Geschichte der Familie Haeusler aus Braunschweig
und
Le
bensgeschichte von Friedrich Häusler

 

1. Schlesisches Vorspiel

 

Genau 170 Jahre lang, von 1814 bis 1984, lebten fünf Generationen der Familie Haeusler, deren Nachkommen heute außer in Deutschland über mehrere europäische sowie nord- und südamerikanische Länder verteilt sind, in Braunschweig. Die ursprüngliche Schreibweise "Häusler" wurde von Justizrat Otto Haeusler (1823-1900) ca. 1840 in "Haeusler" abgeändert. Der Ursprung der Familie liegt in Schlesien. Anders als bei den angeheirateten Braunschweiger Verwandten reichen die Kenntnisse über die schlesischen Vorfahren nicht sehr weit zurück. Nach mündlicher Überlieferung soll ein Johann Kaspar Häusler um 1650 in Wohlau bei Breslau gelebt haben. Die Vorfahren sollen aber bereits als Glaubensflüchtlinge nach Schlesien gekommen sein (aus der Schweiz? aus Böhmen?). Jedenfalls waren die Mitglieder der Familie Häusler, soweit Daten verfügbar sind, immer evangelisch.

 

Der nächstbekannte Namensträger ist Kaspar Häusler, Bürgermeister auf dem Bürgerwerder in Breslau und damit Ratsmitglied dieser Stadt. Auf dem Bürgerwerder hätte er die Entstehung von Lessings Minna von Barnhelm miterleben können. Lessing war 1760 in den Dienst des Grafen Tauentzien, des Verteidigers von Breslau im Siebenjährigen Krieg, getreten und hatte die Erfahrungen mit dem ihm bis dahin unbekannten Soldatenstand literarisch in ein Lustspiel umgesetzt, das er im Frühjahr 1763 in einem Gartenpavillon auf dem Bürgerwerder schrieb.

 

Kaspar Häusler soll 1772 bei dem Versuch, einen Ertrinkenden aus dem Hochwasser der Oder zu retten, selbst ertrunken sein. Seine erst später gefundene Leiche wurde an seinen Schmuckstücken, u a. an einem Manschettenknopf mit einem in einen Karneolstein eingraviertem Sokrates-Kopf erkannt, der, als Ring verarbeitet, in der Folgezeit stets an die Frau des ältesten Sohnes Haeusler vererbt wurde. Von der Schlesischen Zeitung, die über diesen Vorgang Auskunft geben könnte, ist ausgerechnet der Jahrgang 1772 nicht erhalten. Der Verlust könnte sich durch das in diesem Jahr herrschende Oder-Hochwasser erklären.

 

Nicht auszuschließen ist auch, dass in der Familienüberlieferung eine Anlehnung an der Tod von Herzog Leopold von Braunschweig am 27. April 1785 vorgenommen wurde, der bei einem ähnlichen Rettungsversuch ums Leben kam. Die für einen regierenden Fürsten ungewöhnliche Tat, in vielen zeitgenössischen Darstellungen festgehalten  (z. B. von Chodowiecki), löste damals in Europa starke Emotionen aus. Wenn man davon ausgeht, dass Kaspar Häusler bei der Rettungsaktion schon 60 Jahre und bei der Geburt seines Sohnes (1732) erst 20 Jahre alt war, muß er etwa um 1712 herum geboren sein. Kaspar Häusler war mit der Tochter eines Schiffers vom Bürgerwerder namens Langer verheiratet.

 

Der Ehe entstammt der Sohn Kaspar Benjamin Häusler, geb. 8. 12. 1731 in Breslau, gest. 20. 6. 1796 in Münsterberg. Von ihm liegen mit dem Eintrag im evangelischen Begräbnisbuch 1777 – 1806 von Münsterberg die ersten gesicherten Familiendaten vor. Kaspar Benjamin Häusler wurde Kämmerer zu Breslau und Polizeybürgermeister der (damals gemeinsam verwalteten) Städte Grottkau und Münsterberg. Der erwähnte Sterbeeintrag lautet:

 

                                    

 

                                    Aufkleber vom Original des Begräbnisbuchs

 

"d. 22. Juny [1796] auf unserm Friedhof Benjamin Häusler, Policey Bürgermeister allhier, welcher d. 20. ejusd[em] früh um 4 Uhr an zurückgetretener Podagra [=Fussgicht] gestorben. Alt 64 Jahr 6 Mon. 12 Tag"

 

 

 

Eintrag lfd. Nr. 19 aus dem Begräbnisbuch Münsterberg vom 22. Juni 1796

 

Kaspar Benjamin Häusler war verheiratet mit Eleonore Johanna Fuhrmann, geb. 20. 6. 1748 in Breslau, gest. 9. 11. 1784 in Münsterberg. Die Eheleute verzogen nach Grottkau, wo ihr Sohn, der nachstehend behandelte Friedrich Gottlieb Benjamin zur Welt kam.

 

 

2. Die erste Generation: Friedrich Häusler – der erste "Braunschweiger" der Familie

 

a) Jugend und Militärdienst in Preußen

 

Friedrich Gottlieb Benjamin Häusler  (Rufname Friedrich) wurde am 6.8.1780 im schlesischen Grottkau geboren. Er verlor die Mutter mit 4 Jahren, den Vater mit 16 Jahren und wurde Accise-Offiziant in der Breslauer Steuerverwaltung im 1741 preußisch gewordenen Schlesien, bevor er sich 1806 dem Soldatenberuf zuwandte.

Preußen hatte sich aufgrund seiner Neutralitätsverpflichtung im Baseler Frieden von 1795 erst wieder am 4. Koalitionskrieg gegen Frankreich 1806/07 beteiligt. Nach der Niederlage von Jena und Auerstedt (14.10.1806) und der weitgehenden Besetzung Schlesiens durch die Franzosen war auch die dortige Militärorganisation zusammengebrochen. Im sog. Kleinen Krieg leistete Preußen aber noch bis zum Tilsiter Frieden (17.7.1807) in den nicht besetzten Gebieten, besonders in der Grafschaft Glatz,  militärischen Widerstand.

 

Im November 1806 ernannte König Friedrich Wilhelm III. den Herzog Friedrich Ferdinand von Anhalt-Pleß zum Generalmajor und Generalgouverneur von Schlesien und beauftragte ihn u. a. mit der militärischen Neuorganisation. Dieser wurde jedoch schon im März dieses Jahres zum königlichen Stab beordert. Nachfolger war Graf von Goetzen. Der Auftrag des Königs an den Generalgouverneur lautete: "in Schlesien die außerordentlichen Hilfsmittel mit militärischer Energie aufzutreiben, um Festungen, welche vom Feinde noch nicht eingeschlossen, mit allem Notwendigen zu versorgen, ihre Besatzungen zu verstärken und hierzu sowohl die auszuhebenden Rekruten als die vielen im Lande sich herumtreibenden Versprengten zu sammeln und, wenn es sich erreichen ließe, ein besonderes Korps zur Behauptung der Provinz daraus zu bilden".

 

Mit Erlaubnis des Grafen Goetzen stellte daraufhin Leutnant von Reichmeister als erste Einheit die Freiwillige Schützenkompanie von Reichmeister in Reichenstein auf. In diese Kompanie trat Friedrich Häusler im Dezember 1806 ein. Seine erlebnisreiche militärische Karriere im preußischen und Braunschweigischen Dienst ist im Telegrammstil wie folgt in der Regimentsgeschichte von Kortzfleisch festgehalten:

 

Häusler Friedrich. * 6.8.1780 zu Grottkau; 1803 Accise-Offiziant in Breslau; 12/1806

           Volontär in der Schles[ischen] Schütz[en] Kamp[anie] v[on] Reichmeister; 1807 Uffz.

           [Unteroffizier]; 1.6.1807 bei Glatz verw[undet]; 4/1809 ohne Absch[ied] zu Nachod als

           Volontär ins brschw.[braunscheigische] Corps]; 7/1809 Fähnr[ich]; 29.7.1809 bei

           Halberstadt verw[undet]; 2.8.1809 Sek[onde]-Lieut[enant]; 29.9.1809 Fähnr[ich] im

           engl[isch]-brschw. Rgt.[Regiment]; 1810-13 Halbinselkr[ieg]; 27.6.1811 Lieut.;

           28.2.1814 Kap[itain] im 3. leicht[en] Bat[aillon] (Pat[ent] 18.2.1814); 1815 Kr[ieg]

           geg[en] Frankr[eich]; 3.2. 1816 Komp.-Chef im 2. leicht. Bat.; 1.1.1819 zum Leib-

           Bat.; 8.5.1822 zum Res[erve]-Bat; 17.10.1830 dem Res[erve]-Kadre aggr[egiert]         [=zugeteilt]; 13.4.1832 Absch[ied]; 25.4.1832 Char[ge] als Major; +26.12.1865 zu

           Braunschweig.

 

Teichmüller führt Häusler als "im Corps des Fürsten von Anhalt-Pleß" dienend auf. Herzog Friedrich Ferdinand von Anhalt-Pleß -ab 1818 auch von Anhalt-Köthen- (1769-1830) wurde im Laufe seiner 1786 begonnenen militärischen Karriere 1805 Kommandeur und 1807 Chef des Husarenregiments von Schimmelpfennig (Nr.6), das entsprechend damaliger Übung seinen Namen übernahm. Diese Einheit, die nach mehreren Umorganisationen und Umbenennungen 1889 zum Husaren-Regiment von Schill (1. Schlesisches) Nr. 4 wurde, ist nicht der Verband, in dem Friedrich Häusler diente. Die Erwähnung "im Korps des Fürsten von Anhalt-Pleß" beruht vielmehr darauf, dass die Kompanie v. Reichmeister zu den unter der Organisationsgewalt des Fürsten von Anhalt-Pleß entstandenen Verbänden gehörte. Die Kompanie Reichmeister zählt zu den Stammtruppen des späteren Jäger-Bataillons von Neumann (1. Schlesisches) Nr. 5.

 

Die Gefechte, die die Kompanie von Reichmeister im sog. Kleinen Krieg von 1807 zu bestehen hatte, sind ausführlich beschrieben in der Bataillonsgeschichte v. Otto. Im einzelnen war Friedrich Häusler an folgenden Gefechten mit der Kompanie von Reichmeister beteiligt:

 

 

Die Kampfhandlungen sind außerdem dokumentiert bei Curt Janny (aus preußischer Sicht) und Joseph Schmölzl (aus bayerisch-französischer Sicht).

 

Durch den Tilsiter Frieden vom 9. Juli 1807 zwischen Preußen und Frankreich wurden die Feindseligkeiten in Schlesien beendet. Viele auf den preußischen König vereidigte Offiziere und Unteroffiziere suchten daher Kriegsdienst gegen Frankreich in anderen Verbänden, Freikorps oder ausländischen Armeen. Dies geschah einmal, weil sie oft nichts anderes gelernt hatten, vor allem aber aus vaterländischer Gesinnung. Sie waren aber, wenn sie nicht aus dem preußischen Dienst entlassen waren,  bei diesem Schritt Fahnenflüchtigen gleichzusetzen, was später noch straf- und versorgungsrechtliche Folgen haben sollte. Der billigenswerte Zweck heiligte nicht die Mittel.

 

b) Eintritt in die Schwarze Schar

 

Friedrich Häusler trat in Braunschweigische Dienste. Napoleon hatte das Herzogtum Braunschweig trotz dessen Neutralität aufgelöst und das Gebiet dem Königreich Westfalen zugeschlagen. Herzog Karl Wilhelm Ferdinand war sein erklärter Gegner als Anführer der preußischen Heeresmacht und als Unterzeichner einer Parteinahme zugunsten der Bourbonen (Koblenzer Manifest vom 25.7.1792); zudem hatte er den ihm angebotenen Oberbefehl über die französische Revolutionsarmee abgelehnt. Braunschweig konnte daher nach dem Tode von Karl Wilhelm Ferdinand auch unter dem Nachfolger Friedrich Wilhelm nicht mit Schonung rechnen (Napoleon: "La Maison de Brunswick a cessé de gouverner.").

 

Herzog Friedrich Wilhelm musste sich in das 1805 an ihn übergegangene (seit 1764 Braunschweigische) Fürstentum Oels in Schlesien zurückziehen. Von dort aus stellte er ein Freikorps (die sog. Schwarze Schar) auf mit der Absicht, einen allgemeinen Volksaufstand gegen die französische Fremdherrschaft zu organisieren und das Herzogtum Braunschweig wiederzugewinnen. Bekanntlich war die Zeit hierfür noch nicht reif und es bedurfte noch vieler Waffengänge bis zur Herstellung des Herzogtums Braunschweig, was der 1815 bei Quatre Bras gefallene Herzog selbst nicht mehr erlebte.

 

Die in Oels begonnene Werbung musste wegen der preußischen friedensvertraglichen Bindungen auf böhmisches Gebiet verlegt werden. Dies geschah hauptsächlich in der Grenzstadt Nachod; Verstärkungen kamen während des Zuges der Schwarzen Schar hinzu, z.B. in Schleiz, wo zuvor das Hauptquartier von König Jérome gewesen war. Dadurch ergab sich die Besonderheit, dass die Braunschweiger Schwarze Schar, insbesondere das Offizierskorps, anfänglich fast ausnahmslos aus "Ausländern", vor allem Preußen, bestand.

Auch Friedrich Häusler trat im April 1809 zu Nachod als Volontär -eine neugeschaffene Stellung zwischen Unteroffizier und Leutnant- und damit unter Inkaufnahme einer Rückstufung in das Freikorps ein, gleichzeitig mit seinem vormaligen preußischen Kompaniechef von Reichmeister. Dieser militärische Verband wirft besondere rechtliche und politische Fragen auf. In seinen Verhandlungen mit Österreich hatte Friedrich Wilhelm Wert darauf gelegt, dass seine Truppe als die eines selbständigen Reichsfürsten anerkannt wurde und seine Schwarze Schar demzufolge als regulärer Kampfverband anzusehen war. Dies war wichtig, weil andere Freikorps, insbesondere das von Schill, mangels Anerkennung durch ihren Kriegsherrn den Status von Freischärlern bzw. Partisanen hatten, die nicht dem allgemeinen Kriegsvölkerrecht unterlagen und deren Teilnehmer deshalb, wie im Fall Schill geschehen, bei ihrer Ergreifung standrechtlich erschossen werden konnten.. Ob Napoleon diese Unterscheidung respektiert hätte, ist eine andere Frage.

 

Aus der Zeit vor dem Aufbruch der Schwarzen Schar ist eine Episode überliefert, die Friedrich Häusler im Jahre 1809 während des Wachdienstes vor dem von Herzog Friedrich Wilhelm und seinen Söhnen bewohnten Hause in Nachod erlebte, als er den Prinzen durch das offene Fenster beim  Frühstück zusah. Auf die Auforderung seines Gouverneurs, dem Posten ein belegtes Brötchen zu reichen, lehnte Prinz Carl dieses ab, wohingegen der vierjährige Prinz Wilhelm unaufgefordert ein Brötchen nahm und es "mit seinen allerliebsten dicken Patschhändchen" Häusler durchs offene Fenster reichte, der es gerührt und mit großem Appetit verzehrte – ein symptomatisches Verhalten der charakterlich so verschiedenen Prinzen.

 

Der Zug der Schwarzen Schar durch Norddeutschland bis zur Wesermündung und die Übernahme durch die Engländer im damals britischen Helgoland (Tausch gegen Sansibar 1890) ist im Gefolge der patriotischen Aufwallung der Freiheitskriege gegen Napoleon sehr ausführlich beschrieben worden. Die Stationen des Zuges sind auf dem Denkmal in Ölper zur Erinnerung an das Gefecht vom 1. August 1809 festgehalten, das auch Häusler als Teilnehmer dieses Gefechts aufführt: Zittau, Wilsdruff, Seifertsheim, Lützen, Lindenau, Rossen, Ober-Marbach, Berneck, Halberstadt. Häusler hat auf diesem Zug einige Abenteuer bestanden. Allem Anschein nach war er ein wagemutiger Haudegen, der, wenn man sein Überleben in vielen Schlachten nicht nur als Zufall werten will, neben der langjährigen Kriegserfahrung wohl auch ein natürliches Selbstschutzempfinden gehabt haben muss.

 

Über ein Husarenstück, an dem Friedrich Häusler im Juni 1809 beteiligt war, berichtet Louis Ferdinand Spehr in dem von Wilhelm Görges herausgegebenen Friedrich Wilhelm`s Album:

"...Während des Feldzuges im Jahre 1809 hat Häusler sich durch Muth und Unerschrockenheit stets ausgezeichnet. Er war Theilnehmer an dem kühnen Unternehmen des Capitain von Sander, welcher in Verbindung mit ihm und den Oberjägern Sauer, Stengel und Richter während des Feldzuges in Sachsen einen bedeutenden Geldtransport und eine Anzahl Pferde, die von Wittenberg durch die Lausitz nach Frankfurt an der Oder geführt wurden, wiewohl vergeblich, zu nehmen versuchte, und wobei die fünf Krieger im Städtchen Schlieben in wenigen Minuten 2 Officiere, 17 Soldaten, 1 Arzt und 1 Fourier, und kurze Zeit darauf in Luckau 2 Unterofficiere und 32 Dragoner zu Gefangenen machten und nach vielfach bestandenen Fährlichkeiten wieder beim Corps anlangten, ein Wagstück, dem wohl nur wenige in der Kriegsgeschichte zur Seite gestellt werden können, und das der General Wachholtz in seinen Mittheilungen aus seinem Tagebuche, Braunschweig 1843, Seite 266 bis 274 ausführlich mittheilt."

 

Noch ausführlicher ist die Darstellung bei Kortzfleisch:

 

"...Über Torgau fuhren die fünf schwarzen Krieger durch den sächsischen Kurkreis nach Schlieben und fielen hier über eine zur Rekrutirung kommandirte sächsische Abtheilung von 3 Offizieren und 17 unberittenen Dragonern her, die sich ihnen in unbegreiflicher Bestürzung gefangen gaben. ... In Luckau bezwangen sie durch Überrumpelung ein starkes Dragoner-Kommando, das sich dort zur Bewachung des Zuchthauses befand.  Unbemerkt kamen sie an die Stadt, entwaffneten die Schildwache und zwangen sie, sie zur Hauptwache zu führen. Am Stockhause angelangt, riss Volontär Häusler die Thür zur Wachtstube auf und herrschte die 18 Mann starke Wache an, sich zu ergeben, oder die Kompagnie hinter ihm würde Feuer geben. Inzwischen hatten sich die beiden Oberjäger der Gewehrstützen bemächtigt. Die Wache ergab sich und wurde zum Marktplatze geführt, wo Capitain Sander eben mit dem Magistrat unterhandelte. Er bestellte Unterkunft für 3000 Mann und forderte, dass ihm alle im Ort befindlichen Soldaten ausgeliefert würden. Daraufhin streckten 2 Unteroffiziere, 32 Mann die Waffen. ... In Lübben kam ihnen zu ihrem Erstaunen der Magistrat entgegen und bat um Schonung der Stadt, die durch einen Boten aus Luckau auf das Erscheinen des braunschweigischen Corps vorbereitet war. Die in Lübben befindlichen 10 sächsischen Dragoner ergaben sich. (Den über die preußische Grenze enteilten Geldtransport versuchten sie vergeblich einzuholen) Bei der Rückkehr nach Lübben, wo man inzwischen erfahren hatte, dass das schwarze Corps gar nicht diese Richtung eingeschlagen habe, trat ihnen auf dem Markt eine murrende Menschenmenge entgegen.

 

Entschlossen, ihr Leben theuer zu verkaufen, traten Häusler, Sauer und Richter mit gefälltem Bajonett, Sander mit gezogenem Säbel zwischen die Menge. Aber es kam nicht zu Feindseligkeiten. Der Landeshauptmann Graf von Einsiedel befahl, die Braunschweiger mit Speise und Trank zu versehen und mit frischen Pferden ungehindert abreisen zu lassen. Am 23. Juni trafen die vier Tapferen in Leipzig wieder bei ihrem Corps ein."

 

Derartige militärische Raubaktionen muten heute befremdlich an, waren damals aber üblich. Die sächsischen Städte hatten unter den Requirierungen durchziehender Truppen sehr zu leiden. Ein besonders rüdes, an Erpressung grenzendes Verhalten zeigte das Braunschweiger Militär in Chemnitz. Am 29.6.1809 musste der Rat der Stadt neben den Einquartierungskosten über 6.000 Thaler entrichten. Die von Chemnitz nach 14 Jahren verlangte Rückerstattung dieses Geldes lehnte das Braunschweigische Geheimrats-Kollegium am 7.10.1823 mit der fadenscheinigen Begründung ab, der Vorschuss sei "nicht für das hiesige Herzogtum angefordert, noch als eine für dasselbe kontrahierte Schuld erhoben worden". Dagegen wurde die von den Braunschweiger Untertanen eingeforderte sog. freiwillige Zwangsanleihe von 600.000 Reichstalern für außerordentliche Kriegslasten (Verordnung vom 20./29.7.1814) bis Ende 1818 ordnungsgemäß zurückbezahlt.

 

c) Ankunft der Schwarzen Schar in Braunschweig

 

Am 31.7.1809 zog der Herzog mit seiner schwarzen Schar in Braunschweig ein und ergriff in einer Proklamation von dem Land Besitz. Am 1.8.1809 behauptete sich die Schwarze Schar in dem Gefecht bei Ölper. Ob das erstaunliche Entrinnen des Schwarzen Herzogs mit seiner Schar vor der erdrückenden westfälischen Übermacht unter General Reubel wirklich auf der Einflussnahme der Königin Katharina von Württemberg aus verwandtschaftlicher Rücksicht beruht (beide haben Herzog Carl Wilhelm Ferdinand als gemeinsamen Ahnherrn), wie z. B. Erich Rosendahl behauptet, ist nicht endgültig geklärt,  würde aber auch den Waffenruhm der Schwarzen Schar nicht schmälern. Gegen diese These spricht ein Brief König Jeromes an Oberst Thielman, in dem er ausführt: "Le duc D´Oels ne doit point nous échapper. Le Gén[eral] Reubel avec sa division sera demain à Brunswick, par ce moyen, il sera pris entre deux feux." In dieser bedrängten Lage stimmte der Herzog mit Hofprediger Bartels und seiner engeren Umgebung das Lied "Dir trau ich Gott und wanke nicht…" an, was wohl nicht geschehen wäre, wenn ihm Schonung signalisiert worden wäre.

 

Das karge Lager, das Herzog Friedrich Wilhelm in Braunschweig mit seinen Kriegern am Petritor teilte, beschrieb der Dichter Karl Köchy, mit dessen Familie Häusler durch die Hochzeit seiner Tochter Marie verwandt werden sollte, wie folgt:

 

            Aus der Welfen edlem Blute, Nun geächtet und beraubt,

            Hier auf staub´ger Scholle ruhte Friedrich Wilhelm einst das Haupt.

            Alles, was er von dem Lande Seiner Väter noch besaß,

            War der Raum, den er im Sande Mit des Leibes Länge maß !

 

Haeusler ahnte wohl nicht, dass Braunschweig, wo er am 2.8.1909, dem Tag seiner Beförderung zum Leutnant, ein denkwürdige Erlebnisse hatte, einst seine neue Heimat werden sollte. Spehr a.a.O. berichtet:

 

"Am 2. August 1809 traf ein vom Herzog schon verloren gegebener, nicht unbeträchtlicher Theil des Corps unter dem Lieutenant Häusler in Burgdorf ein. Letzterer hatte die Nacht davor das Commando der Wache am Augustthore zu Braunschweig gehabt und vom Herzoge die Order erhalten, nicht eher seinen Posten zu verlassen, als bis entweder der Herzog ihn in Person oder durch einen eigenhändigen Befehl davon abrufen werde. Hierdurch veranlasst war Häusler mit seiner Mannschaft auf dem Posten geblieben, obgleich ihm die Kunde geworden, dass der Herzog morgens 8 Uhr Braunschweig verlassen habe. ... Etwa Nachmittags 1 Uhr kam ein braunschweigischer Husar, Namens Schwarz, welcher allein in Wolfenbüttel die Ankunft der Holländer erwartet hatte, angesprengt, die Nachricht bringend, dass [der die Westfalen befehligende französische General] Gratien in der Nähe dieser Stadt erschienen sei und ihm bald folgen werde. Häusler sendete den Husaren an den ebenfalls noch in Braunschweig verweilenden Rittmeister von Reiche, um sich Verhaltungsbefehle zu erbitten, und erhielt von diesem die Ordre, sich sofort nach dem Petrithore zurückzuziehen und ihm, der ebenfalls die Stadt verlassen wollte, zu folgen. ... Glücklich gelangte Häusler, zu dem unterwegs fortwährend versprengte braunschweigische Soldaten gestoßen waren, Morgens gegen 3 Uhr, als eben das Corps im Begriff war nach Hannover aufzubrechen, mit etwa 225 Mann in Burgdorf an. Kaum war er im Bivouac eingetroffen, als auch schon der Herzog mit den Worten unwillig auf ihn zutrat: Herr! wenn die Officiere nicht gehorchen, was soll dann aus dem ganzen Corps werden? Warum haben Sie meine Ordre [offensichtlich: zum Corps aufzuschließen] nicht befolgt?" – "Durchlaucht, ich habe keine Ordre erhalten." – Wo ist der Lieutenant Tiede?" fragte der Herzog. Jener, herbeigerufen, entschuldigte sich auf die Frage, wo er die ihm zur Ausrichtung gegebene Ordre gelassen? dass er den Weg zum Augustthore nicht habe finden können, und ein Bürger ihm in die Hand gelobt, die Ordre dem wachhabenden Officier am Petrithore zustellen zu wollen. Als der Herzog auf diese Weise Häusler gerechtfertigt sah, befahl er freundlich seinem Kammerdiener, demselben eine Flasche Wein zur Erquickung zu reichen und lobte nun das Verhalten Häuslers eben so sehr, als er es früher laut gemissbilligt hatte."

 

d) Dienst in der englischen Armee

 

Die Schwarze Schar zog weiter durch Norddeutschland zur Nordseeküste. Vor der Einschiffung nach Helgoland in Elsfleth mussten die Pferde zurückgelassen und weit unter Preis verkauft werden. Lieutenant Häusler erhielt für vier dem Major v. Reichmeister gehörige Pferde nur zehn Pfund Tabak. Auf Helgoland wurden die Braunschweiger Truppen von britischen Offizieren inspiziert und die gesunden und mindestens 5 feet 3 inches großen Krieger übernommen. In England wurden die Krieger der Schwarzen Schar am 25.9.1809 unter dem Namen Brunswick-Regiment in großbritannische Dienste gestellt, entgegen den Erwartungen von Herzog Friedrich Wilhelm aber nicht als eigenständige Truppe unter seinem Kommando neu formiert, sondern in die englische Armee integriert, die auch die Beförderung und die Entlohnung der Soldaten übernahm.

 

Friedrich Häusler wurde als Fähnrich (ensign) übernommen, mußte sich also wie schon bei seinem Eintritt ins Schwarze Korps wieder eine Rückstufung gefallen lassen, die erst durch seine Beförderung zum Leutnant am 27.1.1811 wieder aufgeholt werden konnte. Nach einem Jahr in verschiedenen englischen Garnisonen (Insel Wight, Guernsey, Irland) wurden die Braunschweiger im August 1810 nach Portugal eingeschifft und ab 1811 in Portugal und Spanien eingesetzt.

Über den Peninsula-Krieg liegen sehr ausführliche Berichte vor.Bekanntlich bedeutete die Bindung der Kräfte der Franzosen auf der Iberischen Halbinsel den Anfang vom Ende der Grande Armée, weil diese Kräfte 1812 in Rußland fehlten. Die Braunschweiger fochten besonders tapfer. In der schlacht von Fuentes de Onore (3.-5. Mai 1811) war ihre Lage so bedrängt, dass Wellington ausrief: „By God, the Brunswickers are all lost!“ Die feste Haltung der Schwarzen und die artilleristische Unterstützung durch Major von Arentschilds portugiesische Artillerie rettete sie aus dieser großen Gefahr. Auch Häusler musste mit einer schwierigen Situation fertig werden. Beim Sturm auf Villamuriel de Cerrato in der kastilischen Provinz Palenzia (15. Okt. 1812) waren sein Kompaniechef (Kapitän von Sternfeld) und ein weiterer Offizier (Leutnant Hartwig) gefallen und Kapitän von Nassau schwer verwundet worden. Häusler hatte als einzig übrig gebliebener Offizierder 2. Kompanie gleichzeitig die Führung der ganz ohne Offiziere gebliebenen 10. Kompanie übernehmen müssen.

Auch bei Badajoz hatte Häusler sich ausgezeichnet. Diese stark umkämpfte Festung konnte erst im dritten Anlauf im März 1812 von den Engländern unter Wellington erobert werden.Neben der Medaille für Kämpfe in Portugal und Spanien (1821) wurde Häusler mit der Kriegsmedaille der Königin von England dekoriert (1849). Aus familiärer Sicht ist hierbei pikant, dass ein Vorfahre der Frau seines Urenkels Albrecht Haeusler, der herzoglich nassauische Oberst Karl Keimmit den Rheinbundtruppen in Badajoz, später auch in Waterloo, auf der Gegenseite kämpfte und gleichfalls ausgezeichnet wurde, was später zu manchen Neckereien im Familienkreis Anlass gab. Die Konstellation, dass sich in den napoleonischen Kriegen deutsche Familienangehörige gegenüberstanden, war in jener Zeit keine Seltenheit.

 

Eine "Nebentätigkeit" Häuslers während des Iberischen Krieges war seine Mitwirkung in kriegsgerichtlichen Verhandlungen. Trotz der Eingliederung in die englische Armee urteilten die Braunschweiger Verbände militärdienstliche Vergehen ihrer Soldaten selbst ab. Die Verhandlungen und die Urteile sind in einem bei den Militärakten des Herzogs Friedrich Wilhelm im Staatsarchiv Wolfenbüttel befindlichen Buch vermerkt, das die Zeit vom 16.2.1811 bis 5.9.1814 umfasst. Der

 

Titel "Court Martial Book of the Duke of Brunswicks Regt of Lt. Infty" [Light Infantry] steht sinnigerweise auf einem ausgeschnittenen roten Herz, das auf die Vorderseite des Buches geklebt wurde. (Die deutlich sichtbaren Flecke darauf können von Blut oder Rotwein herrühren !). Verhandlungstage unter Teilnahme Häuslers waren z.B. 21.3.1811 (Vorsitz Captain Proestler), 26.3., 1.4., 25.4., 21.6., 23.6. und 1.7.1811 und 1.7.1813. Neben Freisprüchen gab es Züchtigungsstrafen (z.B. im letzten Fall 200 lashes!).

 

 

e) Rückkehr nach Braunschweig, Waterloo

 

Als sich die Niederlage Napoleons in Spanien abzeichnete, hatte Herzog Friedrich Wilhelm Mühe,  bewährte Offiziere als Kader für die anstehende Neuformierung Braunschweiger Truppen freizubekommen. In einem Schreiben vom 20.11.1813 aus seinem englischen Aufenthaltsort Belmont-House forderte er beim Regiments-Kommandeur den Major Fragstein, die Captains Wachholtz und Lisnewsky, desgl. die Lieutenants Normann, Paczinsky, Häusler und Carl Grüttemann hierfür an. Aber erst Ende 1813 wurde diesem Anliegen entsprochen, nachdem Herzberg, damals Oberstleutnant, deswegen in St. Jean de Luz mit Wellington verhandelt hatte.

 

Ende.1813 brachen die Genannten per Schiff in die Heimat auf und zwar über London, weil sie aus englischem Dienst lediglich beurlaubt waren und daher noch Urlaub beim Herzog beantragen mussten. Das Gros der Streitmacht hielt nach Beendigung des Peninsula-Krieges und längerem Zwischenaufenthalt in England erst am 10.11.1814 feierlichen Einzug in Braunschweig und schied Ende dieses Jahres aus englischen Sold.

 

Zeit zur Muße war den Kriegern nicht vergönnt. Der Ausmarsch auf den französischen Kriegsschauplatz bei  Maastricht im April 1814 endete zwar ohne Eingreifen der Braunschweiger durch den Pariser Frieden vom 30.5.1814. Bereits im Jahr darauf hatten die Braunschweiger aber schon die unentschieden ausgegangene Schlacht von Quatre Bras (16.6.1815) und die Entscheidungsschlacht von Waterloo (18.6.1815) zu bestehen. Herzog Friedrich Wilhelm fiel bei Quatre Bras.

 

Zu Beginn der Schlacht von Waterloo am 18.6.1815 standen die Braunschweiger auf dem rechten Flügel beim Heeresteil des Prinzen von Oranien. Napoleon versuchte im Zentrum bei den Engländern durchzubrechen, um die Armeen zu teilen und einzeln schlagen zu können. Als das englische Zentrum zurückweichen musste, setzte Wellington die Braunschweiger dort ein. Die Franzosen scheiterten an dem aufopfernden Kampf der Braunschweigischen Karrees, die unterstützt von eigener Kavallerie mehrere Attacken der französischen Reiterei zurückschlugen. Die Entscheidung fiel dann mit dem Eingreifen von 10.000 Preußen unter Blücher.

 

In Waterloo war Häusler als Kapitän im 3. leichten Bataillon (Patent vom 18.2.1814) eingesetzt. Nach einem Berichte des Obersten Olfermann hat er durch eine dem Feinde kühn entgegengeführte Tirailleurlinie demselben bedeutenden Schaden zugefügt.

 

Nach der großen Schlacht schrieb Häusler seiner Frau Auguste geb. von Papet in Braunschweig, die er erst am 28.3.1815 geheiratet hatte, folgenden Brief, von dem eine Abschrift im Staatsarchiv Wolfenbüttel aufbewahrt wird:

 

 

"den 19. Juny 1815

 

                                                                                    Nouvelle Biwak gegeben

                                                                                                auf einem Gebund Stroh

 

                                    Geliebte Frau !

 

Gott sey es gedankt ! ich bin wohl und munter der 16. 17. + 18. waren heisse Tage, Menschen wurden gemeht wie Heu, vom 3. Leichten Batt. sind present 211 Mann 1 Cap: 4 Fändrichs, andere blessirt und todt, Praun ist auch ein Schlachtopfer, eine Kanonenkugel zerschlug ihm die Füsse, Bonaparte ist geschlagen. Meilenweit sind die Felder mit Menschen, Pferden und Kanonen beseht, Lebe wohl, einzig geliebtes Weib. Gott erhalte Dich gesund, und mich bald in Deine Arme, Ebeling ist durch eine Granate der Fuss zerschlagen, die Menge Officirs, die das Corps verlohren hat, ist stark

 

                                                                                                Lebe wohl

                                                                                                Dein Häusler"

 

 

f) Weitere Militärkarriere in Braunschweig

 

Nach Waterloo setzte sich die militärische Karriere von Friedrich Häusler in Braunschweig fort: Kompaniechef im 2. leichten Bataillon ab 3.2.1816, zum Leib-Bataillon kommandiert 1.1.1819, zum Reseve-Bataillon 8.5.1822, zum Jäger- oder Leib-Bataillon 28.1.1824. Dieses am 1.2.1824 errichtete Bataillon wurde aus den Schützen und gewandtesten Leuten des bisherigen Infanterie-Regiments gebildet. Es behielt als einzige Formation die historische schwarze Uniform (während die anderen Verbände dem preußischen Schnitt angepasst wurden).

 

Über die Vaterschaft der Schwarzen Schar für die Braunschweiger Bataillone entspann sich noch 100 Jahre nach Errichtung der Schwarzen Schar eine Kontroverse Im Jahre 1909 vertrat von Kortzfleisch die These, bei dem Leibbataillon des Jahres 1824 handele es sich trotz Beibehaltung der schwarzen Uniform um eine Neuschöpfung; die Tradition der Schwarzen Schar würde von dem neuen 1. Linien-Infanterie-Regiment (mit seinen 2 Bataillonen) fortgeführt. Von Otto vertrat vehement den Gegenstandpunkt, wonach allein das Leibbataillon der legitime Nachfolger des Schwarzen Schar von 1809 sei. Den 50. Gründungstag feierte auf Einladung von Herzog Wilhelm allein das Leibbataillon in Blankenburg, wozu auch die "alten Krieger" eingeladen waren. Es ist auch schwer einzusehen, dass die Verleihung einer traditionsreichen Uniform nicht der Einheit gelten sollte, die diese Tradition begründet und weiterhin verkörpert hatte. Durch die Zusammenfassung der drei Braunschweigischen Bataillone (1., 2. und Leibbataillon) zum Infanterie-Regiment Nr. 92 am 3.10.1867 wurde diese Frage dann obsolet.

 

Friedrich Häusler, der seit 1806 nur das unstete Soldatenleben kannte, verbrachte die ersten Jahre nach seiner Rückkehr aus dem Krieg in verschiedenen Garnisonsunterkünften in Braunschweig und Wolfenbüttel. Ab 1820 wohnte die Familie in der Gördelingerstaße 41 (alte Brand-Nr. 81), einer an Hotels und Gaststätten reichen Straße. Über seine Frau Auguste geb. von Papet erwarb  Friedrich

 

Häusler verwandtschaftlichen Zugang zu einigen alteingesessenen Braunschweiger Familien. Die Familie von Papet aus Erfurt war erst 1732 durch Einheirat in die Amtmannfamilie Breymann auf Salder und Gebhardshagen in den Braunschweiger Raum gekommen. Beide Familien werden je in einem Exkurs behandelt.

 

 

g) Sanktionen für den Übertritt in die Schwarze Schar

 

Friedrich Häuslers Wechsel ohne Abschied vom preußischen zum Braunschweigischen Militär brachten ihm strafrechtliche Verfolgung und Verlust der Pensionsansprüche in Preußen ein. Gegen alle Preußen in gleicher Situation, unabhängig davon, ob sie inzwischen in ihre Heimat zurückgekehrt waren oder nicht, wurden Straf- und Disziplinarverfahren eingeleitet. Über diese Verfahren berichtet Anton Ernstberger ausführlich unter der Überschrift "Kriegsgericht in Preußen". Es gab zwei unterschiedliche Anklagepunkte: einmal die Verletzung preußischer Militärgesetze (dieser Punkt konnte schon aus preußischer Prinzipientreue nicht fallengelassen werden), zum anderen der Verstoß gegen die Neutralitätsverpflichtung gegenüber Frankreich (deren Verletzung durch Nichtbelangung der "Deserteure" französische Sanktionen nach sich ziehen konnte).

 

Da der Freikorpsgedanke jedoch zumindest innerlich bei der preußischen Führung Zustimmung fand, wurde durch die Zusammensetzung des Gerichts, dessen Vorsitz wie schon im Fall Schill General v. Blücher übertragen wurde, dafür gesorgt, dass zwar formal Recht gesprochen wurde, die am 31.5. und 1.10.1810 in Stargard ausgesprochenen Urteile aber milde ausfielen. Als Geste des Entgegenkommens erlaubte König Friedrich Wilhelm III. aber während des Wiener Kongresses 1815 den verurteilten Freikorpsoffizieren die Rückkehr in die Heimat unter Aufrechterhaltung der Vermögensstrafen und Ablehnung einer Wiederaufnahme in die preußische Armee vor Unterbringung der überzähligen Offiziere des letzten Krieges. Erst sieben Jahre später, im Februar 1822 wurde eine vollständige Begnadigung ausgesprochen und Gelegenheit gegeben, durch nachträgliche Erwirkung des Abschieds aus dem preußischen Dienst Pensionsansprüche zu erwerben. Häusler erhielt 1823 den beantragten Abschied.

 

Die Pension, die Häusler aus seiner Braunschweigisch-englischen Militärzeit bezog, errechnete sich aus 23 Dienstjahren (1809-1832). Nach einer Aufstellung von 1845 bezog er ab 1.5.1832  780 Thaler. Wie sich aus erhaltenen Familienbriefen ergibt, war die Familie auf sparsame Lebensführung angewiesen. Der Sohn Otto konnte nur dank eines Stipendiums der Stadt Braunschweig studieren; zwei Töchter blieben wohl mangels standesgemäßer Ausstattung ledig.

 

 

h) Braunschweiger Aufstand von 1830

 

Leider ist nicht bekannt, wie Häusler sich bei der Braunschweiger Revolte von 1830 verhalten hat, und ob er, wie viele Offiziere, in einen Loyalitätskonflikt gegenüber Herzog Karl geraten ist, der durch sein herrisches und unbeherrschtes Verhalten die Krise heraufbeschworen hatte. Häusler war

 

leider schreibfaul, wodurch es auch kaum schriftlichen Zeugnisse von ihm selbst über sein abenteuerliches Leben gibt. Die hartnäckig vertretene Meinung, die Revolte des Jahres 1830 sei von unzufriedenen Militärs oder Beamten ausgegangen, lässt sich nach der umfangreichsten Studie zu diesem Thema von Bernhard Kiekenap, nicht eindeutig belegen. Im Zuge der folgenden Revolution von 1848, die in Braunschweig vergleichsweise harmlos ausfiel, weil ab 1830 schon einige der politischen Forderungen erfüllt waren, trat Friedrich Häusler, wie auch sein Sohn Otto, dem 1848 gegründeten vaterländischen Verein bei, in dem das Militär mit 9,5 % gegenüber der Hauptgruppe Wirtschaftsbürgertum (23 %) unterrepräsentiert war.

 

In einer Druckschrift des Ministerialrats Koch "Der Aufstand der Braunschweiger ..." , eine Fortschreibung der von Stadtdirektor Bode wenige Tage nach dem Aufstand verfassten "kurzen Geschichte des Aufstandes der Braunschweiger im September 1830" wird die gesamte Schuld dafür, dass es unmöglich gewesen sei, das Schloss planmäßig zu verteidigen, Herzog Karl II. zugeschoben. Zwei Jägerkompanien, die vor den Schlossflügeln auf dem Bohlweg unter Befehl der Hauptleute Berner und Häusler aufgestellt gewesen seien, wären "im gefährlichsten Moment von dem bedrohtesten Platz zu der Person des Herzogs zurückgekehrt und hätten dadurch eine wirksame Verteidigung des Schlosses unmöglich gemacht". Ferner hätte der Herzog mehrere Schwadronen für seine Flucht abgezogen. Darüber, ob ein Zusammenhang mit Häuslers Verhalten während der Revolte und seiner Zuteilung zum Reserve-Kader ab 17.10.1830 und der frühe Abschied im Alter von nur 50 Jahren am 13.4.1832 besteht, kann nur spekuliert werden.

 

 

i) Herzoglicher Sonderauftrag

 

Herzog Wilhelm scheint jedenfalls keine Vorbehalte gegen ihn gehabt zu haben. Sonst hätte er ihm nicht im Jahre 1844 an einem Sonderauftrag teilhaben lassen, den Auguste Häusler in einem Brief vom 10.5.1844 an ihren Sohn Otto wie folgt darstellt:

 

"...Aber das Neueste ist, ... dass der Vater urplötzlich eine große Reise machen wird, und zwar auf hohen Befehl, und, was das Beste, sogar ohne eigne Kosten; der hg. v. Vechelde ist nämlich vom Herzog beauftragt, eine Art Volksbuch, ungefähr wie das von Sporschil, über den Feldzug von 1809 zu schreiben, und dazu an all´ den Orten, welche der Marsch berührt, Notizen etc. zu sammeln; allein hat er dies, seiner Gebrechlichkeit wegen, nicht allein unternehmen wollen, überhaupt einen Off[izier], der damals dabei gewesen, sich zur Stütze und Mithülfe ausgebeten; worauf der Herzog den Vater genannt, womit V[echelde] denn zufrieden gewesen. ... [Die Reise] wird ungefähr 14 – 20 Tage dauern. ..."

 

Hier trafen nun zwei sehr unterschiedliche und eigenwillige Naturelle aufeinander, so dass Streit und Zerwürfnis während der Reise nicht ausblieben. Schon im nächsten Brief an Otto gibt Auguste Häusler einen Brief ihres Mannes aus Breslau wieder, wonach "mit hg. v. V. gar nicht auszukommen gewesen, er [Häusler] sich deshalb schon in Dresden von ihm getrennt und allein nach Breslau gereist sei; ... der eigentliche Zweck der Reise scheint mir nun verfehlt zu sein ..."

 

 

 

j) Theaterzettelsammlung

 

Der frühe Ruhestand gab Häusler die Muße, seiner besonderen Vorliebe für das Theater und das Sammeln von Theaterzetteln zu nachzugehen; sein Sohn Otto steuerte Exemplare aus seinen Studienorten bei. Die so entstandene Sammlung wurde von seinen Erben durch schriftliche Vereinbarung vom 12.1.1866 zum Preis von 100 Talern der Stadt Braunschweig verkauft. Sie bildet den Grundstock für die heute vom Stadtarchiv betreute Braunschweiger Theaterzettelsammlung, die mit ihren über 136.000 Exemplaren in den Worten des früheren Stadtarchivars Dr. Ottokar Israel "die umfangreichste und bedeutendste Sammlung dieser Art überhaupt" darstellt. Das älteste Stück der Sammlung stammt von 1711; Glanzstücke sind die Theaterzettel der Uraufführungen von Lessings Emilia Galotti (1772) und Goethes Faust (1829). Als eine mit dem Aufkommen gedruckter Programmhefte zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgestorbene Gattung interessieren die Theaterzettel noch heute das Fachpublikum. Benutzer kommen aus aller Welt.

 

Das Sammeln von Theaterzetteln war damals "en vogue". Häusler gehörte aber sicher nicht zu jenen Sammlern, die Robert Musil in seinem Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" ironisch so beschreibt: "Er [ein österreichischer General] ließ dort auch geistig die Schärfe vermissen, die man zum Reiten braucht, aber er machte alle Militärkonzerte mit, besuchte die Museen und sammelte Theaterzettel."

 

 

k) Familienbilder

 

Etwa um 1850 ließ Friedrich Häusler bei dem Portraitmaler Heinrich Neumann, einem Romantiker (1801-1879), von sich und seiner Frau je ein Ölbild anfertigen, das ihn in der schwarzen Uniform und sie in zeitgenössischer Kleidung mit Spitzenumhang und -haube darstellt. Das Original von Friedrich Häusler wurde dem Vaterländischen Museum 1890 für die Ausstellung im Rahmen der 75-Jahrfeier der Schlacht von Waterloo überlassen. Die im Jahre 1909 verstorbene Tochter Agathe Häusler vermachte dem Museum beide Bilder. Das Bild Auguste Haeusler wurde jedoch "mangels Interesse" zurückgegeben.

 

Von dem Original Friedrich Häuslers ließ sein Enkel Willy Haeusler mit Genehmigung des Museums in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts eine Kopie anfertigen, die sich noch in Familienbesitz befindet. Einen Antrag des Urenkels Albrecht Haeusler beim Landesmuseum im Jahre 1956 auf Rücktausch des Original gegen die Kopie mit dem Ziel einer "Wiedervereinigung" der Originale wurde vom Museum abgelehnt. Die damalige, rein militärgeschichtlich begründete Entscheidung wurde bedauert, da zu den musealen Aufgaben auch die Darstellung ostfälischer Frauengestalten gehöre. Für den Fall des Aussterbens der Familie Haeusler wurde die Überlassung auch des seinerzeit zurückgewiesenen Bildes erbeten (BLM-Brief vom 27.8.1956).

 

                     

                            Auguste Häusler, geb. v. Papet (1789-1862) und Friedrich Haeusler (1780-1865),

                           dargestellt auf Ölbildern von Heinrich Neumann um 1850.

 

Das Originalportrait von Friedrich Häusler wurde zuletzt 1990 in der Ausstellung des Braunschweigischen Landesmuseums "Vaterland 1813 – 1815" gezeigt. Weibliches Original und männliche Kopie befinden sich heute bei Dr. Jochen Haeusler in Nürnberg. Auf einer Daguerreotypie aus der Anfangszeit dieser Technik, heute im Besitz von Frau Maria Elisabeth Sievers geb. Haeusler in Stadtallendorf, ist das Ehepaar Häusler mit ihren Kindern Otto, Franziska und Agathe abgebildet.

 

                                   

 

                                    Daguerreotypie ca. 1850: Auguste und Friedrich Häusler

                                                mit den Kindern Otto, Franziska und Agathe.

 

l) Lebensende

 

Friedrich Häusler erhielt für seine Verdienste zahlreiche Auszeichnungen. Das Ehrenzeichen 1809, die Peninsulamedaille, die Waterloomedaille, die Victoriamedaille und die Preußische silberne Militär-Verdienstmedaille wurden von seinen Kindern zur Gedenkausstellung der Waterloo-Schlacht im Jahr 1890 zur Verfügung gestellt. Am 25.4.1855 wurde Friedrich Häusler auch das Verdienstkreuz I. Klasse des Ordens Heinrichs des Löwen verliehen. Friedrich Häusler starb am 26.12.1865 kurze Zeit nach dem Tod seiner Frau (1862) in Braunschweig. Er wurde auf dem Martinifriedhof  beerdigt. (Das Grab ist nicht erhalten.)