheidung wurde bedauert, da
zu den musealen Aufgaben auch die Darstellung ostfälischer Frauengestalten
gehöre. Für den Fall des Aussterbens der Familie Haeusler wurde die Überlassung
auch des seinerzeit zurückgewiesenen Bildes erbeten (BLM-Brief vom 27.8.1956).
Auguste Häusler, geb. v. Papet
(1789-1862) und Friedrich Haeusler (1780-1865),
dargestellt auf Ölbildern von
Heinrich Neumann um 1850.
Das Originalportrait von Friedrich Häusler wurde
zuletzt 1990 in der Ausstellung des Braunschweigischen Landesmuseums
"Vaterland 1813 – 1815" gezeigt. Weibliches Original und männliche
Kopie befinden sich heute bei Dr. Jochen Haeusler in Nürnberg. Auf einer
Daguerreotypie aus der Anfangszeit dieser Technik, heute im Besitz von Frau
Maria Elisabeth Sievers geb. Haeusler in Stadtallendorf, ist das Ehepaar Häusler
mit ihren Kindern Otto, Franziska und Agathe abgebildet.
Daguerreotypie ca. 1850: Auguste und Friedrich Häusler
mit
den Kindern Otto, Franziska und Agathe.
l) Lebensende
Friedrich Häusler erhielt für seine Verdienste
zahlreiche Auszeichnungen. Das Ehrenzeichen 1809, die Peninsulamedaille, die
Waterloomedaille, die Victoriamedaille und die Preußische silberne
Militär-Verdienstmedaille wurden von seinen Kindern zur Gedenkausstellung der
Waterloo-Schlacht im Jahr 1890 zur Verfügung gestellt. Am 25.4.1855 wurde
Friedrich Häusler auch das Verdienstkreuz I. Klasse des Ordens Heinrichs des
Löwen verliehen. Friedrich Häusler starb am 26.12.1865 kurze Zeit nach dem Tod
seiner Frau (1862) in Braunschweig. Er wurde auf dem Martinifriedhof beerdigt. (Das Grab ist nicht erhalten.)